Weltbienentag am Sonntag Ohne Bienen keine Kirschen
Summ, summ, summ, Bienchen summ' herum - oder eben nicht mehr. Viele Bienenarten sind gefährdet. Das hat nicht nur Folgen für die Natur. Auch wir sind auf die Bienen angewiesen.
Hannover (dpa) - Wie das mit den Bienchen und den Blümchen funktioniert, lernen Kinder in der Schule. Viele Pflanzen sind auf die Bestäubung angewiesen. "Ohne Bienen gibt es keine Kirschen", sagt der Göttinger Agrarökologie-Professor Teja Tscharntke.
Wie wichtig die Bienen sind, demonstrierte gerade ein Supermarkt in Hannover. Er räumte für einen Tag alle Produkte aus den Regalen, die es ohne die fleißigen Insekten nicht gäbe. Das Ergebnis: Rund 60 Prozent der 2500 Artikel mussten nach Angaben des Unternehmens weichen.
Wir brauchen die Biene - darauf will auch der Weltbienentag am 20. Mai aufmerksam machen, den die Vereinten Nationen in diesem Jahr zum ersten Mal ausgerufen haben. Denn die Lage der Bienen ist ernst. "Viele sind seit Jahren gefährdet, einige bereits ausgestorben", sagt Gerlind Lehmann, Professorin für Evolutionäre Ökologie an der Berliner Humboldt Universität. Allein in Deutschland gelten 55 Prozent der fast 600 Wildbienenarten als gefährdet.
Vom Bienensterben ist in den Medien oft zu lesen. "Der Begriff ist ein stückweit irreführend", sagt der Bienenexperte Till-David Schade vom Naturschutzbund (Nabu), der an der Supermarkt-Aktion beteiligt war. "Viel treffender wäre Rückgang oder Schwund." Und das gilt auch nur für die Wildbienen. Bei den gezüchteten Honigbienen steigt die Zahl der Völker in Deutschland seit einigen Jahren wieder, weil mehr Menschen Spaß am Imkern haben. Etwa 870 000 Völker schwirren nach Angaben des Deutschen Imkerbundes hierzulande herum.
Nicht alle Ursachen für den Schwund der Wildbienen und vieler anderer Insekten seien erforscht, sagt Lehmann. Einen großen Anteil hat nach Ansicht von Wissenschaftlern und Umweltschützern die industrielle Landwirtschaft mit ihren großen Acker- und Weideflächen. Diese raube den Bienen Lebensraum und Nahrungsquellen. Pestizide machen ihnen ebenfalls den Garaus.
Paradoxerweise sind die Bienen die besten Helfer der Bauern. 75 Prozent der rund 150 wichtigsten Nutzpflanzen auf der Welt profitierten von ihrer Bestäubung, sagt Tscharntke. "Die Samen sind meist vitaler und größer." Und das treffe auch auf Pflanzen zu, die sich überwiegend selbst bestäuben könnten.
Bei einem Versuch in einer großen Kirschbauregion in Kassel haben Tscharntke und seine Mitarbeiter festgestellt, dass bei einer guten Bestäubung durch Wildbienen der Ertrag um 50 Prozent höher ausfallen kann. Umwickele man den Ast eines Kirschbaumes dagegen mit Gaze, so dass gar keine Bienen an die Blüten gelangten, bildeten sich dort keine Kirschen, sagt Tscharntke. Die Bienen seien die wichtigsten blütenbestäubenden Insekten.
Zur Mandelblüte lassen die Farmer in Kalifornien jedes Jahr Imker mit ihren Bienen in Scharen anreisen. Im deutschen Obstanbau sei das noch nicht so weit verbreitet, sagt Tscharntke. Noch wichtiger wäre es, in den Anbaugebieten Lebensräume für Wildbienen zu schaffen. "Die Wildbienen sind viel effizientere Bestäuber als die Honigbienen." Die Honigbiene krabbelt auf derselben Pflanze von einer Blüte zur anderen, die Wildbienen fliegen öfter zwischen den Pflanzen hin und her. Das bringt unter anderem mehr Genaustausch.
Doch gerade die Wildbienen leiden am meisten darunter, wenn die Landwirte ihre Felder mit Pestiziden besprühen. "Die Honigbienen können das besser kompensieren, weil sie in größeren Völkern leben, und sie haben den Imker, der ihnen hilft", sagt der Neurobiologe Randolf Menzel von der Freien Universität Berlin. Er hat sich fast sein ganzes Forscherleben mit Bienen und Hummeln beschäftigt. "Wildbienen leben eher versteckt. Deshalb fallen sie nicht auf", sagt er. "Die Honigbienen sind die, die die Aufmerksamkeit bekommen."
Deshalb fürchtet der Verbraucher gleich um sein Honigbrot, wenn es ums Bienensterben geht. Die Sorge um "Biene Maja" hat auch der Handel für sich entdeckt. Supermarktketten wie Aldi, Rewe, Edeka und Lidl werben mit Produkten aus bienenfreundlichem Anbau, geben Geld für Bienenschutz-Projekte oder legen selbst Blühstreifen um ihre Lager und Filialen an.
Nabu-Experte Schade ist jedoch skeptisch, ob solche Aktionen immer etwas bringen. "Neben hochbewirtschaften Flächen kann ein Blühstreifen zur Todesfalle werden." Dieser ziehe viele Insekten an, und wenn der Bauer das Feld nebenan spritze, gingen diese zugrunde. Trotzdem kann jeder zum Bienenschutz beitragen - beim Einkauf. "Wir beeinflussen mit unserem täglichen Konsum, wie unsere Landschaft aussieht", sagt Schade und empfiehlt: besser Bio als konventionell.
Unser Lebensstil hat dazu beitragen, dass sich die Verhältnisse zum Teil umkehren. Das Land ist für manche Tierarten nicht mehr der ideale Lebensraum. "Es gibt Beobachtungen, dass Honigbienen in der Stadt mehr Nahrung finden als auf dem Land", sagt der Oldenburger Biologie-Professor Dirk Albach. "Das ist für Wildbienen noch nicht nachgewiesen." Ein deutsch-niederländisches Forschungsprojekt der Universität Oldenburg und der VHL Fachhochschule Leeuwarden will dazu in diesem und nächsten Jahr mehr Erkenntnisse sammeln.
Etwa 30 Kästen mit Hummeln haben die Wissenschaftler in beiden Ländern aufgestellt, auf dem Land und in der Stadt. Über mehrere Wochen sollen Schüler diese beobachten. "Sie führen eine Strichliste, wie oft die Hummeln ein- und ausfliegen und schreiben auf, ob sie Pollen an den Beinen haben", sagt Sine Ulukaya, die ein Volk beim Bremer Tierschutzverein betreut. Gleichzeitig registrieren Sensoren jedes ein- und ausfliegende Tier. Vor und nach dem Projekt wiegen die Wissenschaftler die Hummel-Kästen, um zu sehen wie sich das Volk entwickelt.
Die Beobachtungen der Schüler wollen die Experten 2020 auf einem Symposium diskutieren. "Das sind keine wissenschaftlichen Ergebnisse", gibt Albach zu. "Aber sie liefern Hinweise." Zum Beispiel darauf, in welcher Umgebung sich Hummeln besonders wohl fühlen.