Schnaps für den Heiligen: Prozession für Trunkenbold
Genarín war ein stadtbekannter Trinker und Bordellbesucher gewesen. An seinem Todestag findet in León in Nordspanien alljährlich ein Umzug statt, der Tausende Menschen anlockt. Das Fest entstand als Persiflage auf die Osterprozessionen in dem katholischen Land.
León (dpa) - Auf dieser Prozession trägt man keine Kreuze, sondern Fackeln und Schnapsflaschen. Die Teilnehmer des Umzugs in der nordspanischen Stadt León huldigten in der Nacht zum Freitag einem Heiligen der besonderen Art: Sie würdigen einen stadtbekannten Trunkenbold, der im Jahr 1929 auf unglückliche Weise zu Tode gekommen war.
Genaro Blanco - genannt Genarín - wurde von einem Müllwagen überfahren, als er nach einem Zug durch die Kneipen an die mittelalterliche Stadtmauer pinkelte. Das Unglücksfahrzeug war der erste motorisierte Müllwagen in der Geschichte der Stadt gewesen.
Genarín, von Beruf Gerber, hatte sein Zuhause in den Kneipen und Bordellen der Stadt gehabt. Er wurde zu einem Volksheiligen, der immer mehr Anhänger findet. Am Umzug an diesem Karfreitag nahmen nach Schätzungen der Lokalpresse etwa 30 000 Menschen teil. Er gilt als die größte nichtkirchliche Osterprozession in ganz Spanien.
Die Anhänger von Genarín versammelten sich um Mitternacht auf der Plaza del Grano in der Altstadt der Provinzmetropole mit 130 000 Einwohnern. Die Polizei musste die Zugänge zu dem Platz zeitweise abriegeln, weil der Andrang überhandnahm. Im Mittelpunkt stand eine Genarín-Figur, die in der einen Hand eine Schnapsflasche emporhält und mit der anderen Hand sich an einer Laterne abstützt.
Die Prozession führte durch das Kneipenviertel, das bezeichnenderweise Barrio Húmedo (Feuchtes Viertel) heißt, und endete an der Stadtmauer. Wo Genarín vor 87 Jahren zu Tode gekommen war, wurden die Opfergaben niedergelegt: ein Brot, ein Stück Käse, eine Apfelsine, ein Lorbeerkranz und eine Flasche Orujo (spanischer Tresterschnaps).
Der Umzug war als eine Persiflage auf die zahllosen Osterprozessionen in Spanien entstanden, bei denen strenggläubige Katholiken - häufig in Büßergewändern - durch die Städte ziehen. Er hatte daher etwas Subversives und wurde während der Franco-Diktatur (1939-1975) zeitweise verboten. Die Tradition lebte jedoch fort und weitete sich zu einem Volksfest aus, das heute auch Besucher aus anderen Städten des Landes anlockt.
Die Idee zu dem Umzug war nach dem Tod des Trinkers von vier Männern ausgegangen, die heute die Vier Evangelisten genannt werden. Dies waren ein Dichter, ein Fußballschiedsrichter, ein Taxifahrer und ein Aristokrat, der sein Vermögen verjubelt hatte. Eine Bruderschaft namens Nuestro Padre Genarín (Unser Vater Genarín) pflegt den Brauch und organisiert die alljährlichen Prozessionen.
Der aus León stammende Schriftsteller Julio Llamazares setzte dem Volksheiligen 1981 mit seinem - im vorigen Jahr neu aufgelegten - Werk El Entierro de Genarín (Das Begräbnis des Genarín) ein literarisches Erbe. Der international anerkannte Autor überlieferte auch eine Reihe von Wundern, die dem heiligen Trunkenbold zugeschrieben werden. Danach soll es Genarín zu verdanken gewesen sein, dass eine Prostituierte ihr Gewerbe aufgab und der örtliche Fußballclub Cultural Leonesa nach einer Serie von Niederlagen ein Spiel gewann.
Kritiker beklagen jedoch, dass die Genarín-Prozession zu einem Massenbesäufnis ausgeartet sei. Das ist den Veranstaltern aus den Händen geglitten, meinte Manuel Angel Fernández, der Cheforganisator der katholischen Osterprozessionen in León, und fügte hinzu: Ansonsten haben wir kein Problem mit dem Genarín-Umzug.
Maxi Barthe, Leiter der Genarín-Bruderschaft, betonte dagegen, bei der Genarín-Prozession gehe es nicht darum, sich zu betrinken. Das ist ein romantischer Umzug, der seine Geschichte hat und bei dem auch Gedichte verlesen werden.