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Berufe im Jerichower Land Biederitz: Ein Leben für das Handwerk

Der Biederitzer Walter Telge blickt auf viele Jahrzehnte im Handwerk zurück. Nun hat der Schlossermeister von der Handwerkskammer Magdeburg eine Urkunde bekommen.

Von Raphael Irmer 27.07.2023, 18:10
Walter Telge (84) im Flur seines Biederitzer Wohnhauses. In der Hand hält er eingerahmt den „Goldenen Meisterbrief“. Diese Urkunde erhielt der Schlossermeister für sein 50-jähriges Jubiläum von der Handwerkskammer Magdeburg.
Walter Telge (84) im Flur seines Biederitzer Wohnhauses. In der Hand hält er eingerahmt den „Goldenen Meisterbrief“. Diese Urkunde erhielt der Schlossermeister für sein 50-jähriges Jubiläum von der Handwerkskammer Magdeburg. Foto: Raphael Irmer

Biederitz/Magdeburg - Walter Telge erinnert sich noch genau an die Zeit vor dem Hochwasser im Jahre 2013: „Den Deich hatte es damals noch nicht gegeben“, sagt er. Der 84-Jäh-rige steht im Wohnzimmer und schaut auf die begrünten Flächen, die weit hinter seinem Garten liegen.

Mit der Wende ist er mit seiner Familie aus Magdeburg nach Biederitz gezogen. Weil die Wohnungen zu teuer wurden. „Außerdem wollten wir mit unseren Kindern ins Grüne. Deshalb haben wir hier ein Grundstück gekauft“, sagt der 84-Jährige.

Für Biederitz wegen der Natur entschieden

Telge ist gelernter Schlossermeister. Für sein 50-jähriges Jubiläum hat er sogar von der Handwerkskammer Magdeburg jüngst den „Goldenen Meisterbrief“ erhalten. Als er bei der Handwerkskammer erschien, sei die Freude groß gewesen: „Ich habe erst niemanden erkannt und die mich auch nicht. Fünfzig Jahre verändern einen furchtbar. Aber später haben wir mitunter festgestellt, dass wir damals zusammen die Lehre gemacht hatten“, erinnert er sich.

Er blickt auf ein langes arbeitsreiches Leben zurück. Eigentlich wollte er Biologie studieren. Aber das ging nicht einfach so in der ehemaligen DDR, erzählt der heutige Schlossermeister, der in Magdeburg aufwuchs.

Lehre, Studium und Betriebsübernahme

So entschied er sich als Erstes zur Lehre als Stahlbauschlosser. Darauf folgte ein Studium zum Diplom-Ingenieur bis 1960. Und im Jahre 1972 machte er anschließend noch seinen Studienabschluss zum Schweißfachingenieur.

Biologe ist er nicht geworden aber die Begeisterung für den Stahlbau sei durch die Tätigkeit selbst gekommen, berichtet er. 1973 übernahm er in Magdeburg eine Firma für Bäckereimaschinen. Dafür hat er in der ehemaligen DDR sogar einen Gewerbeschein bekommen. Denn dort wurden, unter anderem in Kooperation mit Großbetrieben, Reparaturen gemacht und Ersatzteile gefertigt.

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Nach der Wende kamen Spülmaschinen hinzu. „Das hatte viel Spaß gemacht“, kommentiert Telge. Da seinen Magdeburger Handwerksbetrieb niemand übernehmen wollte, kam es im Jahre 2003 zur Betriebsaufgabe. Und es kam zu einer Kündigung seitens des neuen Eigentümers.

Sorge um die Zukunft des Handwerks

Seine Frau, die heute 83 Jahre alt ist, hat ihn stets von zu Hause aus bei den Bürotätigkeiten unterstützt. Die beiden sind bereits seit 62 Jahren verheiratet und haben drei Kinder. „Das war Liebe auf den ersten Blick“, betont er. „Außer durch Krankenhausaufenthalte waren wir in all den Jahrzehnten nie voneinander getrennt.“ So etwas, sagt Telge, gäbe es heute nicht mehr.

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Walter Telge sorgt sich um die Zukunft des Handwerks im Allgemeinen: „Diese Arbeit will heute keiner mehr machen. Die Leute wollen sich nicht dreckig machen“, beklagt er. Er weiß, wovon er redet. Denn er hat eine Lehre gemacht, studiert und jahrelang gearbeitet. Er kennt Theorie und Praxis. Das Handwerk müsse mehr gefördert wer-den. „Ausschließlich Studierte können wir nicht gebrauchen. Sonst haben wir bald keinen mehr, der überhaupt noch einen Zaun reparieren kann“, sagt er.

Er wisse sehr wohl, dass heutzutage viele berufliche Tätigkeiten digital vom Computer aus erledigt werden. „Aber ein Computer kann nicht schweißen“, erwidert der Schlossermeister.