Ost-Mobile im Jerichower Land Ein Framo in Lübs: Aus Nostalgie erwacht Leidenschaft - eine Liebeserklärung an eine verlorene Zeit.
Dreifaches Anlassen, Zweitakt-Geknatter und eine Liebesgeschichte zur DDR-Technik: Henning Schwabe restauriert seinen Framo V901/2 von 1959 – eine Zeitreise aus dem Alltag, in der Reparieren noch Teilen war.

Lübs. - Zweitaktgeruch, knatternder Motor, Holzpritsche: In Lübs hat Henning Schwabe einen 66 Jahre alten Kleintransporter Framo V901/2 mit viel Herzblut und Geduld restauriert. Ein Oldtimer, der Erinnerungen an den DDR-Alltag weckt.
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Drei-, viermal jault der Anlasser, dann erwacht der Motor mit dem knatternden Klang eines Zweitakters zum Leben. Sofort legt sich ein bläulicher Abgasfilm in die Luft, der einen unverwechselbaren Geruch verströmt. So, wie er in den Straßen der DDR allgegenwärtig war.
Henning Schwabe aus Lübs sitzt hinter dem Lenkrad und lächelt zufrieden. Ein wenig eng ist es im Framo, doch das stört ihn nicht. Er schlägt die Tür zu und dreht eine Runde auf dem großen Hof. Sein Lächeln geht nicht weg.
Henning Schwabe restauriert seinen DDR-Oldtimer Framo V901/2 seit 1991
Henning Schwabe sitzt am Steuer seines Framo V901/2, Baujahr 1959. Es ist ein Pritschenwagen mit offenem Aufbau. Der Kleintransporter sieht makellos aus – so, als sei er erst vor Kurzem aus dem Werk gerollt.
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Die Geschichte von Schwabes Framo beginnt 1991 kurz nach der Wende. Eine Malerfirma in Magdeburg gab ihren Betrieb auf, das Fahrzeug wurde nicht mehr gebraucht. Schwabe zögerte nicht lange.
DDR-Oldtimer Framo überzeugt Henning Schwabe mit wunderschöne Formen
„Ein Framo ist wunderschön, diese Formen. Einen zu besitzen und wieder flottzumachen, war schon ein kleiner Traum“, erinnert sich Henning Schwabe. Für den gelernten Landmaschinen- und Traktorenschlosser, der schon in DDR-Zeiten bei Praktika und in der LPG mit Framos gearbeitet hatte, war der Kauf mehr als Nostalgie, es war auch ein Stück Wiedersehen mit vertrauter Technik.
Der V901/2 war bei der Übernahme noch fahrbereit. Vorbesitzer waren unter anderem eine Lack- und Druckfabrik in Berlin, später Malerfirmen in Schönebeck und Magdeburg.
DDR-Technik im Jerichower Land: Framo systematisch restauriert
Nach der Übernahme stand der Framo zunächst eine Weile still. „Nach der Wende hatte man ja erst einmal andere Probleme“, sagt Schwabe. Doch dann begann er, sich systematisch vorzunehmen, was erneuert werden musste.
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Rahmen und Karosserie ließ er sandstrahlen, die Ladefläche erhielt neue Holzbretter, Fehlteile wurden über Kontakte und Märkte beschafft.
DDR- Kleintransporter Framo V901/2 ist Vorgänger des Barkas
In etwa vier Jahren entstand aus einem betagten Nutzfahrzeug ein makelloser Oldtimer – mit originalem Dreizylinder-Zweitaktmotor, 24 PS, etwa 70 km/h Höchstgeschwindigkeit. „Eile war bei so einem Fahrzeug nie ein Thema“, sagt Schwabe und lacht.
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Der Framo diente zu seiner Zeit in unterschiedlichen Varianten als Kleintransporter, Bus oder Krankenwagen. Gebaut wurde er in den „Frankenberger Motorenwerken“ in Sachsen, kurz „Framo“. Später ging die Produktion im Barkas-Werk auf. „Das hier ist also der Vorgänger vom Barkas“, erklärt Schwabe.
Ein Stüc automobilgeschichte: Fahrzeugleidenschaft und Nostalgie
Unter der Haube herrscht Übersichtlichkeit: Vergaser, Zündanlage, Keilriemen – alles ist erreichbar, alles reparierbar. „Früher konnte man noch selbst schrauben. Heute guckst du in den Motorraum und siehst nur einen großen Block.“
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Schwabes Leidenschaft beschränkt sich nicht auf den Framo. In seiner Werkstatt stapeln sich Ersatzteile, alte Motoren und Karosserien. Er hat Schwalben, einen Wartburg, sogar einen Kübelwagen der NVA vor der Schrottpresse gerettet.
Nostalgie wird Leidenschaft - Ein Zeichen für die Gemeinschaft
„Nach der Wende wurde vieles einfach weggeschmissen. Das hat mir wehgetan. Ich wollte diese Fahrzeuge erhalten“, sagt der Schrauber aus Leidenschaft. Manchmal bedeutete das auch, ganze Motoren oder Getriebe auf Vorrat aufzubauen, um im Notfall schnell helfen zu können.

Ehefrau Petra kennt das schon lange. „Hier kamen die Leute aus Lübs und Umgebung: Henning, hast du einen Motor? Hast du ein Getriebe? Und er hat es gemacht“, erzählt sie.
Motortausch an Heiligabend: Scheabes Leidenschaft kennt keine Grenzen
Sie weiß, dass ihr Mann dabei aufgehen kann und erinnert sich an einen Heiligabend, als Henning für einen Bekannten noch schnell einen Motor gewechselt hat. „Das fand ich nicht so prickelnd, aber er war rechtzeitig zur Bescherung fertig“, sagt sie und lacht.
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Heute steht der Framo trocken und geschützt in einer Halle. Die letzte Ausfahrt liegt schon eine Weile zurück. Früher war er bei Dorffesten unterwegs, manchmal mit Stühlen auf der Ladefläche und lachenden Passagieren.
Liebhaberfahrzeuge Ostdeutschland: Kein Museumsstück sondern bewahrte Geschichte
Für Henning Schwabe ist der Framo kein Museumsstück, sondern ein Stück bewahrter Geschichte einer Zeit, in der Reparaturen mit ein paar Werkzeugen möglich waren und in der der Geruch von Zweitaktmotoren zum Alltag gehörte.