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Kita Der steile Weg zur Inklusion

Treppauf, treppab geht es für die Erzieher der Integrativen Kita in Schermen. Sie müssen ein Rolli-Kind die vielen Stufen nach oben tragen.

Von Madlen Bestehorn 17.11.2018, 07:00

Schermen l Erzieher Alexander Stamm braucht ordentlich Kraft in den Arm: Jeden Tag trägt er Karl, der im Rollstuhl sitzt, die vielen Treppenstufen nach oben. Ohne seine Hilfe könnte der Fünfjährige nicht am Vorschulprogramm der Abc-Schützen teilnehmen – dabei will er im nächsten Jahr unbedingt eingeschult werden. Für Stamm und seine Kolleginnen ist diese Aufgabe zwar Ehrensache, aber auch eine erhebliche Mehrbelastung.

Das räumt auch Cornelia Bruchmüller, Bereichsleiterin des Europäischen Bildungswerkes (EBG), welches Träger der Einrichtung ist, ein. Sie sagt: „Natürlich ist es eine Mehrbelastung für die Kollegen. Aber wenn die Erzieher sagen: Dieses Kind wird nicht hinten angestellt, dann bin ich stolz darauf.“ Laut Silvia Müller, örtliche Teilhabemanagerin des Landkreises, sei der gleiche Zugang für alle Kinder eine Grundvoraussetzung für eine integrative Kita. Auf diesen Missstand hatte die Redaktion zuvor ein anonymer Leserbrief aufmerksam gemacht. In diesem stand sinngemäß, die Gemeinde Möser sträube sich seit Jahren, einen Fahrstuhl einzubauen – was letztlich auf Kosten der Gesundheit der Mitarbeiter ginge.

Der Bau eines Fahrstuhls werde circa 50 bis 60.000 Euro kosten, erläuterte Bernd Köppen, Bürgermeister der Gemeinde Möser, auf Nachfrage der Volksstimme. „Mitte des nächsten Jahres ist mit der Realisierung zu rechnen.“ Das Gebäude der Kita befindet sich im Besitz der Gemeinde, die den Bau des Fahrstuhls entsprechend finanzieren muss. Vor zehn Jahren wurde das Gebäude gebaut und als integrative Einrichtung definiert. „Vor zwei Jahren gab es gesetzliche Änderungen. Ich finde, wenn so etwas beschlossen wird, müsste auch das Geld (für den Umbau) zur Verfügung gestellt werden“, äußerte Köppen. Der finanzielle Topf sei schon klein, nun müsse weiter daraus abgeschöpft werden.

Beim Vor-Ort-Termin in Schermen fragte Müller nach einer alternativen Lösung für das Problem: „Könnte der Raum der Abc-Schützen in‘s Erdgeschoss verlagert werden?“ Dies verneinte Bruchmüller. „Wir haben über 30 Kinder, die nächstes Jahr in die Schule kommen, jedem Kind stehen 2,5 Quadratmeter Platz zu“, erklärt sie. Da die Räume im Erdgeschoss deutlich kleiner seien und nicht genug Platz bieten, müsse die Raumaufteilung so belassen werden. Einen günstigeren Treppenlift lehnten sowohl der Träger als auch die Gemeinde ab. „So ein Treppenlift braucht einfach zu lange“, sagte Bruchmüller. Auch Bernd Köppen argumentierte: „Der Treppenlift würde die Treppe komplett blockieren – das kann man bei dem hohen Aufkommen an Kindern und Erzieherin nicht verantworten.“

In Trägerschaft des Europäischen Bildungswerkes befinden sich zwei weitere Kindertagesstätten: die Gerwischer Europa Kita sowie die Kita „Regenbogen“ in Körbelitz.

Im gesamten Jerichower Land gibt es nur 14 Einrichtungen, deren pädagogische Konzeption den Schwerpunkt auf die integrative Betreuung von Kindern mit Behinderung lege, teilte das Jugendamt auf Nachfrage mit. Dazu gehören zwei Einrichtungen in Burg, vier in Genthin, eine in Parey, zwei in Möckern, drei in Gommern sowie zwei in Möser.

290 Kinder besuchen die drei EBG-Einrichtungen, nur vier Integrationsplätze stehen derzeit in Schermen zur Verfügung. Ulrike Schulze, Leiterin der Kita in Schermen, erklärte, dass sich die Personalsituation soweit stabilisiert habe, dass im November sechs weitere Kinder aufgenommen werden können. Gesucht wird derzeit eine weitere Erzieherin, die das Schermener Team unterstützen soll – bis 2019 endlich der Fahrstuhl gebaut wird.