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Schreibzirkel Häftlinge lesen im Kloster vor

Der Zeppernicker Autor Ludwig Schumann veröfffentlicht wieder Ergebnisse aus dem Schreibprojekt mit der Burger JVA.

Von Christina Bendigs 10.08.2017, 09:00

Magdeburg/Zeppernick l Zweimal pro Monat geht der Schriftsteller Ludwig Schumann aus Zeppernick (Jerichower Land) ins Gefängnis. Nicht, weil er dort eine Strafe absitzen müsste, sondern weil er gemeinsam mit Häftlingen der Justizvollzugsanstalt Burg schreibt. Der 65-jährige Autor leitet die „TalentLos!Schreibwerkstatt“ seit fünf Jahren. Inzwischen ist das dritte Buch erschienen. Es trägt den Namen „Der heilige Stolperer“ und wird am 16.  August ab 19 Uhr im Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen vorgestellt.

Die Idee zur Schreibwerkstatt hatte die Seelsorgerin Jana Büttner. Sie hatte gesehen, dass es Häftlinge gibt, die schreiben. Als Ludwig Schumann gefragt wurde, ob er sich vorstellen könnte, ihnen eine professionelle Anleitung zu geben, war seine Neugier geweckt. Und es habe auch ein Vierteljahr gedauert, ehe das notwendige Vertrauen da war, das beim Schreiben vorhanden sein muss. „Denn man lässt ja auch ein Stück von sich selbst gucken“, sagt Schumann. Heute sei die Arbeit wie in jedem anderen Zirkel auch. Und manchmal ist es sogar mehr als das, wenn sich über die Dinge des Alltags ausgetauscht wird.

In den Texten der Häftlinge ging es um das Leben hinter Gittern bislang nicht, „aber die Einzelsituation, das Ich-als-Täter, darüber wird schon nachgedacht“, sagt der ehemalige Pfarrer. Im ersten Buch wurde gar „frei fabuliert“ – Weihnachtsgeschichten standen damals im Vordergrund. Inzwischen schreiben sie kurze Sequenzen auch aus dem eigenen Erfahrungsschatz heraus.

Weil sie zeigen wollen: Das habe ich auch gemacht.

So berichtet einer der Häftlinge zum Beispiel über einen Einsatz im Kunduz, ein weiterer schreibt eine kurze, aber harte Sequenz über einen Afghanistaneinsatz, wieder andere schreiben über Flüchtlingsbegegnungen, aber auch Gedichte, sogar Liebesgedichte, sind entstanden. Ludwig Schumann: „Sie spiegeln also wirklich auch unsere Zeit wider, und es ist erstaunlich, in welcher Breite.“ Es ist aber auch eine Bewältigung der Situation.

Gestaunt hat Schumann auch über den Mut der Häftlinge, die allesamt unter ihren Klarnamen veröffentlichen, obwohl es ihnen freigestellt war, sich ein Pseudonym zu überlegen. „Weil sie zeigen wollen: Das habe ich auch gemacht“, begründet Schumann. Und mancher werde auch nach der Entlassung weiterschreiben. Nationales Interesse haben die Häftlinge jedenfalls schon geweckt. Eine Geschichte wird in einem Schulbuch veröffentlicht werden. Für das neue Buch hat Konstantin Wecker das Nachwort geschrieben. Auf dessen Seite www.hinterdenschlagzeilen.de wurde bereits eine Geschichte veröffentlicht.

Die Lesung am 16. August ab 19 Uhr im Kloster hat nicht nur den Hintergrund, die Geschichten vorzustellen. Die Häftlinge werden auch durch die Ausstellung „Seht, da ist der Mensch“ geführt und können sich ein Werk aussuchen, über das sie dann schreiben werden. Im Ergebnis soll im Herbst zusätzlich zu den bisherigen drei Büchern und zwei Poesieheften ein weiteres Poesiealbum herausgegeben werden.

Aufzuhören, daran hat Ludwig Schumann zwar schon mal gedacht. „Aber es macht mir einfach viel zu viel Spaß“, sagt er, warum er es nicht tut. Er freut sich, dass die Biederitzer Kantorei den Abend musikalisch umrahmen wird.