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Biorotte 50 Milliarden neue Mitarbeiter

Biomüll ist wertvoll: Seit kurzem läuft wieder die mechanisch-biologische Anlage der Gardeleger Deponie - mit ganz besonderem "Personal".

Von Gesine Biermann 19.07.2018, 03:00

Gardelegen l „Wie sie sehen, riechen Sie nix“, sagt Deponiechef Steffen Romatschke zufrieden. Stimmt. Obwohl gleich neben ihm unter freiem Himmel zwei riesige, oben offene Becken stehen, in die permanent die schlechte Luft aus der Intensivkompostierung eingeleitet wird, riecht es dort nur nach gemähtem Gras und frischer Luft. Und ein bisschen nach Holzspänen. Denn damit sind die beiden Rundbecken bis an den Rand gefüllt.

Eben in diesem Gemisch aus zerhäckselten Ästen und Rinde fühlen sich jene Mikroorganismen wohl, die in der neuen Filteranlage dafür sorgen, dass die Luft so rein ist. Seit einigen Wochen machen sie ihren neuen Job. „Seither haben wir auf den Schlag rund 50 Milliarden Mitarbeiter mehr“, sagt Romatschke augenzwinkernd. Und die sind ziemlich fleißig – rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, sogar ganz ohne Lohn und tariflich garantierten Urlaubsanspruch. „Allerdings sind es nur Leiharbeiter“, schmunzelt der Chef. Denn etwa einmal im Jahr muss die Füllung der Becken komplett ausgetauscht werden. „Ein bisschen bespaßt werden“, müssen sie laut Romatschke auch dann und wann. „Sie brauchen zum Beispiel immer mal ein bisschen Wasser.“

Und während das neue „Personal“ fleißig für gute Luft sorgt, verwandelt sich das Ausgangsprodukt, der Biomüll aus den braunen Tonnen – die seit gut einem Jahr von der Deponie GmbH regelmäßig abgeholt werden – wenige Meter davor in der Tunnelrotte langsam aber sicher in wertvollen Kompost. Ein begehrter Rohstoff – für Hobbygärtner ebenso wie für professionelle Landwirte. Der ist in Gardelegen nämlich von besonders hoher Qualität und sogar RAL-zertifiziert, betont Steffen Romatschke.

Küchenabfälle und Rasenschnitt aus den bisher rund 5000 ausgegebenen Biotonnen im Altmarkkreis generieren also sogar wieder Einnahmen. Denn der wertvolle Kompost wird natürlich verkauft. Und das ist nicht nur clever, sondern vor allem eine sehr innovative Form der Abfallentsorgung, die es noch nicht so häufig gibt.

Viele andere Landkreise verbrennen nämlich ihren Biomüll, der laut EU-Verordnung und Bioabfallverordnung des Landes seit 2015 getrennt eingesammelt werden muss, erinnert Umweltamtsleiterin Katrin Pfannenschmidt vom Altmarkkreis. „Das Gesetz verpflichtet uns somit, den Biomüll zu verwerten.“ Und weil es auf der Gardeleger Deponie bereits eine mechanisch-biologische-Anlage gibt, wurde diese praktischerweise aufgerüstet und modernisiert. Der Bioabfall wird hier mechanisch gesäubert, in die beheizte Rotte geschoben und die entweichenden Gase mit Schwefelsäure gereinigt. Bedeutendste Änderung: Die Abluft wird nicht mehr verbrannt, wie zuvor, sondern mittels Zersetzung durch die Mikroorganismen biologisch gefiltert. Während des gesamten Ablaufes wird der Prozess von Sensoren überwacht. „Der Computer zeigt sogar den Rottegrad an“, erklärt Steffen Romatschke. Wenn der Biomüll wieder aus der Tunnelrotte herausgefahren wird, wird er in der Nachrotte, einer überdachten Freifläche, schließlich nur noch nachgerottet und ist schon einige Zeit später fertiger Kompost. Ein perfekter Kreislauf also.

Allerdings: So ganz ohne menschliches Zutun läuft es trotz der fleißigen neuen Crew aus Milliarden Filtermitarbeitern nicht: Darauf, dass alle reibungslos funktioniert, müssen natürlich weiterhin die echten Kollegen in der Deponie GmbH achten.