1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Genthin
  6. >
  7. Unergründliche Rätsel der Natur

Gottesdienst Unergründliche Rätsel der Natur

In einer dreiteiligen Gottesdienstreihe, beschäftigt sich die Genthiner Trinitatisgemeinde mit Werken des Malers Caspar David Friedrich.

Von Mike Fleske 09.02.2021, 05:00

Genthin l Ist es Abend oder Morgen? Stürmt es? Und wer ist überhaupt dieser Mönch, der da so gebannt aufs Wasser schaut? Man kann es nicht sagen, je mehr man sich mit dem Gemälde „Der Mönch am Meer“, beschäftigt, desto mehr Geheimnisse scheinen sich aufzutun. Geschaffen hat es Caspar David Friedrich (1774 - 1840), einer der bedeutensten Maler der Zeit der Romantik.

Jetzt stand das berühmte Werk am Anfang einer dreiteiligen Gottesdienstreihe mit Bildern des Künstlers in der evangelischen Trinitatisgemeinde. Denn Glaube und Kunst, besonders die von Caspar David Friedrich, passen zusammen. „Er malt die Welt und er lenkt zugleich unseren Blick darüber hinaus auf das Geheimnis, dass hinter allem steht“, sagte Pfarrerin Beate Eisert im Gottesdienst.

„Seine Wälder, Gebirge und Meere sind Landschaften und zugleich auch Seelenlandschaften.“ Genau diesen Anspruch hat Friedrich selbst an sich und an andere Künstler so formuliert: „Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht.“ Caspar David Friedrich hat immer etwas gesehen – in sich, vor sich und darüber hinaus.

Am „Mönch am Meer“ malte er gut drei Jahre, brach mit dem Werk mit den üblichen Sehgewohnheiten. Eine kleine Menschenfigur, der Mönch vor den Naturgewalten. Meer, Strand und Himmel sind räumlich ohne sichtbar getrennte Übergänge gestaltet, so dass eine Vielzahl von Deutungen möglich wird.“ Es ist verstörend reduziert, radikal leergefegt von allen Dingen, die sonst noch zu einer Meereslandschaft dazugehören, befand Beate Eisert im Gottesdienst.

Wenn man sich vor Augen führen möchte, welche Wirkung das Bild bei seiner erstmaligen Präsentation im Herbst des Jahres 1810 auf der Berliner Akademieausstellung gehabt hat, muss man nur die Reaktionen berühmter Zeitgenossen Friedrichs zugrunde legen.

Die Dichter Clemens Brentano, Achim von Arnim und Heinrich von Kleist waren wie benommen von dieser grenzenlosen Weite des Bildes. Von Kleist hatte seine Kollegen um eine Renzension zu dem Gemälde gebeten und diese mit eigenen Worten ergänzt, was den beiden anderen nicht gefiel. Dennoch ist überliefert, dass beide die Verlorenheit und Sehnsucht, die aus dem Bild sprechen, in Worte fassten. Brentano lobte das Werk und gestand, dass seine „Empfindungen, über dies wunderbare Gemälde“, verworren seien. So schwankte der Dichter zwischen Begeisterung und Bedächtigkeit.

Am kraftvollsten drückte sich wohl Heinrich von Kleist aus: „So ist es, wenn man es betrachtet, als ob einem die Augenlider weggeschnitten wären.“ Und heute: Gilt das Werk immer noch als eines der Bedeutensten in Friedrichs Werk und es bewegt nicht minder. Der endlose Strand, das bewegte Meer, der dunkle Grundton. „Für die einen ist es unbehaglich, die anderen genießen die unendliche Weite, Ruhe und Einsamkeit“, befand Pfarrerin Eisert im Gottesdienst. Sie selbst habe ähnlich wie Dichter Brentano beim Betrachten mal ein angenehmes, mal ein bedrohliches Gefühl. „Je nachdem wie es mir ging.“ Für sie prägt der weite Himmel das Bild viel stärker, als das schwarze Meer darunter. Möglicherweise kommt die Pfarrerin damit der religiösen Bedeutung des Werkes Friedrichs sehr nahe.

Der Malprozess sei für den Künstler eine Art Gottesdienst gewesen. Habe er einen Himmel gemalt, durfte ihn niemand stören. „Das ist für ihn Andacht“, hat Friederichs Ehefrau Caroline einmal gesagt. Hinter allen Naturgewalten steht unausgesprochen Gott, unergründlich, wie auch das Bild des Mönchen vor dem Meer. Dass man das Werk letztlich nicht fassen kann, ist möglicherweise eine Absicht des Malers, der es so zusammenfasste: „Törichter Mensch. Auch wenn du überheblich vom Morgen bis zur sinkenden Mitternacht versuchen würdest, das unerforschte Jenseits zu ergründen, du würdest der Zukunft Dunkelheit nicht enträtseln.“

Die Reihe wird am 21. Februar, 10 Uhr, Trinitatiskirche, mit dem Bild „Frau in der Morgensonne“ fortgesetzt.