1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Serie „Otto ist Einheit“ über 35 Jahre Wiedervereinigung: Stolz, dass ich hier lebe: Schulleiterin aus dem Westen mit Liebeserklärung an Magdeburg

Serie „Otto ist Einheit“ über 35 Jahre Wiedervereinigung Stolz, dass ich hier lebe: Schulleiterin aus dem Westen mit Liebeserklärung an Magdeburg

Anja Leiß leitet mit Herzblut die Evangelische Grundschule in Magdeburg. Im Westen aufgewachsen, ist sie längst eine Magdeburger durch und durch. Das ist ihre Geschichte.

Von rs 02.07.2025, 19:00
Anja Leiß, Leiterin der Evangelische Grundschule Magdeburg.
Anja Leiß, Leiterin der Evangelische Grundschule Magdeburg. Foto: Pro M Magdeburg

Magdeburg - In einer Serie erzählen Menschen aus Magdeburg mit Ost- oder West-Hintergrund ihre Geschichte über Wiedervereinigung und Deutsche Einheit seit 35 Jahren. Hier Anja Leiß, Leiterin der Evangelischen Grundschule Magdeburg.

Ost oder West? Wer möchte das schon noch unterscheiden? Für Anja Leiß ist das eine rhetorische Frage. Die Antwort steckt bei ihr im Leben und in der Familie. Die heutige Schulleiterin der Evangelischen Grundschule Magdeburg erblickt in Niedersachsen das Licht der Welt, wächst in Kassel auf. Ein Teil der Familie lebt damals auf der anderen deutschen Seite in Thüringen. Dazwischen die Grenze.

Noch heute erinnert sich Anja Leiß daran, wie aufregend es war, zu Besuchen in die DDR zu fahren. Als Kind hat sie ein „sehr mulmiges Gefühl bei der Grenzkontrolle“. Das Mädchen findet eigene Wege, um die unzugängliche Mauer zu überwinden: Eine Postkarte von ihr segelt mit einem Luftballon aus Kassel bis nach Großfahner in Thüringen, wird dort von dem fast gleichaltrigen Dennis gefunden.

Briefe von Ost nach West und umgekehrt

Viele Jahre gehen Briefe von Ost nach West und umgekehrt. Die Familien verbinden freundschaftliche Bande. Im November 1989 „gibt es kein Halten mehr“. „Wir haben alle gemeinsam auf den Straßen gefeiert“, erinnert sich Anja Leiß.

Als Deutschland wieder vereint wird, studiert sie als junge Mama in Kassel Grundschullehramt. Später arbeitet sie als Lehrerin an einer Reformschule. Als ihr Mann 1999 eine Stelle in Magdeburg angeboten bekommt, schaut sie sich die ihr unbekannte Stadt erst einmal an. Heute erinnert sie sich vor allem daran, wie freundlich sie empfangen wurde: „Die Menschen waren unglaublich nett, und die ganze Stadt pulsierte vor Aufbruchstimmung.“

Bundesgartenschau - Magdeburg pulsiert

Magdeburg richtet da gerade die Bundesgartenschau aus. Der Elbauenpark, das Theater, die Elbe – und der spontan angebotene leckere Apfelkuchen beim Gespräch – all das gefällt der jungen Frau, die sich einst als Kind geschworen hat, eine nette Schulleiterin zu werden. Zufälle führen sie zunächst an die Freie Montessori Schule – da war sie bereits mit „Leib und Seele Magdeburgerin“. Anja Leiß sagt: „Wir waren von Anfang an sehr glücklich hier.“

Ein Sohn Wessi, ein Sohn Ossi

Ihr zweiter Sohn wird in der Elbestadt geboren. Sie lacht, wenn sie feststellt, dass nun ein Sohn Wessi und einer Ossi ist. Ein großer Teil der Familie hat sich „gut durchmischt“, meint Anja Leiß. So sind ihre Eltern aus Kassel inzwischen nach Rügen gezogen.

Lesen Sie auch:So erlebte der FCM-Präsident die Wende

Ihr eigener Lebensmittelpunkt ist und bleibt Magdeburg. Hier hat sie ihre Berufung gefunden. Dabei tut sie sich damals anfangs ein wenig schwer damit, die Leitung der Evangelischen Grundschule zu übernehmen. Kein Wunder. Ihr Sohn ist 2004 noch klein – und die Herausforderung richtig groß: Die erste Schule ihrer Art wurde 2002 von Eltern gegründet, die Kindern den evangelischen Glauben näherbringen wollen. Es gibt keine Schablone.

Schulleiterin war schon immer ihr Traum

Das Schulgebäude in Stadtfeld ist noch nicht ausgebaut. Doch Anja Leiß wagt es, weil sie es mag, Neues auszuprobieren und weil Schulleiterin zu sein, immer schon ihr Traum war. Die Einrichtung in Trägerschaft eines Elternvereins wird unter ihrer Leitung staatlich anerkannt, das Gebäude über die Jahre saniert. Sie sind mit der Grundschule oft einen Schritt voraus, sind unter anderem schnell digitalisiert. Das außerschulische Leben ist geprägt von unzähligen Aktionen, Ambitionen und Veranstaltungen wie dem Sponsorenlauf, dem Chor oder der Nacht der Wissenschaft.

Lesen Sie auch:So blickt Magdeburgs OB Simone Borris auf 35 Jahre Deutsche Einheit

Anja Leiß ist immer mittendrin, und wenn man fragt, woher sie die Kraft für das Engagement nimmt, sagt sie: „Ich habe eine wundervolle Familie, ein tolles Team und werde morgens schon von Kindern fröhlich angestrahlt. Unsere Schule ist immer in Bewegung.“

Netzerke und Hilfe bis nach Tansania

Und sie selbst hält auch nicht viel von Stillstand. „Die Netzwerke, die ich hier in Magdeburg aufbauen konnte, sind unglaublich“, meint Anja Leiß. Sie gehen längst weit über die Stadtgrenzen hinaus. So ist die Schule eng verknüpft mit Tansania, hat mit dem langjährigen Projekt „Education is the key of life“ ein Bildungszentrum im ostafrikanischen Land aufgebaut.

Lesen Sie auch:Hier erzählen Magdeburger ihre Geschichte über 35 Jahre Deutsche Einheit

Ringsherum gibt es immer wieder neue Projekte, Ideen und Wettbewerbe in der Evangelischen Grundschule. „Wir legen einfach Wert darauf, dass sich die Kinder früh mit einbringen, dass sie sich auch die Stadtgesellschaft integrieren, niemand ist zu jung dafür“, sagt die Schulleiterin. Sie wird scheinbar nie müde, Menschen zu zeigen, wie „wundervoll sich Magdeburg entwickelt hat“. „Es ist beachtlich, was sich hier seit der Wende getan hat“, meint sie. Und: „Ich bin wirklich stolz darauf, dass ich hier lebe.“