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Schiffsbau in Genthin Mit Video: Schornstein der „Kaiser Friedrich“ stillgelegt und das ist gut so für Berlin

137 Jahre dampfte die „Kaiser Friedrich“ durch Berliner Gewässer. Nun hat sich's ausgedampft. In der Genthiner Werft bekommt die Schiffslady einen modernen Antrieb. Mehr dazu auch im Video.

Von Susanne Christmann und Mike Fleske Aktualisiert: 25.10.2023, 13:36
Letzter Gruß an die Werftleute: die Betreiber der  "Kaiser Friedrich" schippern nun elektrisch auf dem Elbe-Havel-Kanal wieder gen  Berlin.
Letzter Gruß an die Werftleute: die Betreiber der "Kaiser Friedrich" schippern nun elektrisch auf dem Elbe-Havel-Kanal wieder gen Berlin. Foto: Susanne Christmann

Genthin. - Käpt'n Ingo Rossignol ist ausnahmsweise aufgeregt. Der 71-jährige Binnenskipper darf eine Premierenfahrt steuern. Im Morgengrauen geht es mit der 137 Jahre alten „Kaiser Friedrich“ von Genthin aus wieder zurück gen Berlin.

„Das ist spannend, dass ich den einstigen Dampfer nun bei seiner elektrischen Jungfernfahrt nach Hause steuern darf“, ruft er der Volksstimme beim Ablegen noch zu, ehe er rückwärts aus dem Liegeplatz an der Genthiner Kaimauer setzt. Ziemlich flott nun mit dem modernen Elektroantrieb. Auf den haben die Genthiner Schiffsbauspezialisten der SET Schiffsbau- und Entwicklungsgesellschaft Tangermünde das Schiff seit April dieses Jahres umgerüstet. Ein „Torqeedo Deep Blue Hochleistungs-Antriebssystem“ mit Lithium-Ionen Hochvoltbatterien mit einer Gesamtleistung von 400 Kilowattstunden besorgt nun den Antrieb.

Im Video: Werft Genthin baut modernen Elektroantrieb in ehemaliges Berliner Dampfschiff "Kaiser Friedrich"

 
Video: In der Genthiner Werft hat das ehemalige Dampfschiff „Kaiser Friedrich einen modernen Antrieb bekommen (Kamera: Susanne Christmann, Schnitt Bernd Stiasny)

Eine solche Umrüstung ist unter Schiffsliebhabern nicht unumstritten, wissen Volker Marhold und Julius Dahmen. Sie betreiben gemeinsam die Reederei „Berliner Welle“. Seit 2022 sind sie Eigentümer des historischen Dampfschiffes. Sie würden einerseits große Unterstützung für dieses Umrüstungsprojekt erfahren, aber eben auch Kritik.

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„Kaiser Friedrich“ umgebaut nun viel ökologischer unterwegs

Einige fänden, dass es eine Sünde sei, ein historisches Dampfschiff mit einem Elektromotor auszustatten. Für Marhold und Dahmen aber würde es aus Umwelt- und wirtschaftlichen Gründen heutzutage kaum mehr möglich, ein solches Schiff weiter dauerhaft zu betreiben. In Genthin umgerüstet aber kann die „Kaiser Friedrich“ nun wieder längerfristig in den Berliner Innenstadtgewässern unterwegs sein - mit Beginn der neuen Ausflugssaison 2024.

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Die „ Kaiser Friedrich “ wurde 1886 als Doppelschraubendampfer für die „Spree-Havel-Dampfschifffahrt-Gesellschaft-Stern“ in den Oderwerken bei Stettin gebaut. Mit ihren 30 Metern Länge und etwa hundert Tonnen Gewicht war sie danach fast 80 Jahre lang als Fahrgastschiff auf Berliner Gewässern unterwegs. Im Jahr 1967 wurde das Schiff stillgelegt und später als Wohn- und Büroschiff genutzt. In diesem Zustand erwarb das damalige Museum für Verkehr und Technik, heute Deutsches Technikmuseum, 1986 den ehemaligen Personendampfer. Das Museum ließ den Dampfer so umbauen, dass sein ursprüngliches Erscheinungsbild wieder deutlich sichtbar wurde, und brachte ihn wieder in Fahrt.

Die "Kaiser Friedrich" nach der Umrüstung beim Hinablassen ins Wasser.
Die "Kaiser Friedrich" nach der Umrüstung beim Hinablassen ins Wasser.
Foto: Fabian Karbe

Dazu wurden unter anderem zwei historische Dampfmaschinen eingebaut. Zwischen 1997 und 2009 war die „ Kaiser Friedrich “ mit dem Schriftzug „Deutsches Technikmuseum“ in Berlin unterwegs und fuhr vor allem historische Stadtrundfahrten ab dem Nikolaiviertel. Doch der Fahrbetrieb des Schiffes wurde aufgrund des erhöhten Personalaufwandes und der großen Menge Diesel zur Befeuerung der Dampfmaschine immer unwirtschaftlicher und war bald auch ökologisch nicht mehr tragbar.

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2022 wurde das Schiff von Volker Marhold und Julius Dahmen gekauft. Dass die „ Kaiser Friedrich “ in Genthin umgebaut wurde, liegt im Übrigen an dem guten Ruf, den die hiesigen Werftspezialisten auch in Berlin haben. Momentan ist der Ankerplatz für zu reparierende und umzubauende Binnenschiffe aller Art und Größe in Genthin bis auf den letzten Zentimeter ausgebucht.

Den Schornstein der „Kaiser Friedrich“ haben die Werftleute nicht abgebaut. Er ist zwar nun nur noch Attrappe, aber er gehöre zu dem einstigen Dampfer einfach dazu, sei Teil seines Charakters.