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Jubiläum 30 Jahre Wiederaufbau: Welfenschloss ist zurück im Bewusstsein der Osterwiecker

Der Förderverein Schloss Hessen hat sein 30-jähriges Bestehen gefeiert und dabei auf Etappen des Wiederaufbaus zurückgeblickt.

Von Mario Heinicke 16.09.2025, 10:00
Schloss Hessen, wie es sich heute von der Bundesstraße 79 aus den Besuchern zeigt.
Schloss Hessen, wie es sich heute von der Bundesstraße 79 aus den Besuchern zeigt. Foto: Mario Heinicke

Hessen. - In der Kulturscheune trafen sich Vereinsmitglieder, Wegbegleiter und Sponsoren, um Rückblick auf 30 ereignisreiche, aber auch anstrengende Jahre zu halten. Drei Jahrzehnte, in denen die herausragende geschichtliche Bedeutung dieses früheren Welfenschlosses heutigen Generationen zurück ins Bewusstsein gebracht wurde. Denn in der DDR verkam das Bauwerk zur Ruine.

Der Hessener Grenzlage wegen wurde 1961 im Schloss eine Landwirtschaftsschule aufgegeben, das Wohngebäude (Oberburg) der hier im 16. und 17. Jahrhundert residierenden Herzöge von Braunschweig nur noch für Lagerzwecke genutzt, Dächer fielen ein. Hier hatte 1564 Herzog Heinrich Julius, der spätere Bischof von Halberstadt, das Licht der Welt erblickt.

„Die Gemeinde hatte tausend Probleme“, erinnert Vereinsvorsitzender Klaus Bogoslaw an die Zeit Anfang der 1990er Jahre. „Erst das 1001. Problem war das Schloss.“ Es habe sogar Stimmen gegeben, das Bauwerk abzureißen. Ein Förderverein war die Lösung.

Die 2022 fertig stellte Kulturscheune ist das jüngste Werk des heute 58-köpfigen Vereins. In der Coronazeit aus der alten, dachlosen Steinscheune gebaut. Innen waren schon Bäume gewachsen. Ein Zustand, den nach der Wende auch die Gebäudeteile der Oberburg hatten. „Das Schloss war eine gefährliche Ruine“, so Klaus Bogoslaw, der seit der Gründung an der Spitze des Vereins steht.

29 Männer und Frauen mit Heimatliebe und Geschichtsbewusstsein gründeten den Förderverein Schloss Hessen am 25. April 1995. Öffentlichkeitswirksam wurde er erstmals beim Tag des offenen Denkmals wenige Monate später. Dieser stand indes unter keinem guten Stern. Bogoslaw erinnert sich an den kleinen Stand unterm Torbogen, an viel Regen und wenige Besucher – gerade mal acht. „Wir haben uns aber nicht unterkriegen lassen.“

Es waren viele große und kleine Bau-Etappen, die der Verein bis zum heutigen Ergebnis bewältigt hat. Zunächst mit den Prioritäten, die Dächer von Südflügel und Treppenturm dicht zu bekommen. Es folgten der Schlossturm, die riesige Südfassade. Aber auch unvorhergesehene Dinge wie die gewaltige Stützmauer zur Bundesstraße, nachdem diese ausgebaut worden war.

Die Kulturscheune mit ihren 2,4 Millionen Euro war der bisher teuerste Bauabschnitt. Doch es war noch nicht der letzte. Für 1,8 Millionen Euro steht bald die Sanierung des Ostflügels an. Ebenso wie die Kulturscheune mit Hilfe von europäischen Leader-Mitteln finanziert.

„Wenn man 80 oder 90 Prozent Fördermittel bekommt, das hört sich immer gut an“, sagt Bogoslaw. „Doch dieses Geld muss man sich mit Geld kaufen.“ Bei Riesensummen sind auch die Eigenmittel riesig. Für den bevorstehenden Bauabschnitt benötigt der Verein 360.000 Euro. Stiftungen, bei diesem Vorhaben auch die Stadt Osterwieck als Eigentümerin der Anlage, greifen kräftig unter die Arme.

Die vielen Veranstaltungen und Ausstellungen, die der Förderverein seit Jahren auf die Beine stellt, dienen auch dem Zweck, Eigenmittel zusammenzutragen. Zum jährlichen Höhepunkt hat sich dabei die Schloss- und Gartennacht entwickelt. Die bisher 13 Feste sahen nach Schätzung von Klaus Bogoslaw insgesamt rund 20.000 Besucher.

Mit der Schloss- und Gartennacht wird an den einstigen fürstlichen Lustgarten erinnert. Ein Renaissancegarten, den es heute auch anderswo in Deutschland nicht mehr gibt. In Hessen ist er aber dank eines 3D-Filmprojektes virtuell erlebbar geworden und wird regelmäßig in der Kulturscheune vorgeführt.

Hofgärtner Johann Royer hegte und pflegte jene Gartenanlage von 1607 bis 1649. Mit ihm erlebte der Park seine Blütezeit. 1.700 Pflanzenarten züchtete er hier und experimentierte mit ihnen, darunter eine der ersten Kartoffeln Deutschlands.

Der Förderverein ist heute vielseitig aktiv. Bis zur Baumpflege im Park sowie der Archiv- und Chronistenarbeit. „Das Archiv ist das Gedächtnis unseres Heimatortes“, betont Klaus Bogoslaw. Mit der Kulturscheune ist das Schloss noch mehr als früher der kultureller Mittelpunkt des Dorfes. So finden hier nun die Hessener Karnevalsveranstaltungen statt.

Für seine Arbeit ist der Förderverein Schloss Hessen mehrfach ausgezeichnet worden. So vom Land Sachsen-Anhalt mit dem Denkmalpreis (2011) und dem Demografiepreis (2022), vom Regionalverband Harz mit dem Kulturpreis (2011).

Nach 30 Jahren Förderverein kommt Klaus Bogoslaw zu dem Fazit: „Wir haben dem Denkmal die Würde wiedergegeben.“

Ansicht aus dem Jahr 2000, bevor die ersten großen  Baumaßnahmen anliefen.
Ansicht aus dem Jahr 2000, bevor die ersten großen Baumaßnahmen anliefen.
Archivfoto: Heinicke
Ein Foto von 2006. Das Modell der alten Schlossanlage hatte Joachim Däumler angefertigt. Es zeigt auch heute fehlende Gebäudeteile.
Ein Foto von 2006. Das Modell der alten Schlossanlage hatte Joachim Däumler angefertigt. Es zeigt auch heute fehlende Gebäudeteile.
Archivfoto: Bernd-Uwe Meyer