1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. Einfach anders: Carlos hat Knochen aus Glas

13-jähriger Junge aus Wegenstedt wünscht sich sein erstes Paar Schuhe Einfach anders: Carlos hat Knochen aus Glas

Von Anett Roisch 24.12.2011, 05:24

Carlos Schoof ist ein 13-jähriger Junge und leidet seit seiner Geburt an einer Glasknochen-Krankheit, der Osteogenesis imperfecta Typ III. Sein Wunsch ist es, sein erstes Paar Schuhe zu bekommen.

Wegenstedt l Es knackst schon, wenn Carlos Schoof sich heftig stößt. Für den 13-jährigen Wegenstedter ist es gefährlich, in einer Menschenmenge angerempelt zu werden. Scheinbar harmlose Situationen sind für ihn eine Herausforderung, ja eine große Gefahr: Denn seine Knochen brechen so leicht wie Glas, auf Röntgenbildern sind sie nur als durchsichtige Röhren erkennbar. Ein Bruch ist für ihn so selbstverständlich wie für andere eine Erkältung. Trotzdem tut es jedes Mal weh. Der Junge versucht, trotz seiner Krankheit ein möglichst normales Leben zu führen. Doch dies ist kaum möglich, immer wieder zwingen ihn seine Krankheit und deren Folgen zu Krankenhausaufenthalten.

Carlos schaut im Wohnzimmer seiner Eltern Fernsehen. Daneben sitzt seine Schwester Kirsten. Sie gesteht: "Ich habe dein Nintendo-DS-Spiel kaputt gemacht - nicht mit Absicht." Carlos murmelt im ärgerlichen Ton, aber ganz leise: "Nicht so schlimm."

Seine Mutter Martina Schoof weiß, wie sie ihren Sohn tragen muss, ohne dass er sich einen Knochen bricht. Laufen kann Carlos nicht, zu schwach sind seine Knochen. "Irgendwann haben wir aufgehört, die Knochenbrüche zu zählen. Er hat noch nie Schuhe gehabt. Die Krankenkasse, bei der er bis 2009 versichert war, hat es immer abgelehnt, die teuren orthopädischen Schuhe zu bezahlen. Die Begründung war: Ein Junge, der nicht laufen kann, bräuchte auch keine Schuhe. Seine Beine haben wir immer in den Fußsack gesteckt. Aber jetzt haben wir Winter, der Rollstuhl samt Fußsack ist zu klein und er kann doch nicht nur mit Socken im Rollstuhl sitzen", sagt die Mutter, die mit ihren Kindern seit ihrer Heirat mit Peter Schoof nun bei der AOK versichert ist.

Vor kurzem hat die AOK das Okay für den neuen Rollstuhl zum Schieben gegeben. Im Februar 2011 hatte Carlos einen Unfall. Er ist mit dem viel zu kleinen Rollstuhl nach vorn gekippt und hat sich sieben Mal den Oberkiefer und sechs Mal den Unterkiefer sowie einen Arm gebrochen. "Es dauert jetzt noch etwa acht Wochen, bis der neue Rollstuhl kommt, denn er muss extra angefertigt werden", beschreibt die Mutter, die Angst hat, dass Carlos wieder mit dem alten Stuhl stürzt.

Vater Schoof beschreibt: "Damit Carlos sich allein in der Wohnung bewegen kann, müssten wir das ganze Haus und vor allem das Bad rollstuhlgerecht umbauen. Wir müssen Carlos, der inzwischen 40 Kilogramm schwer ist, immer tragen." Familie Schoof würde sich über jede Hilfe beim Umbau freuen. "Bis 2500 Euro würde die AOK wohl zur Verfügung stellen, aber das Geld reicht lange nicht aus, um alle Umbauarbeiten zu realisieren", weiß Peter Schoof.

Trotz seines zerbrechlichen Körpers möchte Carlos nicht in Watte gepackt werden. "Ich möchte ein ganz normaler Junge sein, bin eben nur anders", sagt der Teenager selbstbewusst. Er möchte trotz seiner Behinderung nicht darauf verzichten, mit seinen Freunden den Alltag zu verbringen. "Das Lernen ist seine große Leidenschaft. Er geht in die Schule für Körperbehinderte in Magdeburg, hat nur Einsen", sagt die Mutter voller Stolz. Er ist der beste Schüler in seiner Klasse. "Ich würde gern studieren. Englisch ist mein Lieblingsfach. Zum Studieren brauche ich aber noch eine zweite Fremdsprache. Französisch lernen würde ich sehr gern", verrät er. Seine siebenjährige Schwester Kirsten sagt: "Ich möchte Tierärztin werden."

Kirsten hat vor kurzem die Diagnose Leukämie bekommen. "Ich habe einen Lehrgang gemacht, um ihr Spritzen geben zu können", erzählt Martina Schoof und sagt leise: "Ein Unglück kommt selten allein. Wir brauchen alle viel Kraft, dann schaffen wir das."

Die Hoffnung auf ein Paar Schuhe für Carlos haben Schoofs nicht aufgegeben. Die ärztliche Verordnung für die Versorgung mit orthopädischen Schuhen liegt der AOK seit dem 21. Dezember zusammen mit dem Kostenvoranschlag des Schuhmachers vor. "Derzeit prüfen wir unter Berücksichtigung der Erkrankung des Kindes die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme", sagt Silvana Tietz, Pressesprecherin der AOK Sachsen-Anhalt. Sie erklärt: "Aufgrund der Erkrankung ist es erforderlich, Befunde einzuholen. Dazu haben wir bereits mit der behandelnden Kinderärztin Kontakt aufgenommen, um eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung veranlassen zu können. Sobald die Befunde vorliegen, können wir sagen, ob die Voraussetzungen für die Versorgung mit orthopädischen Schuhen bei der vorliegenden Erkrankung erfüllt sind. Sind diese erfüllt, übernehmen wir die Kosten."

Unter den Weihnachtsbaum können die Eltern die Schuhe für ihren Sohn noch nicht legen, aber vielleicht wird es ein Geschenk zum 14. Geburtstag, den Carlos im Februar feiert.