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Geplantes Fernwärmenetz in der Kreisstadt stößt auf Proteste Klimasatzung der Stadt schürt Ängste um steigende Heizkosten

Von Sabine Scholz 27.09.2012, 03:17

Weniger einzelne Heizungen helfen, das Klima zu schützen. Sagen die Befürworter eines Anschlusszwanges für Fernwärme in Halberstadt. Das geht auch anders, behaupten die Kritiker der geplanten Satzung.

Halberstadt l Umstritten ist die "Klimasatzung der Stadt Halberstadt zur öffentlichen Bereitstellung von Wärme". Sie wird heute im Stadtrat diskutiert. Dahinter verbirgt sich ein Regelwerk, gegen das sich Protest regt. So haben die Industrie- und Handelskammer Magdeburg, der Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmer, die Wohnungsbaugenossenschaft Halberstadt und der Mitteldeutsche Handelsverband für Brennstoffe, Mineralöle und Energieservice Halle die Halberstädter Ratsmitglieder aufgefordert, diese Satzung nicht zu verabschieden.

Auch Frank Tscherpel sieht den Anschlusszwang kritisch. Der Halberstädter nennt weit mehr als 300 Wohnungen sein Eigen in der Stadt und weiß, wie sehr die Heizkosten die Mieter belasten. Deshalb, so sagt der 44-Jährige, setze er bei der Heizungsmodernisierung auf moderne Brennwerttechnik und Luftwärmepumpen, um die Heizkosten zu senken. "Aber wenn ich meine Wohnungen ans Fernwärmenetz anschließen muss, befürchte ich, dass die Heizkosten für die Mieter steigen. Und zwar deutlich." Solche Steigerungen über ein Absenken der Kaltmiete abzufangen, sei nur bis zu einem gewissen Umfang möglich.

Ein weiterer Aspekt bereitet Frank Tscherpel Unbehagen: "Mit einem Anschlusszwang wird mir als Vermieter die Möglichkeit genommen, einen günstigeren Versorger zu suchen, so wie es bei Gas und Strom möglich ist." Er bezweifelt auch, dass bei dem vielgelobten Einsatz von Biogas die Erzeugung und der Transport des Maises mit eingerechnet sei, wenn der sogenannte Primärenergiefaktor errechnet werde.

"Der Primärenergiefaktor für die Fernwärme wird anhand der Jahresbilanzdaten, des Primärenergieeinsatzes und der Jahresenergiemengen entsprechend der gültigen DIN von unabhängigen zugelassenen Gutachtern, zum Beispiel dem TÜV, ermittelt und zertifiziert. Dieser zertifizierte Primärenergiefaktor wird vom Unternehmen veröffentlicht. Erzeugungs- und Netzverluste werden dabei berücksichtigt, genauso wie verdrängte Strommengen. Und die eingesetzten Primärenergien haben jeweils einen veröffentlichten Primärenergiefaktor, der auch den Energieeinsatz bei Produktion und Transport des Energieträgers enthält", erklärt Reiner Gerloff, Vertriebschef der Halberstadtwerke auf Anfrage dazu.

Gerloff widerspricht auch der Befürchtung, dass eine Befreiung vom Anschlusszwang nicht möglich ist, wenn fossile Energieträger zum Einsatz kommen. "Der Kunde ist vom Anschlusszwang zu befreien, wenn er die Ziele der Satzung genauso gut erfüllt, wie die Fernwärme. Besitzt seine fossil betriebene Anlage einen niedrigeren Primärenergiefaktor, so ist ein wesentliches Kriterium erfüllt. Erzeugt die Anlage darüber hinaus nicht mehr Schadstoffe, also Feinstaub, Stickoxide, Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid als die Fernwärme, ist die Anlage zu befreien. Hierfür ist die geeignete Filtertechnik nötig", führt Gerloff aus. Bei einer Heizungsanlage, die ganz auf fossile oder biogene Heizstoffe verzichtet, fällt das Schadstoff-Kriterium von vornherein aus, dann muss nur der bessere Primärenergiefaktor nachgewiesen werden.

Erzeugung und Leitungsnetz der Fernwärme verursachen Kosten, die sich im Grundpreis widerspiegeln. Dieser sei verbrauchsunabhängig. Das heißt, der ist zu zahlen, ob man seine Heizung aufdreht oder nicht. Der sogenannte Arbeitspreis spiegele die Kosten für den Brennstoffeinsatz wider und sei abhängig vom Verbrauch. Zurzeit entwickle man bei den Halberstadtwerken eine Preisformel, die langfristig einen großen Anteil dieses Arbeitspreises unabhängig vom aktuellen Brennstoffpreis festhalte, erklärte Reiner Gerloff. "Das erfolgt übrigens unabhängig von der geplanten Fernwärmesatzung. Schließlich versorgen wir schon über 4500 Haushalte mit Fernwärme. Und wir haben allen Fernwärmekunden den Preis des vergangenen Jahres weiter angeboten, selbst wenn Sie einen höheren Vertragspreis hatten."

Für die Fernwärmepreise seien Erzeugungstechnologie und Brennstoffbeschaffung wesentliche Kostenfaktoren. "Da sich mit einem Satzungsgebiet die Planbarkeit des Wärmebedarfs langfristig verbessert, können sich Erzeugungs- und Beschaffungsstrategien danach ausrichten. Was tatsächlich zur Preisstabilität beiträgt", benennt Gerloff ein Argument für eine solche Fernwärmesatzung.

Diese nicht zu beschließen, fordert unter anderem Karl-Heinz Schönfeld, Vorstand der Wohnungsbaugenossenschaft. "Es dient der Umwelt nicht, wenn bereits geplante Modernisierungen vorhandener Heizungsanlagen unter Nutzung moderner und hocheffizienter Brennwerttechnik nun hinfällig werden", sagt er. Zudem sei es nie gut, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher zu beschneiden. "Warum sollen wir nicht selbst entscheiden dürfen, welche Art der Wärmeversorgung am besten geeignet und am wirtschaftlichsten für uns ist?" Immerhin setze seine Genossenschaft seit Jahren schon auf die Nutzung erneuerbarer Energien wie die Solarthermie oder Wärmepumpen. Er fordert gemeinsam mit mittelständischen Mineralölverbänden und der Industrie- und Handelskammer Magdeburg, "die Vielfalt der Wärmeversorgungssysteme und Technologien sowohl im Neubau als auch im Gebäudebestand zu erhalten".

Klimaschonend zu heizen, sei ein gutes Ansinnen, sagt Frank Tscherpel. "Aber ich würde gerne selber entscheiden, auf welchem Weg", so der Halberstädter, der auch eine Heizungsfirma besitzt.