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Orgel Bürger kümmern sich um Welterbe

Eine Einladung, eine 400 Jahre alte Pfeife und ein Blick in die Zukunft. Das hatten Halberstädter im Gepäck für einen Wolfsburg-Besuch.

Von Sabine Scholz 01.05.2018, 10:03

Wolfsburg l Diese Fülle an Schätzen sei ihm nicht bewusst gewesen, gab Klaus Mohrs zu. Der SPD-Politiker ist seit 2012 Oberbürgermeister Wolfsburgs und hat die Partnerstadt Halberstadt durchaus schon mehrmals besucht. Er werde künftig mit anderen Augen durch Halberstadt gehen, sagte Mohrs am Sonnabend in der Marienkirche Wolfsburg. In der Kulturkirche am Alten Schloss präsentierten Halberstädter nicht nur ihre Schatzjahre allgemein, sondern auch drei dieser Schätze ganz konkret.

1000 Jahre Orgelgeschichte sind in Halberstadt erlebbar. Das behaupten nicht nur die Halberstädter. Kein anderer Ort biete soviel Orgelsubstanz unterschiedlicher Jahrhunderte auf so engem Raum wie Halberstadt, sagte Michael Kaufmann. Der Professor für Musikwissenschaft an der Hochschule für Kirchenmusik in Heidelberg hatte wesentlichen Anteil an der Antragstellung der Bundesrepubik, das Orgelspiel als immaterielles Kulturerebe auf die Welterbeliste der Unesco zu setzen. Was im vergangenen Jahr erfolgreich gelang. „Damit sind auch die Orgel und der Orgelbau Welterbe“, sagte Kaufmann, den vor allem auch das bürgerschaftliche Engagement in Halberstadt begeisterte. Er berichtet, dass es im Bund Überlegungen für neue Förderprogramme gebe, um die Orgelsanierungen bundesweit zu unterstützen. Als einen Nutznießer an vorderster Stelle sieht Kaufmann da Halberstadt.

Dass die Domstadt tatsächlich eine Orgelstadt ist, verdeutlichten nach der Begrüßung und den Ausführungen von Oberbürgermeister Andreas Henke (Die Linke) zu den Schatzjahren auch die Vertreter dreier Projekte. Alle werden getragen von Menschen, die sich für die Königin der Instrumente engagieren, die Kulturgut von Weltrang erhalten wollen und dieses Erbe auch in die Zukunft tragen.

Wohl kaum ein anderes als das John-Cage-Orgel-Kunst-Projekt könnte prädestinierter dafür sein. Schlägt es doch einen Bogen aus dem 14. ins 27. Jahrhundert. Denn basierend auf der Beschreibung der 1361 errichteten Faber-Orgel im Halberstädter Dom, die erstmals die noch heute übliche Einteilung der Tastatur besaß, soll die kleine, Pfeife um Pfeife zu erweiternde Orgel in der Burchardikirche Halberstadts bis ins Jahr 2639 klingen. Rainer Neugebauer, Kuratoriumsvorsitzender der John-Cage-Orgel-Stiftung, hatte für seinen Kurzvortrag den aktuellen Klang einspielen lassen.

Ulrich Schäffner hatte keine Töne, wohl aber eine Originalpfeife aus dem Jahr 1596 dabei, als er das Projekt Wiedererrichtung der David-Beck-Orgel vorstellte. Die war mit ihren 59 Registern und 3.100 Pfeifen zu ihrer Einweihung die größte bekannte Orgel der Welt. Und galt manchen Organisten als unspielbar, bis sie sie erlebten. Für die Gröninger Schlosskapelle 1596 errichtet, kam die Orgel 1770 an die Martinikirche Halberstadts, das Rückpositiv ging nach Harsleben. Nun soll beides wieder vereint, saniert und Fehlendes nachgebaut werden.

Eine Sanierung steht auch für die Domorgel an, die ebenfalls eine Einzigartigkeit besitzt. Wurde sie doch mit zwei Spieltischen gebaut, was so in Deutschland nicht noch einmal gibt wie Michael Kaufmann nach den Ausführungen von Domkantor Claus-Erhard Heinrich bestätigte. Und es gibt rund 50.000 Orgeln im deutschsprachigen Raum.

Moderiert von Johannes Rieger, ließe Dr. Jürgen Ehlers, Markus Manderscheid und Claus-Erhard Heinrich passend zum Thema die Orgel der Marienkirche erklingen.

Zum Abschluss überreichte Andreas Henke seinem Amtskollegen Mohrs eine besondere Einladung für Wolfsburger Schulklassen. Wenn am 26. Mai die Sonderausstellung zu den Plateosaurus-Funden in Halberstadt eröffnet worden ist, können Wolfsburger Klassen die Saurierknochen im Heineanum bei freiem Eintritt besuchen. Warum die Knochen ein Schatz sind, ist eine andere Geschichte.