Altstadt Osterwiecker Geschäft schließt nach 44 Jahren
Das langjährigste Geschäft in der Osterwiecker Mittelstraße wird am 23. Dezember geschlossen. Bärbel und Norbert Richter gehen in den Ruhestand.

Osterwieck. - Bärbel und Norbert Richter werden am Dienstagnachmittag zum letzten Mal ihr Geschäft in der Osterwiecker Mittelstraße 4 abschließen. Die Uhrmachermeisterin und der Goldschmied gehen in den Ruhestand, zumindest von außen betrachtet. Tatsächlich ist Bärbel Richter schon seit zwei Jahren Rentnerin, ihr Mann sogar schon seit vier Jahren. Doch wenn der Beruf zugleich Berufung ist, arbeitet man auch mit Spaß über den Rentenbeginn hinaus.
Während Norbert Richter nach einer Ausbildung zum Goldschmied erst 1996 ins Geschäft kam, liegen hinter seiner Frau nun 44 Jahre als selbstständige Uhrmachermeisterin in Osterwieck. „Ich würde immer wieder selbstständig werden“, zieht Bärbel Richter ein Resümee. Gelernt hatte sie ihren Beruf zuvor in Wernigerode, wo sie auch aufgewachsen war.
1981 begann sie ihre Tätigkeit als Mieterin im Nachbarhaus Nr. 5. Unter heute unvorstellbaren Bedingungen: Das Abwasser wurde noch im Eimer aus dem Haus getragen und in die Gosse gekippt. Fünf Jahre später wurde die Mittelstraße zu einem bis kurz nach der Wende florierenden Boulevard umgebaut. Bis zu 20 Läden existierten hier. „Damals war ich die Jüngste in der Straße, heute bin ich die Älteste“, stellt sie mit einem Lächeln fest. Wobei das Gewerbe während der DDR-Jahre nur als Uhrenreparaturwerkstatt möglich war. Der Uhrenhandel kam somit erst 1990 hinzu, ebenso Schmuck und zeitweise Porzellan.
Mit den Jahren wurde es in der Mittelstraße immer leerer. Was Geschäfte und Laufkundschaft gleichermaßen betraf. Konzepte zur Wiederbelebung gab es schon zur Jahrtausendwende, zu einer Umkehr der Entwicklung führten sie aber nicht. „Ich habe mal gesagt, wir sind die einzige Fußgängerzone ohne Fußgänger“, so Bärbel Richter. Über viele Jahre immer wieder angeregt, wurde die Mittelstraße dennoch nicht für Autos frei gegeben. Erst seit zwei Jahren, nach der baulichen Umgestaltung, ist wieder Fahrzeugverkehr erlaubt, dürfen Kunden bis vors Geschäft fahren.
Doch die Mittelstraße als Geschäftsstraße ist Geschichte. Deshalb wollen Richters schon bald das Erdgeschoss ihres Hauses, in dem sich bis jetzt noch der Laden befindet, zu einer Wohnung umbauen. Einen Nachnutzer für den Ladenraum zu finden, sehen sie keine Aussichten. „Geschäftsräume werden doch kaum noch nachgefragt“, sagt Norbert Richter.
Trotz der äußeren Umstände hatten Bärbel und Norbert Richter ihren eigenen, erfolgreichen Weg gefunden, indem sie einfach mit der Zeit gegangen waren. Irgendwann waren Trauringe mehr gefragt als Uhren. Sie nahmen an diversen Hochzeitsmessen teil, erweiterten so den Kundenkreis. 17 Jahre lang, bis zum vergangenen Sommer, betrieben sie einen Onlinehandel, den Norbert Richter pflegte. Es gab also viel zu tun. Bärbel Richter ist so mit den Jahren eher selten noch zu Uhrenreparaturen gekommen. „Für Reparaturen hatte ich dadurch Wartezeiten von einem Jahr“, sagt sie mit Bedauern.
Im September haben Richters per Aushang im Schaufenster bekannt gegeben, dass sie ihr Geschäft zum Jahresende schließen werden. Seitdem haben sie noch einmal einen wahren Ansturm erlebt. „Wir sind so gut wie ausverkauft“, freut sich Bärbel Richter. Etliche Kunden seien auch einfach nur so zur Tür reingekommen, um sich mit netten Worten zu verabschieden. Doch aus der Welt sind sie ja nicht, sie wohnen weiterhin in Osterwieck. Und sie werden mit dem Umbau des Ladenraums noch eine Weile gut zu tun haben.