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Straftat Mutter auf Dauer in der Psychiatrie

Im Juli 2019 hatte eine Frau aus Osterwieck ihr Baby sofort nach der Entbindung ausgesetzt. Das Strafverfahren ist abgeschlossen.

Von Dennis Lotzmann 13.03.2020, 03:00

Osterwieck l Die gute Nachricht: Der kleine Valentin-Felix kann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit am 8. Juli seinen ersten Geburtstag feiern. Der kleine Osterwiecker, der in der Juli-Nacht des vergangenen Jahres in einer Wohnung im Kälberbachsweg der Harzstadt das Licht der Welt erblickte und unmittelbar danach von seiner Mutter vor dem Haus ausgesetzt worden war, lebt und befindet sich nach Informationen der Volksstimme aktuell in einer Pflegefamilie. Allerdings wird der Junge von den Torturen, die ihm seine Mutter in jener ersten Lebensnacht zugefügt hat, wahrscheinlich auf immer gezeichnet bleiben.

Die Gutachter, die im juristischen Verfahren gehört worden sind, gehen nach Angaben eines Sprechers des Landgerichts Magdeburg beim Kind von „neurologischen Dauerschäden aus, deren Ausmaße zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht eingeschätzt werden können“.

Dauer – das ist auch mit Blick auf die juristischen Konsequenzen das Stichwort: Die zum Zeitpunkt der Tat 30 Jahre alte Mutter wurde sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch vom Landgericht Magdeburg als schuldunfähig eingestuft. In der Folge erging im angestrengten Sicherungsverfahren die Entscheidung, die Osterwieckerin auf Dauer in einem geschlossenen psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Das Anfang Februar ergangene Urteil ist laut Gerichtssprecher mittlerweile rechtskräftig.

Mit der Entscheidung folge das Gericht der Einschätzung der Staatsanwaltschaft, wonach der Schutz der Allgemeinheit vor der Frau oberste Priorität habe. Konkret sei nicht auszuschließen, dass die nunmehr 31-Jährige ein weiteres Kind ebenso aussetzen und damit dessen Tod riskieren würde. Deshalb bleibe sie auf unbestimmte Zeit in einer geschlossenen Einrichtung und werde hinsichtlich ihres Zustandes immer wieder begutachtet. Davon hänge ab, ob und wann die Frau wieder frei komme.

In den vorangegangenen polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen hatte sich mit Blick auf die Tat in der Nacht vom 8. zum 9. Juli 2019 ein Bild abgezeichnet, das selbst gestandene Ermittler hatte erschaudern lassen. Demnach hatte die geistig behinderte Frau den Neugeborenen in ihrer Wohnung in Osterwieck zur Welt gebracht. Anschließend hatte sie ihn – entgegen der bisherigen öffentlichen Darstellung – nicht vor dem Wohnblock abgelegt, sondern aus dem Fenster geworfen. Der Junge stürzte aus mehr als vier Metern Höhe in die Tiefe und prallte auf die Betonplatten neben einem Fahrrad-Abstellplatz.

Es grenzte an ein Wunder, dass der Junge den Sturz aus dieser Höhe überhaupt überlebte. Anschließend war es ein Nachbar, der den Neugeborenen vor dem sicheren Erfrierungstod bewahrte. Der Mann kam glücklicherweise erst nach Mitternacht von der Arbeit nach Hause und fand das Kind vor dem Wohnblock. Er nahm den bereits extrem unterkühlten Jungen mit in seine Wohnung, rief den Rettungsdienst und rettete ihm so zweifelsohne das Leben.

Die nun verurteilte Frau war nach Informationen der Volksstimme schon in der Vergangenheit einmal schwanger, hatte aber wohl eine Totgeburt – vom selben Mann, der nunmehr Vater von Valentin-Felix ist. Der Vater soll – ebenso wie die Mutter – geistig eingeschränkt sein.

Die Tat im Juli 2019 sorgte weit über die Grenzen von Osterwieck hinaus für Entsetzen und blanke Fassungslosigkeit. Klinikschwestern kämpften später im Harzklinikum wochenlang um das Leben des kleinen Jungen und gaben ihm trotz – oder gerade wegen – seines extrem schweren Starts ins Leben den Namen Felix – der Glückliche.