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Zast Erneut Krawall in Aufnahmelager Halberstadt

Erneut ist in der Zentralen Anlaufstelle für Asylsuchende (Zast) in Halberstadt ein Konflikt eskaliert.

Von Dennis Lotzmann 30.10.2019, 00:37

Halberstadt l Ein 39-Jähriger, der trinkt und aggressiv wird, der daraufhin andere Bewohner in der Zast attackiert und schließlich – als der Wachschutz einschreitet – einen Wachmann körperlich verletzt, indem er ihn ins Bein beißt. Rund 40 Zast-Bewohner, die sich daraufhin lautstark artikulieren und so für einen massiven Polizeieinsatz sorgen. Und schließlich weitere verbale und körperliche Attacken des 39-Jährigen, die ihn in Gewahrsam bringen (siehe „Wortlaut im Polizeireport“).

Was in der Nacht zum Dienstag und am Dienstag Polizei, Wachschutz und Justiz beschäftigt hat, ist kein Einzelfall. Seit Sommer ist es in der Zast zu mehreren Zwischenfällen gekommen, bei denen die Polizei stets mit vergleichsweise massiver Präsenz einschreiten musste. Was nicht nur die Frage nach der Sicherheit in der Zast aufwirft. Es geht auch um die Frage, wie es um die Sicherheit in der Region bestellt ist, wenn zahlreiche Einsatzkräfte in Halberstadt gebunden sind.

Zuletzt war die Situation in der Zast am Vormittag des 17. Oktober eskaliert. Damals war am Rande eines Sprechtags der Ausländerbehörde in der Zast ein 22-Jähriger, der mit Abschiebehaftbefehl gesucht worden war, von Polizeibeamten festgenommen worden. Daraufhin randalierten laut Polizei 20 bis 30 Asylbewerber, die gegen Türen traten, mit Steinen warfen und Geschirr aus den Fenstern eines Wohnblocks warfen. „Eine Vielzahl zeitnah am Einsatzort eintreffender Beamter konnte die Störungen schnell unterbinden“, hieß es im Polizeibericht. Die Polizei war schließlich bis in die Nachtstunden vor Ort, um die Lage zu deeskalieren.

Wie prekär die Situation für Mitarbeiter der Ausländerbehörde am 17. Oktober war, ist erst jetzt deutlich geworden. Die drei Mitarbeiter, bestätigt Thomas Golinowski, Ordnungsamtsleiter im Landratsamt, auf Anfrage, mussten damals unter Polizeischutz aus dem Räumen gebracht werden. Von Beamten, die nach Informationen der Volksstimme in punkto Eigensicherung nichts anbrennen ließen: persönliche Schutzkleidung, Helme sowie Schilde und entsprechende Bewaffnung.

Ein Grund für die Eskalation: „Die bis dahin genutzten Räume waren nicht ideal“, bilanziert Golinowski. Untergebracht mitten in einem Zast-Wohnblock, direkt unter Asylbewerbern.

Bewerbern, die meist lange und oft auch auf Dauer in der Zast leben, weil ihre Bleibeperspektiven in Deutschland gering sind. „Viele müssen täglich mit ihrer Abschiebung rechnen“, so der Ordnungsamtschef. Entsprechend problematisch und konfliktgeladen sei das Auftreten einzelner. Deshalb sei umgesteuert worden – mittlerweile finden die Sprechstunden im Wachgebäude der Zast statt, die Mitarbeiter der Ausländerbehörde sitzen hinter Panzerglas.

Die Mitarbeiter, die im Oktober von Polizeibeamten gerettet werden mussten, seien wieder – oder noch – im Dienst. Körperlich sei ihnen zum Glück nichts passiert, weiß Golinowski – aber wie sieht es seelisch aus?

Der Ressortchef im Kreis-Ordnungsamt lobt das Zusammenwirken mit der Polizei, sieht aber insbesondere in punkto Sicherheit und Sozialarbeit in der Zast noch Nachsteuerungsbedarf. Letzteren – zahlenmäßig – auch beim Wachschutz.

Der Wachschutz in der Zast. Aktuell, plaudern Insider aus, seien dessen Mitarbeiter ein gutes Stück verunsichert. Anlass ist ein Vorfall, der im August bekannt geworden ist. Damals war ein Video aufgetaucht, das Wachschutz-Mitarbeiter zeigte, die Zast-Bewohner körperlich attackierten.

Der Anlass ist unklar, die polizeilichen Ermittlungen dazu laufen. Die vier Wachschutz-Mitarbeiter wurden suspendiert. Ob sie noch für das Unternehmen arbeiten, ließ sich am gestrigen Abend nicht in Erfahrung bringen. Gleiches gilt für den Stand der polizeilichen Ermittlungen.

Seither, berichten Insider, seien die Wachschutz-Mitarbeiter regelmäßig in der Defensive. „Sobald es Stress und Konflikte gibt und die Wachleute einschreiten müssen, zücken Asylbewerber ihre Handys und rufen ,Youtube‘“, berichtet ein Kenner der Szene.

Die Folgen jener Verunsicherung auf Seiten der Wachleute: Immer wieder und scheinbar immer häufiger eskalieren in der Zast Situationen.

So Anfang September. Ein 32-Jähriger aus Kamerun hatte zunächst im Zug Mitreisende belästigt und sich danach zusammen mit seinem Kumpel Diskussionen mit der Polizei geliefert. Am späten Abend bedrohte der Mann in der Zast Mitbewohner mit zwei Messern. Als die Polizei eingriff, schleuderte der Mann die Messer in Richtung der Beamten. Es war Glück, dass niemand verletzt wurde und kein Schuss fiel, wurde später vor Gericht bekannt. Derart sei die Situation gegenüber Polizeibeamten in der Zast zuvor noch nie eskaliert, so der Harzer Polizeichef Marco Zeuner später.

„Es kann nicht sein, dass Polizisten Freiwild sind“, so der Staatsanwalt vor Gericht. Der Täter wurde binnen Wochenfrist zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Diese Situation blieb nicht die letzte prekäre in der Zast. Am 17. Oktober folgte besagter polizeilicher Großeinsatz. Und nun in der Nacht zum Dienstag und am Vormittag die „Auftritte“ des 39-jährigen Gambiers.

Inwieweit die Polizei ihre Präsenz an der Zast verstärkt hat und mehr Kräfte vorhält, ließ sich am Dienstag nicht mehr in Erfahrung bringen. Fest steht aber: Kommt es zu Konflikten wie Anfang September, Mitte Oktober oder zuletzt in dieser Woche, stellt sich für Polizei und Wachschutz stets auch die Frage, ob und wie die anderen Bewohner in der Zast reagieren. Im Schnitt sind 900 bis 1000 Menschen unterschiedlicher Nationalität dort untergebracht.

„Wenn sich größere Gruppen mit Störern oder Randalierern solidarisieren würden, wäre das die absolute Katastrophe“, heißt es. Zuweilen wird auch der Vergleich mit einem Pulverfass bemüht.

Ob solche Vergleiche real angemessen sind oder überzogen, ist schwer zu sagen. Fakt ist: Die Polizei zieht stets alle Register – um für alle Fälle gewappnet zu sein und gegenüber den Asylsuchenden Präsenz und Handlungsfähigkeit zu beweisen.

Deshalb lobt Ordnungsamtsleiter Golinowski die Polizei, sieht aber noch viel Nachholbedarf bei der Sicherheit in der Zast. „Ich hoffe, dass die Bereitschaft unserer Mitarbeiter, in der Zast zu arbeiten, nicht sinkt. Momentan ist die Situation so, dass wir unsere Leute dort hinschicken können.“