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Ausstellung Das Spiel mit der Wahrnehmung

Die Künstlerin Xenia Fink ist seit einem Jahr im Haldensleber Museum zu Gast. Den Hintergrund bildet das sogenannte Heimatstipendium.

Von André Ziegenmeyer 06.09.2018, 01:01

Haldensleben l „Ich fühle mich hier wirklich wohl“, erklärt Xenia Fink. „Die Museumsleiterin Frau Vater und ihre Mitarbeiter unterstützen mich sehr.“ Seit dem vergangenen Oktober ist die gebürtige Brasilianerin einmal pro Woche in Haldensleben. Anlass dafür ist ein Angebot der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt: das Heimatstipendium.

Insgesamt neun Künstler, die in Sachsen-Anhalt leben, arbeiten in diesem Zusammenhang mit regionalen Museen zusammen. Ziel ist es, Schätze aus den historischen Sammlungen mit zeitgenössischer Kunst in Verbindung zu bringen. So sollen die Einrichtungen und das kulturelle Erbe stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken.

Vor Kurzem setzte sich das Stipendium im Rahmen des Wettbewerbes „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen“ durch. In diesem Zusammenhang empfing Ministerpräsident Reiner Haseloff die Preisträger in der Staatskanzlei Magdeburg.

Was Xenia Fink nach Haldensleben lockte, war der Nachlass der Familie Grimm. Die 39-Jährige hat in Halle an der Burg Giebichenstein Kunst und Design sowie an der Universität der Künste Berlin studiert. Mittlerweile unterrichtet sie in Halle selbst. Im Mittelpunkt ihres Stipendiums stand zunächst der Zettelkasten der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm. Mit diesem sammelten und sortierten sie nach einem komplexen System unter anderem Zuarbeiten, während sie an ihrem Deutschen Wörterbuch arbeiteten. Doch mit der Zeit verschob sich der Fokus.

Xenia Fink wandte sich dem Kunstschrank und der Bibliothek Herman Grimms zu. Er war der älteste Sohn Wilhelm Grimms und arbeitete als Kunsthistoriker. Hauptgegenstand seiner Forschung waren die Renaissance und das ausgehende Mittelalter. „Die Bilder, die ich hier entdeckt habe, haben sich nahtlos in meine eigene Bilderwelt eingefügt“, verrät die Künstlerin.

Vor diesem Hintergrund entstand eine Reihe von Tuschezeichnungen. In ihnen greift Xenia Fink Elemente aus der Sammlung Herman Grimms auf und setzt sie mit eigenen Bildern und Gedanken in Beziehung.

Das Besondere: Viele Werke, die sich in Herman Grimms Sammlung finden, beziehen sich auf biblische Erzählungen oder Sagen und Mythen der Antike. Wer sie kennt, kann die Bilder als Betrachter in ihren ursprünglichen Kontext setzen. „Man kann sie aber auch anders lesen“, so Xenia Fink. Auf diese Weise lädt sie zum Spiel mit der Assoziation ein. Denn die Bilder wirken auch losgelöst von ihren alten Bezügen. Wer sie sieht, kann sie auch mit eigenen Erlebnissen und Eindrücken in Verbindung setzen und gelangt so möglicherweise zu einer völlig neuen Bedeutung. „Die Bilder sind hintergründig. Sie spielen mit der Wahrnehmung des Betrachters“, fasst Judith Vater zusammen.

Wer das ausprobieren möchte, hat in wenigen Tagen Gelegenheit dazu. Denn zum Abschluss des Heimatstipendiums zeigt Xenia Fink einige ihrer Werke. Sie sind zum einen als Sonderausstellung im Haldensleber Museum zu sehen. Einige Zeichnungen erhalten ihren Platz auch unmittelbar in der Ausstellung zur Familie Grimm. Auf diese Weise sollen sie neue Bezüge zwischen den vorhandenen Exponaten herstellen. Die Vernissage ist für Freitag, 21. September, um 19 Uhr angesetzt.

Begleitend dazu beteiligt sich Xenia Fink an mehreren anderen Veranstaltungen. Zum Tag des offenen Denkmals hält sie beispielsweise eine Lesung zum Thema „(Warum) Gibt es keine weiblichen Künstlergenies?“. Los geht es um 18 Uhr im Haus der anderen Nachbarn. Im Rahmen der Stadtliteraturtage ist für Montag, 17. September, ab 18 Uhr eine weitere Lesung im Museum geplant. Hier lautet das Thema „Herman Grimm, Goethe und die Kunst“.