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Fachkräftemangel bei Fleischern Rund um Klötze geht es um die Wurst

Die Zahl der Fleischer-Meisterbetriebe geht rapide zurück. Doch woran liegt’s?

Von Markus Schulze 28.03.2025, 11:00
Immer mehr Fleischerbetriebe schließen. Seit 2002 hat sich die Zahl fast halbiert.
Immer mehr Fleischerbetriebe schließen. Seit 2002 hat sich die Zahl fast halbiert. Archivfoto: Robert Michael/dpa

Jahrstedt. - Seit 2002 hat sich die Zahl der Meisterbetriebe im Fleischerhandwerk halbiert. Momentan gibt es nur noch etwas mehr als 10.000. Das geht aus dem Jahrbuch des Deutschen Fleischerverbandes für 2024 hervor.

Bürokratie

„Viele finden einfach keinen Nachfolger“, weder innerhalb noch außerhalb der Familie, berichtet Ronny Bratke aus Jahrstedt. Er ist Fleischermeister und außerdem Obermeister der Fleischerinnung. Seinen Worten zufolge kämpfe die Branche mit Bürokratie und Auflagen. Beides sei gleichbedeutend mit Zeit und Geld. Wer mit dem Gedanken spielt, einen Betrieb zu übernehmen oder zu eröffnen, „schreckt vor dem Risiko zurück“.

Hohe Auflagen seien beispielsweise bei der Schlachtung zu erfüllen. Bratke schlachtet schon seit 15 Jahren nicht mehr, verarbeitet nur noch. Das habe aber auch wirtschaftliche Gründe. So kaufe er, was saisonal nachgefragt wird, beispielsweise Schnitzelfleisch, ohne auf dem Rest, beispielsweise dem Speck, sitzenzubleiben.

Image

Ein weiterer Grund, warum die Zahl der Betriebe abnimmt, könnte neben den Kosten das Image sein. „Es ist ganz komisch geworden. Viele halten es fast schon für ein Vergehen, mit den eigenen Händen zu arbeiten“, hat Bratke festgestellt.

Er selbst sieht das völlig anders: „Es ist doch schön, wenn ich mich morgens hinstelle, das Fleisch verarbeite und abends sehe, was ich geschafft habe. Für mich ist das die Erfüllung.“ Angenehmer Randeffekt: „Ich darf kosten, was ich produziert habe.“

Blut

Der Jahrstedter kann die Vorurteile nicht nachvollziehen: „Es ist doch nicht mehr so, dass der Fleischer dasteht mit blutverschmierter Schürze oder halbe Schweine umhertragen muss. Dafür haben wir moderne Maschinen.“

Dennoch sei der Nachwuchs- beziehungsweise Fachkräftemangel ganz erheblich. 2023, so teilte der Zentralverband des Deutschen Handwerks mit, machten bundesweit nur noch 2.300 junge Menschen eine Ausbildung zum Fleischer. Das sind fünf Prozent weniger als 2022 und bedeutet einen Tiefstand.

Tankgutschein

Auch Bratke hat derzeit keinen Auszubildenden. „Ich suche, finde aber keinen.“ Den Kollegen ginge es ähnlich, obwohl die Branche nichts unversucht lasse. „Manche bezahlen den Führerschein, andere locken mit Tankgutscheinen oder Prämien für gute Noten in der Berufsschule.“

Doch gegen die Konkurrenz der großen Supermärkte, die selbst Ungelernten reichlich Geld böten, sind Bratke und Co. machtlos. Der Fleischermeister warnt vor den Folgen: „Ohne Auszubildende geht Wissen verloren, was über Jahrhunderte erworben und weitergegeben wurde.“

Work-Life-Balance

„Die Zeiten haben sich geändert“, denkt sich der Jahrstedter oft und ertappt sich dabei, mit der Einstellung der jungen Leute zu hadern: „Sie haben kein Durchhaltevermögen, integrieren sich nicht, sind oft krank und lassen sich nichts mehr sagen.“ Heute zähle nur noch die Work-Life-Balance.

Bratke hat zwei Geschäfte, in Jahrstedt und Kusey, mit zwölf Mitarbeitern. Die aktuelle Diskussion über den Mindestlohn verfolgt er genau und meint: „Wenn der Mindestlohn für Ungelernte auf 15 Euro hochgeht, dann sagt sich doch die Verkäuferin, die schon seit 20 Jahren da ist, zu Recht: Ich will 20 Euro. Und so weiter. Die Spirale geht immer weiter nach oben.“ Das könne sich vielleicht die große Industrie leisten, aber nicht der kleine Mittelstand. „Wir müssen dann die Preise erhöhen und laufen Gefahr, dass der Kunde das nicht mitmacht.“

Sonntagsbraten

Dass andere Zeiten angebrochen sind, macht Bratke auch an veränderten Essgewohnheiten und Lebensweisen fest. „Heute kauft keine junge Mutti mehr einen Braten und stellt sich sonntags stundenlang an den Herd.“ Doch damit, so betont der Jahrstedter, könne er umgehen. Er bietet dann eben an, was sich schnell und einfach zubereiten lässt.

Für die Zukunft hofft der Jahrstedter auf das Beste. Er mag sich nicht vorstellen, dass noch mehr Betriebe verschwinden, schon gar nicht im ländlichen Raum. So würden die kleinen Betriebe neben ihrem Kerngeschäft noch ganz andere Aufgaben erfüllen: „Wir sind Nahversorger und Treffpunkt. Hier tauschen sich die Leute aus. Wir sind der Mittelpunkt im Ort.“