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Arbeit und Wirtschaft Das Handwerk, Jesu Vater und das Glück

Welche Bedeutung hat Handwerk für die Zukunft? Was macht es für die Region aus? Und was haben die Bibel und das Glück mit ihm zu tun? Während der Gesellenfreisprechung der Kreishandwerkerschaft Elbe-Börde wurden solche Fragen in den Vorträgen angesprochen.

Von Martin Rieß 05.09.2023, 02:00
Umringt von Motiven aus dem Handwerk wirbt Wirtschaftsbeigeordnete Sandra Yvonne Stieger in der Region zu bleiben.
Umringt von Motiven aus dem Handwerk wirbt Wirtschaftsbeigeordnete Sandra Yvonne Stieger in der Region zu bleiben. Foto: Martin Rieß

Magdeburg - Als jüngst in der Johanniskirche die bisherigen Auszubildenden des Handwerks bei einer Freisprechung feierlich in die berufliche Selbstständigkeit verabschiedet wurden, war für alle Festredner die Zukunft des Handwerks ein herausragendes Thema. Denn die Zeiten, in denen ein Überfluss an Arbeitskräften bestand, sind längst Geschichte. Die Folge: Den Betrieben fehlen qualifizierte Mitarbeiter, manche der Unternehmen können Aufträge wegen fehlender Kapazitäten nicht mehr annehmen.

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Doch angesichts der langen Geschichte gelte es nicht zu verzagen, sondern anzupacken, so Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg: „Das Handwerk hat eine Jahrtausend alte Tradition. Der Vater von Jesus Christus war Zimmermann. Schon die Pyramiden haben Handwerker gebaut.“ Handwerk bedeute mithin: „Einfach machen!“ In seiner Ansprache zitierte Grupe die aktuelle Studie der Krankenkasse IKK mit dem Ergebnis: Handwerk macht glücklich. Grund dafür sind der IKK zufolge positive Effekte wie Stolz und Wertschätzung, die sich positiv auf die Psyche von Handwerkern auswirken. Ein Grund: Am Ende des Tages wisse man oft viel eher, was man getan habe, als in einem anonymen Bürojob. Die Handwerkspalette ist riesig - in dieser Branche gibt es 130 Ausbildungsberufe. Unter anderem die Maler und Lackierer.

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Nachfrage nach allen Dienstleistungen steigt

Festrednerin Sandra Yvonne Stieger, die als Wirtschaftsbeigeordnete der Landeshauptstadt ans Mikrofon trat, machte deutlich, an welcher Stelle das Handwerk eine entscheidende Rolle bei der Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft spielen: Klimawandel und Digitalisierung gehören zwar zu den aktuellen Herausforderungen auch im Handwerk: „Genau dies sind aber auch Chancen für die Absolventen, denn die Nachfrage nach allen Dienstleistungen wird steigen.“ Neue Geschäftsfelder wie Photovoltaik, Wärmepumpen, digitale Steuerungssysteme und innovative Dämmmaterialien sowie Prüfung und Wartung eröffnen Perspektiven für die Zukunft. In diesen Bereichen würden in den kommenden Jahren viele Arbeitsplätze entstehen.

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Und ungeachtet der Misstöne rund um die Intel-Ansiedlung, in der Magdeburgs Ex-OB Lutz Trümper seinen Beraterposten hingeschmissen hat: Die jüngste Milliardeninvestition von Intel werde die Schaffung zahlreicher Ausbildungsplätze ermöglichen. Gleichzeitig würden viele Zulieferunternehmen in der Region angesiedelt, was einen bedeutenden wirtschaftlichen Impuls darstellt. „Die Nachfrage nach Dienstleistungen in diesen Bereichen wird weiter steigen. Eine richtige Balance zwischen regionalen Handwerksbetrieben und internationalen Unternehmen ist von entscheidender Bedeutung“, so die Wirtschaftsbeigeordnete.

Es lohnt sich, in der Region zu bleiben

Ähnlich sieht es Stefanie Pötzsch. „Diese Veranstaltung beweist, wie breit das Handwerk aufgestellt ist“, sagte die Staatssekretärin des Magdeburger Wirtschaftsministeriums. Auch sie meint: „Es lohnt sich für junge Handwerker hierzubleiben.“

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Nur: Wie sollen die jungen Gesellen dies am besten anstellen? Konrad Zahn, Vorsitzender der Kreishandwerkerschaft Elbe-Börde, sieht den Gesellenbrief, den die jungen Handwerke überreicht bekamen, als Ticket für die Zukunft: „Er ist Ihre Eintrittskarte in die Welt des Berufslebens.“ Als Lehrling war das Lernen eine manchmal undankbare Aufgabe. „Aber denken Sie daran, dass niemand von der Lernkurve befreit ist. Die Technik schreitet unaufhörlich voran, und die Vorlieben und Anforderungen ändern sich ständig“, so Konrad Zahn. In Zukunft werde künstliche Intelligenz eine noch größere Rolle in den Arbeitsprozessen spielen. Vor diesem Hintergrund sein Appell an die Freigesprochenen: „Nutzen Sie diese Chance, sich weiterzubilden und sich mit KI vertraut zu machen.“ Und mehr noch: Veränderung sei unvermeidlich, aber auch notwendig. Jede Veränderung trage dazu bei, die Dinge interessant zu halten und ermögliche es, sich anzupassen und zu wachsen.

So kommen die jungen Gesellen vorwärts

Mehrfach wurden die jungen Gesellen während der Freisprechung ermuntert, nicht beim erreichten stehen zu bleiben. „Sie haben die Möglichkeit, weiter zu studieren, den Meistertitel zu erlangen, Betriebsleiter zu werden oder sogar Ihr eigenes Unternehmen zu gründen“, so Konrad Zahn. Vor diesem Hintergrund gilt es zu wissen, dass 50 Prozent der derzeitigen Handwerksunternehmen in den kommenden Jahren Nachfolger suchen. Aber oft gestaltet sich die Übergabe innerhalb der Betriebe oder Familien schwierig.

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Seit Herbst 2017 gibt es zudem die Meistergründungsprämie, die für angehende Unternehmer und Gründer eine Möglichkeit darstellt, finanzielle Unterstützung zu erhalten. „Nutzen Sie diese Chance, um Ihre beruflichen Träume zu verwirklichen. Die Zukunft hält viele Möglichkeiten bereit, und Ihr Gesellenbrief ist der erste Schritt auf diesem spannenden Weg. Bleiben Sie neugierig, offen für Veränderungen und engagiert in Ihrer beruflichen Entwicklung“, so Konrad Zahn. Beratung zum Thema gibt es in den Innungen und in der Handwerkskammer Magdeburg.