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Dolmetscherverbot Neue Kritik an Magdeburger Jugendfeier

Der Vorfall bei einer Jugendfeier in Magdeburg, bei der eine Dolmetscherin nicht im Bühnenbereich stehen durfte, löste Empörung aus.

Von Christina Bendigs 27.06.2018, 01:01

Magdeburg l Es war ein Vorfall, der bundesweit für Aufsehen sorgte: Bei einer Jugendfeier in der Magdeburger Johanniskirche am 19.  Mai 2018 durfte sich eine Gebärdensprachdolmetscherin nicht im Bühnenbereich platzieren. Mit Verwunderung reagierten die einschlägigen Verbände auf den Vorfall, über den die Magdeburger Volksstimme berichtete.

„Der Vorfall hat uns überrascht und befremdet, ist es doch bei vielen Veranstaltungen guter Brauch, dass Gebärdensprachdolmetscher an zentraler, gut sichtbarer Stelle arbeiten“, schreiben etwa der Behindertenbeauftragte der Stadt Magdeburg, Hans-Peter Pischner, und die Kinderbeauftragte Katrin Thäger, in einer Stellungnahme, die der Volksstimme vorliegt, an den Verein Jugendfeier.

Besonders befremdlich sei, dass der Verein den Anspruch habe, jungen Menschen anlässlich ihrer Aufnahme in den Kreis der Erwachsenen ein humanistisches Welt- und Menschenbild zu vermitteln, heißt es darin weiter. Pischner und Thäger verweisen außerdem auf die UN-Behindertenrechtskonvention und die Gleichstellungsgesetze für Menschen mit Behinderung, in deren Sinn zukünftig eine andere Lösung gefunden werden sollte.

Mit einer gemeinsamen Stellungnahme meldeten sich auch der Deutsche Gehörlosen-Bund und die Gehörlosengemeinschaft Sachsen-Anhalt bei der Volksstimme. Beide betonen, dass dieses Verbot „unverständlich und diskriminierend“ sei. Auch diese beiden Verbände fordern ein Umdenken: „Es wäre für uns sehr wünschenswert, wenn der Verein Gebärdensprachdolmetscher zu den nächsten Jugendfeiern auf der Bühne zulassen könnte.“

Der Jugendfeier-Verein hatte eine Stellungnahme gegenüber der Volksstimme zunächst abgelehnt. Begründung: Die Gründe seien der betroffenen Familie dargelegt worden, es werde kein Anlass gesehen, gegenüber der Presse noch einmal Auskunft zu geben. Eine Woche nach Erscheinen des Beitrags vom 8. Juni meldete sich der Vorstand des Vereins dann aber doch noch mit einer ausführlichen Stellungnahme.

Sicherheitsvorkehrungen hätten zu der Entscheidung geführt. „In der Johanniskirche befindet sich bei den Veranstaltungen des Vereins keine traditionelle Bühne, es handelt sich vielmehr um eine Aktionsfläche, die sich über vier Ebenen und der gesamten Breite der Kirche erstreckt“, erklärt der Vorstand nunmehr. Dort würden zahlreiche Künstler, Tanzgruppen mit wechselnder Besetzung, Fotografen und nicht zuletzt die Teilnehmer, die bei dieser Veranstaltung im Mittelpunkt stehen, agieren.

All diesen Personen, insbesondere den minderjährigen Akteuren gegenüber, habe der Verein eine besondere Sorgfaltspflicht. Nachdem es in der Vergangenheit in diesem Bereich aufgrund von Personenbewegungen zu zwei Beinah-Unfällen gekommen sei, „hat der Verein diesen Bereich allein aus Sicherheitsgründen abgesperrt“. Es gebe darüber eine mit der jeweiligen Künstleragentur vereinbarte Bühnenanweisung, die neben weiteren vertraglichen Regelungen Bestandteil der Künstlerverträge sei und gleichzeitig die Grundlage für die Haftpflichtversicherung des Vereins bilde.

Auch der Mittelgang sei freizuhalten, weshalb die Gebärdensprachdolmetscherin aufgefordert worden sei, einen Sitzplatz einzunehmen. Sie hätte einen im gegenüberliegenden Sitzblock einige Reihen vor der Familie nutzen können, habe dann aber einen Platz neben der Familie genutzt, weshalb alle in einer Reihe saßen. Zudem seien der Familie Plätze an anderer Stelle im Saal vorgeschlagen worden, wo sich auch eine Dolmetscherin hätte gut platzieren können. Diese habe aber die Familie nicht angenommen.

Im Fall einer zweiten betroffenen Familie „wurden die aufgezeigten Möglichkeiten genutzt, die Gebärdendolmetscherin stand unmittelbar an der Begrenzung der Aktionsfläche und somit direkt vor der Bühne“, erklärt der Verein.

„Hätte uns der Veranstalter die Plätze angeboten, die die Familie nach uns bekommen hat, hätte es die Probleme nicht gegeben“, erklärte die betroffene Familie, deren Dolmetscherin dort nicht habe stehen dürfen, erklärte die Familie gestern noch einmal auf Nachfrage. Doch weder im Vorfeld der Veranstaltung noch vor Ort wurde uns diese Möglichkeit angeboten.

Dass der Verein nicht bereits ausführlich auf die erste Volksstimme-Anfrage reagierte, begründete der Vorstand von sich aus nachträglich mit der Kurzfristigkeit der Anfrage. Wiederholt ist die Stellungnahme nicht namentlich, sondern mit „der Vorstand“ unterzeichnet. Die Mitglieder wollen auch ungenannt bleiben, da aufgrund der Berichterstattung in der Volksstimme ein regelrechter Wutsturm über die Mitglieder hereingebrochen sei.

Dass es auch unkomplizierter geht, zeigt der Jugendweihe-Verein. Vorsitzende Anke Hoffmeister berichtet, dass bei den Jugendweihe-Veranstaltungen stets auf die Bedürfnisse der Teilnehmer geachtet wird. Auch würden Gebärdensprachdolmetscher auf der Bühne positioniert, so dass sie aus dem Publikum gut zu sehen seien. Selbst musikalische Beiträge würden dabei übersetzt.