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Museums-Test Dommuseum: Der schwierige Weg zu Otto

Seit Ende 2018 ist das Dommuseum in Magdeburg geöffnet und gilt als Errungenschaft. Doch wie viel Otto steckt drin? Ein kritischer Blick:

09.07.2019, 14:00

Magdeburg l Hier Steine und Scherben, dort das Modell des Domfelsens, an wieder anderer Stelle Urkunden aus der Zeit Ottos des Großen, dazu Animationsfilme und Krabbelkäfer sowie ein erdachtes Gespräch zwischen drei Wasserspeiern – das noch junge Magdeburger Dommuseum bietet zahlreiche Ansätze, um in die Geschichte der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt einzutauchen.

Neben dem Erzbistum Magdeburg und der Bautätigkeit auf dem Domplatz soll auch über Otto den Großen und seine Frau Editha informiert werden. Unweigerlich kommt jedoch die Frage auf: Wo geht’s denn jetzt zu Otto? Denn die Erwartungshaltung, die der Name des Museums weckt, wird nicht ausreichend erfüllt.

Der Empfang im Dommuseum mit dem umstrittenen wie für viele unaussprechlichen Beinamen „Ottonianum“ ist überfreundlich. Dabei heißt es doch immer, der Magdeburger sei unfreundlich. Auf die Mitarbeiterin des Dommuseums trifft das nicht zu. Aber vielleicht freut sich die Angestellte, dass überhaupt jemand in die im November 2018 eröffnete Einrichtung kommt. Denn an diesem sommerlichen Nachmittag haben die Menschen offenbar anderes zu tun. Im Museum herrscht gähnende Leere.

Im April 2019 teilte die Pressestelle mit, dass bis Februar mehr als 13.500  Gäste da gewesen seien. Aktuelle Besucherzahlen gibt es bei den Verantwortlichen auf Volksstimme-Nachfrage nicht.Für eine Evaluation sei es noch zu früh, „man kann aber feststellen, dass das Museum sowohl von Reisegruppen als auch von Einzelpersonen angesteuert wird“.

Für 3,6 Millionen Euro wurde die Alte Reichsbank in Magdeburg zum Museum umgebaut. Wo einst Geld aufbewahrt wurde, sind nun Grabungsschätze zu finden. Wenn es nach dem Wirbel zur Eröffnung geht, ist das Museum das Prunkstück der Stadt. Schließlich wurde acht Jahre darum gerungen.

Doch nicht etwa ein Hinweisschild auf das Dommuseum, sondern Leuchtreklame der Wobau grüßt den Besucher. Das kommunale Wohnungsunternehmen ist im Obergeschoss eingezogen – und nutzt den prominenten Eingang vom Breiten Weg, der einst als schönste Barockstraße Deutschlands galt. Die Pforte zum Dommuseum hingegen liegt im Schatten von Bäumen. Nicht mal an der dem Dom zugewandten Seite gibt es einen Hinweis auf das Museum. Abgesehen von einem verschwindend kleinen Aufsteller und einem Werbeplakat sucht man Wegweiser zum Ottonianum vergeblich.

Die ausreichend zur Verfügung stehenden Garderobenschränke sind an diesem Nachmittag verwaist. Wer ohne Jacke gekommen ist, hätte sich lieber eine mitgebracht. Denn im klimatisierten Ausstellungsraum ist es kalt. Für 7,50 Euro ist man drin. Ratsam ist, sich für 2,50  Euro einen Audioguide zu leihen, mit dem es in Englisch oder Deutsch durch die Ausstellung geht. Die Tasten des Guides verfügen über Brailleschrift. So findet sich selbst ein Blinder zurecht – zumindest was das Gerät angeht.

Um dem Weg durch die Ausstellung folgen zu können, der laut Mitarbeiterin einem „M“ entspricht, braucht selbst der Sehende Fantasie. Durchgänge und Unterbrechungen vermitteln das Gefühl, der Rundgang durch die Exposition gleiche eher dem Logo des Ottonianums. Und der Eingangsfilm lockt gleich zu Beginn am „M“ vorbei.

Der Animationsstreifen aus dem Hause Laterna Magica in Frankfurt am Main gibt jedoch einen guten Überblick über die Stadtgeschichte. Von 400  Millionen Jahre vor Christus bis in die heutige Zeit läuft rechts eine Jahreszahl mit. Die Leinwand könnte jedoch mindestens ein bis zwei Meter kleiner sein, um das Auge des Betrachters zu schonen und ihm die Möglichkeit zu geben, die gesamte Projektionsfläche zu überblicken. So aber fühlt man sich wie in der ersten Reihe eines Kinos.

Das Dommuseum Magdeburg im Test - die Bewertung

Das Wichtigste zur Stadtgeschichte ist nach dem Film klar: Das heute von Stalin- und modernen Betonbauten und breiten Straßen dominierte Zentrum Magdeburgs wurde dreimal nahezu komplett zerstört – Stadtbrand 1207, Dreißigjähriger Krieg 1631, Zweiter Weltkrieg 1945. So erklärt sich, warum viel Greifbares zu Otto dem Großen (912 bis 973), einstiger Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, und seiner Gattin Königin Editha (910 bis 946) und deren Leben in Magdeburg im Museum nicht zu finden ist.

Urkunden und Erläuterungen sind in Filmen und auf Bildern zu sehen. Sie geben jedoch wenig Aufschluss über die beiden berühmten Persönlichkeiten, die so eng mit der mittelalterlichen Metropole an der Elbe verbunden sind, dass sie Magdeburg als letzte Ruhestätte wählten. Der Domschatz ist zerstört, viele Dokumente sind verbrannt.

In der Ausstellung wird auf Trickfilme und Repliken zurückgegriffen. Ein Vorteil: Nachbildungen wie etwa die vom Kaisersiegel dürfen angefasst werden. An vielen anderen Stellen hat die Ausstellung aber einen zu fachspezifischen Charakter – etwa wenn es um wissenschaftliche Deutungen der Domplatzbauten in unterschiedlichen Jahrhunderten geht, sich aber nicht recht erschließt, wieso das wissenswert ist.

So viel ist aber klar: Kaiser Otto ließ einen prachtvollen Dom – ein Bild gibt es nicht – in Magdeburg errichten, der nach seiner Zerstörung 1207 vom einzigen gotischen Dom auf deutschem Boden abgelöst wurde, der noch vor dem Ende des Mittelalters fertiggestellt wurde. Mehr als 300 Jahre hat der Dombau gedauert – in einem Animationsfilm von Faber Courtial aus Darmstadt kann die Entstehung des heutigen Wahrzeichens der Stadt gut nachvollzogen werden.

In der Ausstellung machen Filme aus der Drohnen-Perspektive die Imposanz des Gebäudes deutlich. Doch der Dom steht in ganzer Größe nebenan. Auf dem begrenzten zur Verfügung stehenden Ausstellungsraum von 650 Quadratmetern wären stattdessen Bilder oder Videos von den Grabungsarbeiten und der Aufarbeitung der Fundstücke sinnvoll und ein echter Zugewinn gewesen.

Schließlich haben die Grabungen in den Jahren 2006 bis 2009 viel Zeit in Anspruch genommen – und die Öffentlichkeit wurde mit Bauzäunen weitgehend davon abgeschirmt. Nachträglich hätte nun der Blick hinter die Kulissen der Grabungsarbeit freigegeben werden können. Das imposante Bodenprofil vom Domplatz mit den kurzen Erläuterungen bietet hier einen ausbaufähigen Ansatz.

Ein Hingucker ist das gemauerte Steingrab gleich am Anfang der Ausstellung – ein Original aus der Zeit der Ottonen. Wer darin bestattet war, ist jedoch nicht überliefert. Die Wissenschaftler können aus der Ursprungslage nah am Kirchengebäude lediglich schlussfolgern, dass es sich um das Grab einer bedeutenden Persönlichkeit gehandelt haben muss. Die Erklärungen dazu kann nur derjenige lesen, der nicht auf einen Rollstuhl oder Rollator angewiesen ist. Denn während der Eingang zum Museum auch über eine Rampe zu erreichen ist, steht der Besucher hier vor zwei Stufen, die selbst für Leute, die gut zu Fuß unterwegs sind, zur Gefahr werden können. Ein Geländer gibt es an keiner der beiden Seiten.

Bei hohem Besucherandrang birgt das Museum an dieser Stelle die Gefahr, im Gedränge zu stürzen. Es wäre eine Überlegung wert gewesen, hier anstelle eines gemauerten Steingrabes die Nachbildung des Editha-Grabes aus dem 3-D-Drucker zu platzieren, die an ihrem aktuellen Standort an die Seite gedrängt wirkt. Die Entdeckung des Bleisarges mit den sterblichen Überresten der schon im Mittelalter mehrfach umgebetteten Königin im Jahr 2009 war eine der größten Sensationen der Grabungsarbeit.

Filmisch gut umgesetzt ist die Dokumentation der Bergung und Untersuchung der sterblichen Überreste. Dieser Film ist jedoch allzu leicht zu übersehen. Nachteil ist: Nur etwa vier Personen gleichzeitig können sich den Film, der in eine Sitzgelegenheit eingelassen ist, anschauen.

Über eine Fotobox von Nikolaus Völzow aus Karlsruhe kann der Besucher, leider auch nicht barrierefrei, Teil einer Putzritzzeichnung werden, deren Original im Kreuzgang des Doms zu besichtigen ist – ein guter, spielerischer Ansatz. Wer ein Bild mit Adelheid, Otto und Editha in der Putzritzzeichnung haben möchte, sollte gleich eines mit dem Handy machen. Denn sich das Bild per E-Mail zusenden zu lassen, klappt nicht immer. Das Angebot ist kostenfrei – so kann jeder Besucher eine Erinnerung fürs Fotoalbum mitnehmen.

Die Frauen an Ottos Seite werden wieder in einem Erklärfilm von „xkopp creative“ aus Köln zum Stammbaum Ottos des Großen gezeigt. Der Film wird über einen Bewegungsmelder ausgelöst, dessen Reichweite relativ eng bemessen ist. Für denjenigen, der nicht in dessen Spielraum kommt, bleibt der Bildschirm schwarz. Mit der Kritik konfrontiert, lässt das Museum mitteilen, dass hier noch Druckknöpfe installiert werden sollen.

Interessant ist der Bereich, in dem es um das Edithagrab geht. Im Stil eines Naturkundemuseums werden dort die Käfer, die in Edithas Grab gefunden wurden, gezeigt. Dieser Bereich ist anschaulich – und kurios. Wer hätte geahnt, dass dem Grab eine Schale mit Hafer beigelegt wurde, damit sich die Grabfliegen gut vermehren können? Das prägt sich ein. Auch in anderen Bereichen der Ausstellung wäre es wünschenswert gewesen, wären mehr solcher Fakten herausgestellt worden.

Ob sich jemand alle Namen derer durchliest, die einstmals als Erzbischöfe die Geschicke des Erzbistums Magdeburg führten, bleibt zu bezweifeln. Sehenswert dagegen ist die Darstellung der Bischofskleidung. Und mit einer Mitra und Schuhen sind hier einige wertvolle Originale zu sehen.

Mit einem unterhaltsamen Gespräch zwischen drei Wasserspeiern zur Weihe des Magdeburger Domes im Jahr 1363 wird der Besucher aus dem Museum entlassen. Noch ein Blick ins Gästebuch: Die Einträge sind durchweg positiv.