1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Serie „Otto ist Einheit“ über 35 Jahre Wiedervereinigung: Glücklich in Magdeburg

Serie „Otto ist Einheit“ über 35 Jahre Wiedervereinigung Mit Video: Glücklich in Magdeburg

Daniela Dieterich schätzt an den Magdeburger die Verlässlichkeit. Sie lehrt und forscht in Magdeburg.

Von rs 06.08.2025, 17:00
Daniela Dieterich, Uni Magdeburg.
Daniela Dieterich, Uni Magdeburg. Pro M Magdeburg

Magdeburg - In einer Serie erzählen Menschen aus Magdeburg mit Ost- oder West-Hintergrund ihre Geschichte über Wiedervereinigung und Deutsche Einheit seit 35 Jahren. Hier Daniela Dieterich, Uni Magdeburg.

Gut 500 Kilometer Luftlinie ist das beschauliche Städtchen Aalen in Schwaben von der Berliner Mitte entfernt. Daniela Dieterich, 1974 in Aalen geboren, ist also vor 35 Jahren alles andere als ganz nah dran an den Umbrüchen in der geteilten Großstadt.

Und doch erinnert sie sich an den 9. November 1989. „Wir saßen zu Hause vor dem Fernseher. Ich war 15 Jahre alt. Ich weiß noch, dass es plötzlich ganz still wurde, als wir die Bilder sahen“, blickt die heutige Dekanin der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität zurück. „Und obwohl erst einmal keiner was gesagt hat, haben wir uns alle im Stillen gefragt: Was wird nun werden?“

Video: Serie 35 Jahre Deutsche Einheit: Daniela Dieterich, Uni Magdeburg

(Stadtmarketingverein Pro M Magdeburg)

Hinweis: Sollte das Video nicht angezeigt werden, laden Sie bitte Ihren Browser neu.

Lesen Sie auch: 3.000 Wohnungen, 1.000 Arbeitsplätze sollen hier entstehen

Durch ihren Vater ist die Teenagerin damals auch mit den Reformen eines Michail Gorbatschow befasst, innerhalb der Familie gibt es Flüchtlingsbiografien. „Die Trennung beider deutscher Staaten war bei uns kein unmittelbar familiäres Thema. Aber es gab natürlich ein großes Interesse am Geschehen. Mich hat das als junges Mädchen damals gleichzeitig bedrückt und fasziniert.“

„Kann ich dich hier allein lassen?“

Daniela Dieterich liebt die Musik und lebt das als Saxofonspielerin aus. Jazz, Blues und Klassik begleiten sie schon ihr gesamtes Leben. „Nach der Grenzöffnung sind wir dann auch mit dem Jugendorchester irgendwann in den Osten gereist und immer herzlich empfangen worden.“ Vieles sei aus der Perspektive von Jugendlichen damals gleich, aber vieles auch vollkommen anders gewesen.

Lesen Sie auch:Attentäter schreibt Briefe an seine Opfer

Nach der Schule verlässt Daniele Dieterich die schwäbische Heimat. Sie geht zum Studium nach Hannover, wo sie Biochemie studiert. „Ich habe mir damals gesagt: Hier studierst du, das gefällt mir. Dann muss ich eben hochdeutsch lernen“, sagt das Arbeiterkind mit einem Lächeln.

1997 erstmals nach Magdeburg

Sie rutscht immer weiter „ins Neurofeld hinein“ und bekommt so Kontakt zu Magdeburg. „Die Frage war ja immer, worauf ich mich als Forscherin konzentrieren will.“ 1997 kommt sie zum ersten Mal für ein mehrwöchiges Praktikum bei grauem und nassen Herbstwetter nach Magdeburg. Noch heute hört sie ihren Freund im Auto sagen: „Kann ich dich hier allein lassen?“

Lesen Sie auch: Standesbeamtin malt mit Kind und lässt Bürger draußen warten

Eine Skepsis, für die heute absolut kein Grund mehr besteht. „Ich kann an dieser Stelle schon verraten, dass derselbe Mann und ich heute mit unseren Kindern in Magdeburg leben und hier wunderbar glücklich sind. Wir haben 2008 unsere Traumwohnung mit Dachterrasse in der Altstadt gekauft und da wohnen wir immer noch.“

Diplom in Hannover, Promotion in Magdeburg

Auf das Diplom 1999 in Hannover folgt 2003 die Promotion in Magdeburg. „Und dann wollte ich weiter neugierig sein“, sagt die Mutter von Zwillingen. „Mein Mann und ich sind in die USA gegangen. Wir haben fünf Jahre am Caltech in Kalifornien geforscht. Ein Glücksfall!“ Fast, verrät Daniela Dieterich, wären sie für immer dortgeblieben – unter der Sonne Kaliforniens. „2008 kam ich als Stipendiatin des Emmy Noether Programms zurück nach Magdeburg. Fast zufällig, nein, aufgrund der Menschen und dem Forschungsnetzwerk am Standort. Und hier bin ich. Bis heute.“

Offenes Klima und Pragmatismus

Im März 2012 wird Daniela Dieterich Professorin für Pharmakologie und Toxikologie an der Medizinischen Fakultät, seitdem leitet sie auch das entsprechende Institut. 2020 wird sie erstmals zur Dekanin gewählt. Auf dem Gebiet der Forschung konzentriert sie sich auf synaptische Plastizität in Neuronen und Gliazellen – Grundlagenforschung mit medizinischer Relevanz.

Lesen Sie auch: So blickt Magdeburgs OB Simone Borris auf 35 Jahre Deutsche Einheit

Als Dekanin liegt ihr besonders die Förderung des wissenschaftlichen wie ärztlichen Nachwuchses am Herzen. „Man sagt ja gerne, die Magdeburger sind nicht so ganz zugänglich. Ich widerspreche und sage: Nein, die sind pragmatisch und unglaublich verlässlich“, betont die Wissenschaftlerin. „Hier ist einfach vieles möglich. In der Stadt und auf dem Campus. Ich schätze dieses offene Klima und diesen gesunden Pragmatismus.“

Froh über Systemwechsel von 35 Jahren

Ist Deutschland ein vereintes Land? „Nein“, kommt es Daniela Dieterich sofort über die Lippen. Und sie ordnet ein: „Fragen sie mal die Bayern und die Schwaben, ob die ein vereintes Süddeutschland sind.“ In ihrer Familie wird nicht zwischen Ost und West unterschieden, für ihre Kinder ist das alles gar kein Thema mehr.

Lesen Sie auch: Hier erzählen Magdeburger ihre Geschichte über 35 Jahre Deutsche Einheit

„Wie sehr kann man Geschichte verarbeiten und daraus etwas Positives ziehen?“ Das sei die Frage, die zu stellen ist. Daniela Dieterich ist bis heute froh über den Systemwechsel vor 35 Jahren. „Ich hätte wahrscheinlich einen anderen Weg genommen und wäre heute nicht hier. Und Magdeburg entwickelt sich zu einem immer spannenderen Wissenschaftsstandort und wir sind glücklich hier.“