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Hauptbahnhof Roboter wird in Magdeburg zum Kofferträger

Gleich vier Taschen, abgestellt auf dem Willy-Brandt-Platz, sorgten am Mittwoch in Magdeburg für Aufregung.

Von Franziska Ellrich 20.07.2017, 01:01

Magdeburg l Völlig gestresst kommt am Mittwochvormittag eine junge Frau über den Parkplatz am Willy-Brandt-Platz in Magdeburg gerannt. „Wie komme ich jetzt zu meinem Zug?“, ruft sie fragend in die Runde. Eine freundliche Bahnmitarbeiterin steht sofort bereit und leitet die Frau über den Zugang links vom Hauptgebäude zum Gleis 1. Für die Mitarbeiterin der Bahn gibt es im Vorbeigehen ein Danke und noch ein zugerufenes „Was ist eigentlich passiert?“ Gemeint sind die Dutzenden Polizisten, die den Bahnhofsvorplatz mit rot-weißen Bändern absperren. Den Haupteingang vom Bahnhof und die gegenüberliegenden Ausgänge des City Carrés darf am Mittwoch niemand nutzen. Alle Fahrgäste werden über den Ausgang am Gleis 1 geleitet.

Der Grund: „Herrenlose Koffer, wir warten auf die Bombenentschärfer“, erklärt die Bahnmitarbeiterin. Und die Antwort kommt prompt: „Gibt Schlimmeres, das haben wir in Berlin täglich.“ Auch in Magdeburg ist die Bundespolizei nicht zum ersten Mal im Einsatz, weil Taschen im Bereich des Bahnhofs abgestellt wurden. In den meisten Fällen kennt man den Besitzer vorerst nicht. Beim Großeinsatz am Mittwoch ist das anders. Gegen 10 Uhr kontrollieren Bundespolizisten auf dem Willy-Brandt-Platz einen Mann, der laut schreit und Kinder anspricht. Bei der Kontrolle verhält sich der Mann aggressiv und scheint geistig verwirrt zu sein, sagt Bundespolizeisprecherin Chris Kurpiers. Die Polizisten nehmen den 47-Jährigen in Gewahrsam. Dort soll der Mann sich weiter auffällig benommen und die Polizisten bespuckt haben. Vor allem erklärt er, dass sich in seinen Koffern auf dem Bahnhofsvorplatz „nichts Gutes“ befinde. Diese und weitere verdächtige Äußerungen sorgen dafür, dass die Entschärfer der Bundespolizei angefordert werden.

Nur zwei Stunden später sind die Spezialkräfte vom Flughafen Leipzig vor Ort. Als ihre Arbeit beginnt, muss die Bahnhofsvorhalle evakuiert werden. Die Bahn stellt überall an den Gleisen Mitarbeiter ab. „Wenn es zu solchen Sperrungen kommt, organisiert das Bahnhofsmanagement sofort so viele Kollegen wie möglich“, erklärt Bahnsprecherin Erika Poschke-Frost. Servicekräfte, Auszubildende und Mitarbeiter aus dem Büro würden dann helfen. Einschränkungen im Zugverkehr gibt es am Mittwoch nicht. Die Fahrgäste bleiben ruhig, im Fußgängertunnel des Bahnhofs geht der Betrieb in den Läden weiter.

Draußen fährt derweil ein Bombenentschärfungsroboter über den Platz, er transportiert die Gepäckstücke weg und röntgt deren Innenleben. Wenig später gibt es Entwarnung. In den Taschen befinden sich Kleidung, Briefe, Waschzeug und elektronische Geräte. Im Nachhinein ist klar: Genau diese Elektronik hat die Analyse hinausgezögert. Erst gegen 14 Uhr wird die Sperrung aufgehoben und die Eingänge freigegeben. Der Besitzer der Koffer wird noch am Mittwoch in eine psychiatrische Einrichtung gebracht. Ihn erwartet jetzt ein Strafverfahren wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses.