Magdeburgs Stadtschreiber Hyparschale Magdeburg: Geldverschwendung oder sinnvolle Sanierung?
Rausgeworfenes Geld oder sinnvolle Investition? So denkt Magdeburgs Stadtschreiber Jan-Philipp Dallmann über die Sanierung der Hyparschale.

Magdeburg - Magdeburgs aktueller Stadtschreiber ist nicht nur Autor, sondern auch studierter Architekt. In einem Gastbeitrag für die Volksstimme setzt er sich kritisch mit der millionenschweren Sanierung auseinander. Das ist seine Sicht.
Ulrich Müther, der Schöpfer der Hyparschale, verstorben 2007, machte nicht viele Worte. „Wir träumen manchmal“, gab er vier Jahre vor seinem Tod zu Protokoll: „Der Betonschalenbau. Ganz kaputt ist der noch nicht.“ Im Gegenteil, könnte man sagen – der Betonschalenbau lebt und sieht aus wie neu, jedenfalls in Magdeburg. Davon konnte sich schon im Mai eine Gruppe von Neugierigen überzeugen, die vorab einen Blick ins sanierte Bauwerk werfen durfte. Erstaunlich weite, strahlend weiße Räume öffneten sich, und wer den Weg auf die Galerie gefunden hatte, konnte sich fast fühlen wie in Scharouns Philharmonie. In den Gesichtern der Besucher spiegelten sich Freude und Erstaunen: Sollte das wirklich ihre alte Hyparschale sein, 1997 baupolizeilich gesperrt, seit 20 Jahren eine Ruine?
Eine ähnliche Stimmung aus Rührung und Dankbarkeit erlebte ich, als 1987 die Berliner Kongresshalle wieder öffnete, eingestürzt 1980 und ebenfalls nur knapp dem Abrissbagger entronnen. Der Vergleich ist nicht abwegig: Beide Gebäude sind Schalenbauten aus Spannbeton, wie sie der mexikanisch-amerikanische Architekt Félix Candela (1910-1997) baute, Müthers Vorbild. Sie träumen von einer neuen Zeit, sind Ausdruck einer Utopie, die auf die Möglichkeiten der Technik setzt. Doch wo die Kongresshalle, 1957 ein Geschenk der USA, im Inneren auftrumpfte mit wertvollen Materialien und elegantem Mobiliar, blieb Müthers Bau leer, erinnerte in seiner nüchternen Weite an Messehallen.
Ich gehe den Spuren der Hyparschale nach, und bald stellen sich Fragen. Was ich habe besichtigen dürfen, hat mit dem, was Müther 1969 erbaute, nicht mehr viel zu tun – obwohl die Hyparschale seit 1998 eingetragenes Denkmal ist. Wie kann das sein? Aufgabe des Denkmalschutzes ist es doch, Kulturdenkmale als „Quellen und Zeugnisse menschlicher Geschichte“ zu „schützen, zu erhalten, zu pflegen und wissenschaftlich zu erforschen“, so das Denkmalschutzgesetz. Was genau wurde hier eigentlich erhalten, gepflegt, geschützt? Auf der Homepage des Architekturbüros, das die Sanierung verantwortet, Gerkan, Marg und Partner Hamburg, taucht bei dem Projekt das Wort „Denkmalschutz“ nicht einmal auf. Stattdessen ist davon die Rede, Müthers Halle „wieder(zu)beleben“: „Stahlkonstruktionen und Fassaden im Innenraum knüpfen konstruktiv und gestalterisch an die … industriell geprägte, vertikal betonte Außenfassade aus Stahl und Glas an.“ Nicht nur die Galerien und Blöcke mit Seminarräumen, Café und Toiletten also sind neu, sondern auch die Fassade. Tatsächlich hat ihre ästhetische Wirkung sich gewandelt: Wo sich über einer niedrigen Wand einst eine undurchsichtige Hülle aus Drahtglas anschloss wie bei Turnhallen, öffnen sich nun raumhohe grünliche Verglasungen, eingefasst mit massiven weißen Profilen. Sie entsprechen dem Zeitgeschmack, und gewiss lassen sie sich rechtfertigen durch Wärme- und Schallschutz.
Dennoch machen sie aus Müthers filigraner Halle etwas anderes, geben ihr einen postmodernen Touch, eine Flughafenästhetik. Eine ähnliche Tendenz, die Architektur ästhetisch nachzubessern und dabei auf das Glatte zu setzen, zeigt das Innere: Die Streckmetallgitter, mit denen die Wände verkleidet sind, glänzen ebenso weiß und steril wie Handläufe, Türen, Wände und Deckenpaneele. Weiß, überall weiß, ein weißer Riese an der Elbe.
Wer die Frage stellt, warum Halle so nachhaltig verändert wurde, landet bei Anforderungen der Nutzung, beim Raumprogramm und bei gestiegenen technischen Anforderungen: Wärmeschutz, Klimaschutz, Baunormen. Die Sachzwänge scheinen unhintergehbar. Sie sind es eigenartigerweise aber immer nur dort, wo es um Sanierung von Architektur der Moderne geht. Niemand käme auf die Idee, die Fenster des Magdeburger Doms mit Wärmeschutzverglasung zu versehen. Warum der Furor des Nachbesserns, des Richtigstellens ausgerechnet bei der Hyparschale? Die Antwort findet sich weder in der Technik noch in der Nutzung. Sie hat damit zu tun, was man aus vollem Herzen als Baudenkmal schätzt und nicht verändert.
Was, gerade auch in seinen Mängeln, seinem Zeitgeschmack, als Quelle und Zeugnis menschlicher Geschichte dienen darf. Magdeburg hat eine gut nutzbare, elegante Mehrzweckhalle gewonnen – um den Preis, ein Denkmal der Baukultur der DDR empfindlich verändert zu haben.