Magdeburger des Jahres 2024: Sally Bo Hattar Häusliche Gewalt: Diese Magdeburgerin kämpft für Frauen in Not
Die Volksstimme sucht die Magdeburger des Jahres 2024. Zur Wahl steht auch Sally Bo Hattar, die mit ihrer Website „a safe place“ Spenden für dringend benötigte Plätze im Frauenschutzhaus sammelt. Hier geht es zu Porträt und Abstimmung.
Magdeburg - „Diese Ungerechtigkeit machte mich wütend, ich dachte mir: Das kann man doch nicht einfach so hinnehmen.“ Wenn Sally Bo Hattar über ihre Initiative spricht, ist ihre Energie spürbar. Ihre Stimme ist entschlossen, ihre Gesten untermalen jedes ihrer Worte. Doch trotz dieser Dynamik bleibt ihr Gesichtsausdruck ernst, denn das Thema, das sie so leidenschaftlich verfolgt, ist alles andere als leicht. Die 34-Jährige hat sich einer wichtigen und mutigen Aufgabe verschrieben: Mit ihrer Initiative „a safe place“ unterstützt sie Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind und Zuflucht im Frauenschutzhaus suchen.
Video: Magdeburger des Jahres 2024: Kandidatin Sally Bo Hattar
(Kamera: Romy Bergmann, Schnitt: Anna Lena Giesert)Doch der Schutz hat seinen Preis: Frauen, die Zuflucht suchen, müssen täglich fast 20 Euro für einen Platz im Frauenhaus zahlen. Für jedes zusätzliche Kind kommen noch einmal rund acht Euro pro Tag hinzu, so dass die Frauen mindestens 600 Euro im Monat aufbringen müssen, um in Sicherheit leben zu können.
Frauen zahlen 20 Euro am Tag
Diese hohen Kosten entstehen, weil der Träger des Frauenhauses einen Teil der Ausgaben selbst decken muss – vor allem durch die Wohnkosten. Was eigentlich als notwendiger Schutz dienen sollte, wird somit zu einem Luxusgut, das sich nicht jede Frau leisten kann, obwohl sie dringend auf Hilfe angewiesen ist.
Im vergangenen Jahr wurden in Sachsen-Anhalt insgesamt 7.928 Fälle häuslicher Gewalt gegen Frauen gemeldet. Diese nüchterne Statistik des Landeskriminalamtes ist schwer zu greifen – bis man sich vor Augen führt, was sie bedeutet: Für viele Frauen ist der Ort, der Schutz und Geborgenheit bieten sollte, ein Ort der Angst. Frauenhäuser wie das in Magdeburg bieten ihnen Zuflucht. Im Jahr 2023 fanden dort laut Mitarbeiterinnenangaben fast 60 Frauen mit mehr als 70 Kindern Schutz. Manche von ihnen blieben einen Tag, andere bleiben bis zu zwei Jahre.
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Angst vor Schulden
Doch die Angst vor Schulden überwiegt oft das dringende Bedürfnis, sich in Sicherheit zu bringen – denn für Frauen, die keine Sozialhilfe empfangen, bleibt der Aufenthalt kostenpflichtig. Frauenhäuser wie das in Magdeburg bieten Zuflucht, doch der Schutz ist für viele unerreichbar, wenn sie sich die Kosten nicht leisten können.
Sally Bo Hattar wurde auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam, als sie einen Artikel im Magdeburger präsent-Magazin las. Ihre Reaktion war eine Mischung aus Wut und Empörung: „Ich konnte nicht glauben, dass Frauen, die schon so viel Leid erfahren haben und aus ihrer gewaltsamen Umgebung flüchten, auch noch für ihren Schutz so hohe Summen zahlen müssen“, erzählt sie. Dieser Gedanke ließ sie nicht los, und so beschloss sie zu handeln. „Ich wollte nicht nur einmal spenden, sondern etwas Nachhaltiges schaffen.“
Als freiberufliche Webdesignerin, die auch beim digitalen Stadtmagazin „Magdeboogie“ ehrenamtlich tätig ist, gründete sie unter frauenschutzhaus-magdeburg.de die Website „a safe place“ (zu Deutsch: Ein sicherer Ort). Diese Plattform ermöglicht es Privatpersonen und Unternehmen, Patenschaften für Plätze im Frauenhaus zu finanzieren. Eine Patenschaft kostet 620 Euro – genug, um einer Frau für einen Monat Schutz zu bieten. Seit Mai 2023 sind durch ihre Initiative bereits über 30.000 Euro zusammengekommen, was es ermöglicht, monatlich drei Patenschaften zu finanzieren. Doch der Bedarf ist weitaus größer.
Zu wenig Zimmer
Trotz ihrer Bemühungen bleibt die Situation weiterhin schwierig. Das Magdeburger Frauenhaus ist mit 14 Zimmern zwar die größte Einrichtung ihrer Art in Sachsen-Anhalt, doch auch hier mussten 2023 mehr als 25 Frauen ihre Unterbringung selbst finanzieren. „Das ist eine Ungerechtigkeit, die mich wirklich wütend macht“, sagt Sally. Sie setzt sich weiterhin dafür ein, dass mehr Frauen in Sicherheit leben können, ohne sich gleichzeitig mit finanziellen Sorgen plagen zu müssen.
Die Spenden sollen nicht nur den Frauen im Frauenhaus Sicherheit bieten, sondern auch den Mitarbeiterinnen, deren Arbeitsbelastung in den letzten Jahren gestiegen ist. „Es ist für die Mitarbeiterinnen eine Entlastung, wenn sie Frauen, die sich keine Unterkunft leisten können, mitteilen können, dass es hierfür eine Lösung gibt.“
Die Arbeit ist hart, und die Geschichten, die Sally durch ihre Tätigkeit hört, belasten sie. Doch sie ist fest davon überzeugt, mit ihrem Engagement die Welt ein kleines bisschen besser zu machen: „Wenn man sich die große weltpolitische Lage, die Flüchtlingsströme oder auch den Klimawandel anschaut, kann man meiner Meinung nach zwei Dinge tun: Man kann sich entweder dafür entscheiden, dass es einen nicht interessiert und sich einfach abschotten. Oder man kann sich etwas suchen, wo man selber eine Wirksamkeit hat – also sich einen kleinen Teil suchen, in dem man wirklich etwas bewirken kann.“