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Interview zum Jahreswechsel Magdeburgs Oberbürgermeisterin zu bröckelnden Brücken

Im letzten Teil des Interviews zum Jahreswechsel mit Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris geht es um die Zukunft der wichtigsten Verkehrsader der Stadt, die bessere Integration von Zuwanderern und realistische Hoffnungen auf einen ICE-Anschluss.

Von Rainer Schweingel 09.01.2025, 06:10
Der Magdeburger Ring mit seinen Brücken ist das größte und teuerste Sorgenkind der Magdeburger Straßen. Der Sanierungsbedarf ist noch nicht genau beziffert, dürfte aber in den dreistelligen Millionenbereich gehen. Die Ringbrücke über die Halberstädter Straße gehört zu den Sanierungsfällen. Seit Jahren wechseln hier immer wieder die Baustellen und Verkehrsführungen.
Der Magdeburger Ring mit seinen Brücken ist das größte und teuerste Sorgenkind der Magdeburger Straßen. Der Sanierungsbedarf ist noch nicht genau beziffert, dürfte aber in den dreistelligen Millionenbereich gehen. Die Ringbrücke über die Halberstädter Straße gehört zu den Sanierungsfällen. Seit Jahren wechseln hier immer wieder die Baustellen und Verkehrsführungen. Archivfoto: Sabine Lindenau

Magdeburg. - Magdeburg befindet sich weiter im Wandel. Vor dem Hintergrund knapper Kassen müssen aber Schwerpunkte gesetzt werde. Radverkehr, neue Brücken, mehr Menschen in Arbeit bringen - gehören zu den Fragen, auf die Antworten gesucht werden. Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos) bezieht Stellung im traditionellen Jahreswechselinterview.

Fachkräftemangel ist in der Wirtschaft ein großes Schlagwort. Manche sehen in einer gezielten Zuwanderung oder Personen aus dem Kreis der Asylbewerber eine Lösung. Sie auch? Simone Borris: Ich bin für eine geordnete Zuwanderung in den Arbeitsmarkt und auf der anderen Seite auch für etwas mehr Druck für eine Arbeitsaufnahme. Von der Zuwanderung aus der Ukraine hatte ich mir beispielsweise mehr erhofft.

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Wie könnte solch ein Druck aussehen? Man könnte Gesetze ändern und Bürgergeld zum Beispiel nur befristet auszahlen. Und in der Zeit hat man einfach die Pflicht, sich dem Arbeitsmarkt anzubieten. Es gibt auch viele gute Beispiele wie im ärztlichen oder pflegerischen Bereich zum Einsatz ausländischer Fachkräfte, ohne die manche Krankenhäuser oder Heime nicht mehr betriebsfähig wären. Wir brauchen also Zuwanderung, aber grundsätzlich muss die Zuwanderung gesteuert stattfinden, damit Integration gelingen kann

Beim Blick auf die Arbeitslosenquote in Magdeburg mit knapp neun Prozent fällt auf, dass ihr Hunderte freie Stellen gegenüberstehen. Warum passt das Ihrer Meinung nach nicht zusammen? Das ist leider schon länger so. Auf die freien Stellen passt nicht jeder Bewerber. Manchmal liegt das auch daran, dass die Anforderungen für Bewerber einfach zu hoch gesetzt werden. Da nehme ich unsere Verwaltung nicht aus. Oft müsste ich die Ausschreibung viel offener gestalten, darf es aber nicht. Stattdessen sollte man mehr Augenmerk auf Einarbeitung und Qualifizierung legen. Es wird auch in Zukunft immer schwerer werden, den vollausgebildeten Experten für jede Stelle zu finden. Wir alle sollten in Zukunft an die Aufgabe viel moderater heran gehen.

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Mal ein weiterer Blick aufs Bürgergeld. Den einen ist es zu niedrig. Die anderen sagen es ist zu hoch und lädt zu Missbrauch ein. Was sagen Sie? Über die Höhe möchte ich mich nicht äußern. Die wird wissenschaftlich begleitet über einen Modell-Warenkorb ermittelt. Ich finde nur den Abstand zu jemandem, der arbeiten geht, der passt oft nicht.

Ist das Bürgergeld dann doch zu hoch oder der Lohn zu niedrig? Die Bedingungen, wann ich Bürgergeld bekomme, die müssten verschärft werden. Bei der Einführung wurde viel von Fordern und Fördern gesprochen. Ich sehe im Moment zu viel Fördern und zu wenig Fordern.

Stichwort Verkehr. Mit Tunnel und Brücke haben wir gerade zwei teure Großprojekte hinter uns. Jetzt bröckelt fast jede Ringbrücke, auf den ersten wurden schon Fahrspuren verringert. Bricht Magdeburgs wichtigste Verkehrsader bald zusammen? Es ist schon viele Jahre bekannt, dass da Sanierungsbedarf auf uns zukommt. Wegen des Einsturzes der Carolabrücke sind wir alle noch vorsichtiger geworden. Die Sanierung wird eine riesengroße Herausforderung und Belastung. Und sie wird die Nerven der Magdeburger strapazieren. Ich möchte aber auch nicht, dass etwas passiert – und ich habe es zu verantworten. Die Fachleute haben angeraten, sofort tätig zu werden. Deswegen gibt es die Einschränkungen. Die tatsächliche Gefährdung soll nun noch mal mit weiteren Tiefenprüfungen ermittelt werden. Unabhängig davon habe ich den Bund aufgefordert, ein Förderprogramm für solche Brückensanierungen aufzulegen. Von dem porösen Hennigsdorfer Stahl sind, so glaube ich, ja vor allem Bauten in Ost-Kommunen betroffen. Deswegen habe ich auch den Städtetag und den Ost-Beauftragen angeschrieben.

Das Land hat den Städten mehr Freiraum bei der Gestaltung von Parkgebühren gegeben. Magdeburg wird das nutzen. Nun fordern die ersten, Parkgebühren nach Größe der Autos zu erheben. Was halten Sie von solchen Ideen? Davon halte ich überhaupt nichts. Sollen die Leute dann keine größeren Autos mehr kaufen – und machen die das dann auch? Es gibt ja oft auch Gründe, warum Leute größere Autos fahren, von denen viele übrigens nur höher und nicht länger sind. Da muss es andere Maßnahmen geben. Ich würde da auch mal auf das Anwohnerparken schauen.

Die Diskussion um den möglichen Bau einer dritten Elbbrücke im Süden der Stadt wurde zuletzt mit dem Hinweis abgewehrt, man wolle die Einweihung des neuen Strombrückenzuges abwarten und dann prüfen, wie sich die Verkehrsströme entwickeln. Der Brückenzug ist nun ein halbes Jahr offen. Welche Erkenntnisse liegen vor? Ich komme selber aus Ostelbien und konnte keine nennenswerten Probleme feststellen. Die Evaluierung der Verkehrsströme läuft noch durch das Bauamt. Grundsätzlich gilt aber: Der Bau einer dritten Elbbrücke würde Jahre für Finanzierung, Planungen und Bau in Anspruch nehmen, ganz abgesehen von den Einschränkungen im Verbund mit anderen Baumaßnahmen im Süden.

Warum werden Baustellen nicht besser koordiniert? Der Baustellenkoordinator kann selbst keine Baustellen koordinieren, sondern schaut in der Sperrkommission mit auf die einzelnen Sperranträge, dass es keine unverantwortbaren Zustände gibt. Zusätzlich wollen wir jetzt noch einen Projektmanager im Amt beschäftigen, um bei größeren Maßnahmen die Unternehmen zusammenzuführen und deren Pläne und Vorhaben abzugleichen.

Mancher würde ja gern zumindest im Fernverkehr auf die Bahn umsteigen. Magdeburg ist aber die bundesweit einzige Landeshauptstadt ohne ICE-Anschluss. Haben Sie noch eine realistische Hoffnung auf Änderung – und was kann eine OB wie Sie dazu beitragen? Ich nerve in dieser Angelegenheit an jeder sich bietenden Stelle. Unsere Landesverkehrsministerin unterstützt uns da auch. Aber das Argument der Bahn lautet immer: Das Streckennetz ist dafür nicht geeignet. Man bräuchte da auch Unterstützung aus Sachsen und Thüringen. Aber ob man die bekommt und man dann den Wunsch beim Bundesverkehrsministerium durchbekommt, ist unklar. Es ist deshalb illusorisch, das schnell ändern zu können. Aber ich bleibe dran.

Zum Verkehr auf zwei Rädern: Magdeburg eignet sich von Größe und Topografie gut zum Fahrradfahren. Die Fahrradfahrer beklagen aber, dass viel zu wenig für ihre Belange getan wird. Haben sie Recht? Naturgemäß sind die Wünsche immer größer, als was leistbar ist. Zunächst sind auch Investitionen für Radfahrer eine Frage der Finanzen. Zudem kann man eine Autostadt nicht von heute auf Morgen zur Fahrradstadt umwandeln. Trotzdem ist schon viel passiert. Wir haben momentan die Radverkehrskonzeption in der Überarbeitung. Ich muss alle Verkehrsarten im Blick haben. So sind einige Straßen auch für die Autofahrer nicht gut genug, zum Beispiel in Fermersleben. Es ist wie in vielen Bereichen: Man muss abwägen und schauen, wo das weniger werdende Geld mit dem größten Effekt eingesetzt werden kann.

Der Bund hat es Städten durch Regelungen es leichter gemacht, Tempo 30-Zonen auszuweisen. Wie werden Sie diese neue Freiheit nutzen – auch vor dem Hintergrund des Klimaschutzes? Wir sind dieser Forderung ja damals beigetreten. Ich halte aber nichts davon, die ganze Stadt zur Tempo 30-Zone zu erklären oder die Geschwindigkeit auf dem Ring drastisch zu reduzieren. Vor Schulen, Kitas oder Pflegeheimen haben wir schon viele sinnvolle Zonen eingerichtet. Ein Modell für alle Teile der Stadt ist das aber für mich nicht.