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Puppentheater Nathans Kinder kämpfen in Magdeburg um die Liebe

„Nathans Kinder“ hatte am Sonnabend zur Eröffnung der Spielzeit des Puppentheater Magdeburg Premiere. Die neue Intendantin hat als Einstand auf die Bühne gebracht.

Von Martin Rieß Aktualisiert: 18.09.2023, 21:02
„Nathans Kinder“ mit Sabine Schramm war die erste Premiere des Magdeburger Puppentheaters in der neuen Spielzeit. In einer Verbindung von Puppen- und Schauspiel entwickelt Sabine Schramm auf der Bühne fünf Figuren als One-Woman-Show für eine Puppenspielerin, drei stilisierte graue Stühle und eine Handvoll lauter Popsongs
„Nathans Kinder“ mit Sabine Schramm war die erste Premiere des Magdeburger Puppentheaters in der neuen Spielzeit. In einer Verbindung von Puppen- und Schauspiel entwickelt Sabine Schramm auf der Bühne fünf Figuren als One-Woman-Show für eine Puppenspielerin, drei stilisierte graue Stühle und eine Handvoll lauter Popsongs Foto: Viktoria Kühne/Puppentheater

Magdeburg - Mit „Nathans Kinder“ hat sich das Puppentheater Magdeburg als Start eines Klassikers angenommen: Hier wird Gotthold Ephraim Lessings „Nathan der Weise“ adaptiert. Auf der Bühne agiert in dem Solostück mit einer Dauer von etwas mehr als einer Stunde Sabine Schramm, neue Intendantin des Puppentheaters Magdeburg. Bereits in ihrer vorherigen Tätigkeit, als Leiterin der Sparte Puppentheater am Theater Altenburg Gera, war sie auf dessen Bühnen mit dem Stück zu erleben.

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Neuer Fokus auf dem klassischen Stoff

Verändert ist in diesem Stück der Fokus: Im Mittelpunkt stehen der junge Kreuzritter Kurt und Recha, Ziehtochter von Nathan, dem reichsten jüdischen Kaufmann in Jerusalem.

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Kurz nachdem Kurt vom Sultan kurz vor der Hinrichtung das Leben geschenkt bekommen hat, rettet er Recha aus einem brennenden Haus. Als er erfährt, dass es sich um das Haus eines Juden handelt, ist er zunächst wenig begeistert. Und doch entspinnt sich zwischen den beiden erste Zuneigung, später dann Liebe. Dies aber in einer Umgebung, die alles andere als offen für eine solche Beziehung ist: Liebe zwischen einem jungen Christen und einem jüdischen Mädchen? Das geht ja gar nicht, so die mächtigen Vertreter der drei großen Religionen, für die Jerusalem ein heiliger Ort ist.

Machtspiele der Autoritäten

Als Autoritäten agieren hier der muslimische Sultan, der christliche Bischof und eben Nathan für das Judentum – zwar kein Machthaber im politischen oder religiösen Sinne, dank ökonomischer Macht aber eben doch mit großem Einfluss.

Sabine Schramm verkörpert dabei Nathan selbst, während sie für den Sultan und den Bischof Figuren zum Einsatz bringt. Diese beiden sind menschengroß, werden von ihr brillant geführt. Sabine Schramm gelingt es mit ihrem Spiel, gerade diese beiden Figuren zum Leben zu erwecken.

Hinter allem steht die Gier nach Macht und Einfluss

Hinter dem Beharren darauf, die alleinig wahre Religion zu vertreten, blitzt in der Inszenierung immer wieder hervor, worum es dem Bischof und dem Sultan in erster Linie geht: um Macht. Beide schrecken nicht einmal davor zurück, den jungen und zunehmend ratlosen Kreuzritter Kurt in ihre Mordintrigen gegen den jeweilig anderen einbinden zu wollen.

Und die beiden jugendlichen Protagonisten? Nicht zufällig spielt Sabine Schramm hier mit kleiner gehaltenen Puppen. Diese lassen sich zwar nicht so lebensnah spielen wie Bischof und Sultan. Doch diese Entscheidung hat Sinn. Denn mit den kleineren Puppen wird auch optisch unterstrichen, wie übermächtig die Vertreter der Religionen und die Welt der Erwachsenen erscheinen.

Hier macht auch Nathan keine Ausnahme, denn er ist es ja, der seine Tochter zunächst auch vom Fremden in Form des Kreuzritters Kurt fernhalten möchte. Ohne Zweifel voller Ironie und Humor versucht Nathan dabei, ihre ursprüngliche Überzeugung, nicht von einem Kreuzritter, sondern von einem Engel gerettet worden zu sein, auszunutzen.

Was aus der Ringparabel wurde

Es wäre kein Stück um Nathan den Weisen, wenn nicht auch die Ringparabel thematisiert würde: Drei Ringe stehen hier für die Religionen. Für die Menschen sind sie nicht zu unterscheiden, so dass sie nicht erkennen können, welches die wahre Religion ist. Mehr noch: Sie können nicht einmal erkennen, ob es die einzig wahre Religion überhaupt gibt. In dem Stück von Ulrich Hub werden die Zuschauer aber gleichermaßen vor die Frage gestellt: Reicht diese Erkenntnis und dieser Appell an die Toleranz heute noch aus?

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Fragen wie diese sind es auch, die „Nathans Kinder“ auch heute sehenswert machen. Denn auch wenn den meisten heute klar ist, dass sich die Menschen in ihrem Kern im Guten wie im Schlechten gleichen – ein Blick auf die Konflikte in Deutschland und in der Welt zeigt, dass dies eben nicht bei allen angekommen ist. Und selbst wenn an vielen Stellen Fragen rund um religiöse oder kulturelle Unterschiede nur vorgeschoben sind – sie sind es doch oft, mit denen Mächtige andere Menschen manipulieren und versuchen, sie auf diesem Wege zu Werkzeugen für ihre persönlichen Interessen zu machen.

Vorerst noch zwei Vorstellungen

Vorerst sind noch zwei weitere Vorstellungen für „Nathans Kinder“ im Puppentheater Magdeburg in der Warschauer Straße 25 für den 19. und 20. September 2023 jeweils um 10 Uhr geplant. Zum Redaktionsschluss waren noch Karten erhältlich.