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Klinikum Magdeburg Patienten-Recht: So läuft das Verfahren für Zweitmeinungen ab

Das Klinikum Magdeburger hat nun ein Zweitmeinungszentrum. Dort können Patienten von ihrem Recht Gebrauch machen, sich vor einem Eingriff eine weitere Fachmeinung einzuholen. Wo der Verband der Ersatzkassen eine Problematik sieht und wann die Krankenkasse die Zweitmeinung nicht übernimmt.

Von Lena Bellon Aktualisiert: 04.10.2023, 11:29
Bei planbaren und größeren Eingriffen haben Patienten das Recht auf eine ärztliche Zweitmeinung. Im Klinikum Magdeburg gibt es dafür jetzt ein Zweitmeinungszentrum, aber auch in anderen Kranklenhäusern in Magdeburg ist die Beratung möglich.
Bei planbaren und größeren Eingriffen haben Patienten das Recht auf eine ärztliche Zweitmeinung. Im Klinikum Magdeburg gibt es dafür jetzt ein Zweitmeinungszentrum, aber auch in anderen Kranklenhäusern in Magdeburg ist die Beratung möglich. Symbolfoto: Gerhard Seybert

Magdeburg - Ist der Eingriff an der Wirbelsäule wirklich notwendig? Gibt es vielleicht einen anderen Ausweg als die Entfernung der Gallenblase? Für Fragen wie diese gibt es für gesetzlich versicherte Menschen in Deutschland das Recht auf eine ärztliche Zweitmeinung. Das Klinikum Magdeburg hat daher nun ein Zweitmeinungszentrum erschaffen.

Ziel soll ein niederschwelliges Angebot sein, um vor planbaren Eingriffen eine zweite Expertenmeinung einzuholen. Jedoch steht nicht jedem rechtlich eine Zweitmeinung zu.

Zweitmeinung per E-Mail einholen

„Es war schon seit Jahren möglich, sich im Klinikum bei Fachärzten eine Zweitmeinung einzuholen. Jetzt haben wir das Angebot ausgeweitet“, erklärt Marc Raschke. Er ist in der Beratung der Unternehmenskommunikation im Klinikum Magdeburg tätig.

Patienten, die sich dort eine zweite Meinung vor einem Eingriff einholen wollen, können an eine speziell eingerichtete E-Mail-Adresse schreiben. Daraufhin erhalte der Patient in der Regel eine Einladung zur Untersuchung und weitere Informationen, was mitgebracht werden muss.

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Die Wartezeit hinge stark vom Fachbereich ab, jedoch sei es nicht mit dem „Warten auf einen Facharzttermin“ vergleichbar. Je nach Fall könne auch eine telefonische Beratung stattfinden, wenn zum Beispiel Röntgenbilder vorliegen.

Zweite Expertenmeinung: Rechtliche Lage für Patienten

Was nach einer einfachen Lösung zur Absicherung klingt, ist rechtlich etwas komplizierter. Denn nicht in jedem Fall übernehmen die Krankenkassen auch die Kosten dafür.

Ein rechtlicher Zweitmeinungsanspruch besteht aktuell bei den folgenden Eingriffen: Amputation beim diabetischen Fußsyndrom, Eingriff an Gaumen- oder Rachenmandeln, Eingriff an der Wirbelsäule, Gallenblasenentfernung, Gebärmutterentfernung, Gelenkspiegelungen an der Schulter, Herzkatheteruntersuchung und Verödungen am Herzen, Implantation eines Herzschrittmachers oder eines Defibrillators sowie bei der Implantation einer Knieendoprothese.

„Dieser Katalog ist in der Weiterentwicklung. Einzelne Krankenkassen bieten auch heute schon mehr als die Leistungen des Kataloges an – dies ist der jeweiligen Satzung der Krankenkasse zu entnehmen“, erklärt Klaus Holst, Leiter des Verbands für Ersatzkassen (Vdek)-Landesvertretung Sachsen-Anhalt.

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In dem Zweitmeinungszentrum sieht er Vor- und Nachteile: „Das Einholen von Zweitmeinungen ist grundsätzlich sinnvoll, wenn es um erhebliche Eingriffe geht und Zweifel an deren Notwendigkeit bestehen. Die Zweitmeinung kann auch helfen, Fehler bei Diagnose und Therapie zu minimieren.“

Kritik von Ersatzkassen-Verband: Neutralität der Ärzte nicht immer gegeben

Ein weiterer Vorteil sei für Patienten gegeben, die nicht im Klinikum behandelt werden sollen, aber Vertrauen in die dortige Ärzteschaft hätten. Für sie sei das Zentrum ein kurzer Weg zur Beratung. „Meines Erachtens bedarf es auch keines ,Zentrums’, um einen Experten für eine ausgewählte Behandlung zu finden“, sagt der Vdek-Leiter. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung führe im Internet eine Liste von Experten, bei denen eine Zweitmeinung eingeholt werden kann.

Einen deutlichen Nachteil benennt Klaus Holst ebenfalls: „Kritisch sind Fälle zu sehen, in denen die Behandlung im Klinikum Magdeburg vorgesehen ist und dann via Zweitmeinung im Haus selbst bestätigt werden soll. Hier wäre nach meinem Dafürhalten die Unabhängigkeit und Neutralität der zuständigen Ärzte nicht gegeben.“ In diesem Fall würde es sich laut des Leiters um ein „In-sich-Geschäft“ handeln, über das sich das Haus seine eigenen Fälle ergänzend mit der Vergütung für die Zweitmeinung bezahlen ließe.

Will das Magdeburger Klinikum nur Patienten gewinnen?

Auf Nachfrage erklärt Marc Raschke: „Das ist zwar theoretisch möglich, aber nicht unbedingt so vorgesehen. Zumal oft in komplizierten Fällen sowieso ein weiterer Facharzt aus dem Haus hinzugezogen wird.“ Ebenfalls könnte der Eindruck entstehen, dass das Klinikum durch das Zweitmeinungszentrum, das es offiziell seit September dieses Jahres gibt, hauptsächlich Patienten für sich gewinnen will.

Marc Raschke dazu: „Ich verstehe, woher dieser Gedanke kommen kann. Möglich ist das definitiv. Jedoch ist das Zentrum für eine Beratung gedacht und nicht dafür, gleich etwas zu unterschreiben.“ Genauso könnten Patienten des Klinikums schließlich auch die Beratung bei anderen Ärzten suchen und sich dort weiter behandeln lassen. Im Vordergrund des Zentrums soll die fachliche Beratung der Patienten stehen.

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Aber auch nicht jeder Arzt oder jede Ärztin kann die Patienten hinsichtlich einer Zweitmeinung beraten, wie der Gemeinsame Bundesausschuss (B-GA) informiert. „Die Richtlinie regelt auch, über welche besonderen Qualifikationen zweitmeinungsgebende Ärztinnen und Ärzte verfügen müssen und welche genauen Aufgaben sie haben.

Entsprechend qualifizierte Ärztinnen und Ärzte können bei ihrer Kassenärztlichen Vereinigung eine Genehmigung beantragen, Zweitmeinungsleistungen abrechnen zu dürfen“, heißt es vom G-BA. Zudem dürften keine Interessenkonflikte vorliegen, die einer Unabhängigkeit der Zweitmeinung entgegenstehen.

Zweitmeinung in Magdeburger Krankenhäusern

Qualifizierte Ärzte für Zweitmeinungen gibt es in Magdeburg nicht nur im Klinikum – nur als Zentrum bezeichnet sich in der Stadt keine weitere Einrichtung. Das Krankenhaus St. Marienstift berichtet auf Volksstimme-Nachfrage, dass die Klinikfachärzte seit vielen Jahren Patienten beraten, die operiert werden müssen und daher auf der Suche nach einer Zweitmeinungen sind.

Auch am Universitätsklinikum können Patienten sich eine Zweitmeinung einholen, wie Pressesprecherin Ögelin Düzel mitteilt. Ein Zweitmeinungszentrum sei jedoch aktuell nicht geplant. Die Pfeifferschen Stiftungen haben bis Redaktionsschluss zu ihrem Umgang mit Zweitmeinung keine Antwort gegeben.

„Mein persönlicher Rat für Patienten auf der Suche nach einer Zweitmeinung ist, dass diese sich, wenn möglich, von einem Spezialisten aus dem ambulanten Bereich beraten lassen, der keine Beziehungen zu dem behandelnden Krankenhaus hat“, sagt Klaus Holst abschließend. Auf diese Weise wäre zum einen der Blick aus dem ambulanten Bereich gegeben und zum anderen finanzielle Interessen definitiv ausgeschlossen.