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Messergebnisse Streit um Nitratwerte in Brunnenwasser

In Oschersleben gesammeltes Brunnenwasser hat erhöhte Nitratwerte aufgezeigt. An den Messmethoden werden jedoch Zweifel geäußert.

Von Sebastian Pötzsch 31.07.2017, 01:01

Oschersleben l Laut Diplomphysiker Harald Gülzow sind in den Proben viel zu hohe Nitratwerte festgestellt worden. „In fast der Hälfte, nämlich 44 Prozent, lag die Nitratkonzentration oberhalb des Grenzwertes der deutschen Trinkwasserverordnung von 50 Milligramm pro Liter“, teilte der Vereinssprecher mit.

Insgesamt sei bei der Untersuchung das Wasser aus 27 privat genutzten Brunnen aus Oschersleben, Eilsleben, Hötensleben, Gröningen und Hakeborn analysiert worden. Die Mitglieder des Vereins „VSR-Gewässerschutz“ fanden bei den Untersuchungen 155 Milligramm Nitrat pro Liter in einem privat genutzten Brunnen in Klein Oschersleben. Weitere mit Nitraten stark verschmutzte Brunnen stellten die Umweltschützer auch in Wackersleben mit 107 Milligramm pro Liter, in Ausleben mit 70, in Barneberg mit 104 sowie in Eilsleben mit 81 Milligramm pro Liter fest.

„Das Wasser ist wegen der Überschreitung des Grenzwertes der Trinkwasserverordnung nicht mehr zum Trinken geeignet. Besonders wichtig ist außerdem, dass derart belastetes Wasser nicht zum Befüllen von Fischteichen genutzt werden kann“, betonte Harald Gülzow. Es bestehe die Gefahr, dass es zur Massenvermehrung von Algen kommt. Diese könnten beim Absterben zum Fischsterben führen. Ferner komme es beim Bewässern von Beeten mit nitratbelastetem Grundwasser zu einer zusätzlichen Nitratzufuhr. „Diese muss bei der Düngung dringend beachten werden, damit es nicht zu einer unnötigen Nitratanreicherung in der Pflanze kommt“, beschrieb der Physiker.

Außerdem forderte der Naturschützer: „Gerade bei den starken Belastungen im Grundwasser muss in der regionalen Landwirtschaft eine noch höhere Effizienz beim Düngen erfolgen als in den nicht belasteten Regionen.“ In der im Februar verabschiedeten novellierten Düngeverordnung würden der sachsen-anhaltischen Landesregierung verschiedene Möglichkeit eröffnet. „Den Politikern war klar, dass die Vorgaben der Düngeverordnung in Gebieten mit zu hohen Nitratbelastungen nicht ausreichen werden, die Belastungen zu verringern“, schätzte er ein.

Nun fordert Harald Gülzow einen gesetzlichen Rahmen, „damit sich der Stickstoffüberschuss noch deutlicher verringern wird.“ Dazu müssten statt der Schätzung der Nährstoffgehalte mehr Messungen erfolgen. „Wenn Landwirte nicht wissen, wie hoch der Stickstoffgehalt im Boden wirklich ist, wird zwangsläufig schnell zu viel gedüngt. Aus diesem Grund wäre die Bestimmung des Bodenstickstoffgehaltes auf Ackerland eine sinnvolle Maßnahme“, schlug er vor.

Auch die Schätzwerte, wie hoch der Stickstoffgehalt der Gärreste aus Biogasanlagen ist, seien zu ungenau und zu groß die Unterschiede in den einzelnen Anlagen. Durch eine Messung des Stickstoffgehalts werde deutlich, wie viel wirklich auf die Felder gelangt.

„Der Bürger hat ein Recht auf sauberes Wasser. Da es für die Wasserversorger in der Zukunft immer aufwendiger wird, Wasser zu liefern, das den Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat je Liter einhält, werden die Preise für Leitungswasser steigen“, schätzte Gülzow ein. Besonders ärgerlich sei, dass viele Bürger heute schon wegen der starken Grundwasserbelastung im Garten immer häufiger Leitungswasser nutzen müssten.

„Damit in Zukunft die Nitratbelastungen im Grundwasser abnehmen, bedarf es ein Umdenken bei den Landwirten und landwirtschaftlichen Verbänden“, so der Vereinssprecher. Außerdem forderte er von der Landesregierung zusätzliche Maßnahmen zur Verringerung der Belastung aus der Landwirtschaft - wie in der novellierten Düngeverordnung vorgesehen – zu verankern.

Laut dem Bauernverband Börde trifft Landwirte allerdings keine Schuld an belasteten Grundwässern. Der Vorsitzende des Bauernverbandes „Börde“, Urban Jülich, bezeichnete die aktuelle Diskussion als „unseligen Nitrat–Hype“, der „endlich wieder auf die sachliche Ebene“ gezogen werden müsse. „Das Nitrat, welches heute an den Messstellen ankommt, trat seine Reise ins Grundwasser vor vielen Jahren an. Der Bauer, der jetzt die Gerste erntet, ist nicht der Verursacher“, ließ Jülich per Pressemitteilung verlauten.

Ferner seien die Brunnenwasseruntersuchungen des Vereins „VSR“ nicht geeignet, über das Trinkwasser der Region Auskunft zu geben, „denn es gibt keine Zertifizierungsnachweise des Labors, Informationen zur Messtechnik und keine aktuellen Messdaten auf den Internetseiten“, erklärte der Verbandschef. So spricht Urban Jülich dem Verein „VSR“ offensichtlich die Professionalität ab: „Das Vertrauen der Bürger sollte zertifizierten Laboren gelten; zur Bewertung des Schutzgutes Grundwasser gibt es Messstellen, die in Sachsen-Anhalt vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz, insbesondere dem Gewässerkundlichen Landesdienst, überwacht werden“, sagte er. Entnommene Proben würden von einem zertifizierten Labor nach DIN-Verfahren analysiert und aufgezeichnet. Beim Landesamt für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft könnten die aktuellen Grund- und Oberflächenwassermessungen auf der Internetseite angesehen oder dort abgefragt werden. Einzelmessungen in oft stark belasteten, weil viel gedüngten Kleingartenanlagen, bildeten dagegen nicht den Zustand des Grundwassers ab.

Die Ausbringung von Gülle mit „Jauchekaupen“ wie immer wieder auf veröffentlichten Fotos zu sehen, sei längst verboten. Jeder Landwirt müsse jährlich Bodenproben an zertifizierte Labore liefern. So könne anschließend zielgenau und jeweils nach aktuellen Bodenwerten abgemessen, Gülle mit Schläuchen oder Dünger mit Spritzen ausgebracht werden. „Pflanzen nehmen nur den Stickstoff auf, den sie zum Wachstum benötigen. Die neue Düngeverordnung ist ein weiterer sehr entscheidender Schritt zu noch effektiverer Düngung in der Landwirtschaft“, betonte Jülich.

Aktuelle Werte der zuständigen Landesbehörden zeugten von einer immer besser werdenden Grundwasserqualität. „Diese Listen belegen keinen sonderlich erhöhten Wert für die Börde, eine der am intensivsten landwirtschaftlich genutzten Flächen Deutschlands“, bekräftigte der Verbandschef.

 

Informationen zum Verein „VSR Gewässerschutz“ gibt es auf www.VSR-Gewässerschutz.de  oder per e.Mail brunnen@vsr-gewaesserschutz.de .