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Förderschule im Kreis Stendal Wenn jeder Tag eine Herausforderung ist

Peter Neumann ist seit 1993 Lehrer an der Förderschule in Erxleben. Jetzt geht der 66-Jährige in Rente. Er wollte aus gutem Grund nie woanders arbeiten.

Von Astrid Mathis 27.01.2025, 23:30
Peter Neumann leitete jahrelang die Förderschule in  Erxleben. Jetzt geht der gebürtige Rostocker in Rente.
Peter Neumann leitete jahrelang die Förderschule in Erxleben. Jetzt geht der gebürtige Rostocker in Rente. Foto: Astrid Mathis

Erxleben. - Peter Neumann war seit 1993 an der Förderschule im Altmarkdorf Erxleben bei Osterburg Lehrer. Jetzt wurde der jahrelange Schulleiter in den Ruhestand verabschiedet.

„Ich war nur kommissarisch Leiter“, stellt der 66-Jährige sofort richtig. Mal ging eine Kollegin in Mutterschutz, mal wechselte die Leitung die Schule. Immer sprang Peter Neumann ein. Und das tat er gerne. Als Lehrer für geistig behinderte Menschen sah er sich zu seiner Schulzeit allerdings nicht. „Ich fing in Rostock an zu studieren, meiner Geburtsstadt“, erzählt Neumann. Als Nebenjob arbeitete er an einer Klinik wie Uchtspringe, an der er am Wochenende und in Nachtschichten Jugendliche und Erwachsene betreute.

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Seine ruhige Art kam gut an. Mit dem Umzug seiner Familie nach Osterburg orientierte er sich um. Neumann wurde am 1. Januar 1987 Mitarbeiter der „Förderstätte für förderfähige schulbildungsunfähige Kinder und Jugendliche“ in der Bahnhofstraße neben Bäcker Abraham in Osterburg, die dem Gesundheitsamt untergeordnet war und nicht dem Schulamt. „Man musste vom Kreisarzt delegiert werden“, berichtet Neumann. „Ich habe mir diese Arbeit bewusst ausgesucht.“ Im ersten Jahr nach der Wende befand sich die Förderstätte noch unter den Fittichen der Lebenshilfe. 1991 wurde sie in Schule umbenannt und zog nach der Abwicklung des ehemaligen Stasi-Gebäudes in der Thälmann-Straße dorthin. Dazu gehörte das heutige Wohnheim der Lebenshilfe. Am Wochenende ging es vom Internat für die Schüler nach Hause. „In kleinen Gruppen haben wir Lebenstüchtigkeit unterrichtet – vom Zähneputzen bis zum Lesen und Schreiben –, um irgendwann als Erwachsener selbstständig leben zu können“, beschreibt der Lehrer seine Arbeit. Mit Geld umzugehen, einen Garten anzulegen und die Freizeit sinnvoll zu gestalten, gehöre ebenfalls dazu.

Auf Klassenfahrt zur Ostsee

Eine Bereicherung sieht Neumann in Klassenfahrten. „Manche haben noch nie vorher die Ostsee gesehen oder waren ganz erstaunt, dass im Sommer auf den Bergen in Bayern Schnee liegt“, erzählt Peter Neumann. Ja, was die Kinder und Jugendlichen im Alter von 6 bis 18 Jahren lernen, ist für sie keine Selbstverständlichkeit. „Hilf mir, es selbst zu tun“ ist auf einem Bild in der Schule zu lesen. Das sagt eigentlich schon alles.

An die Wende erinnert sich Peter Neumann als eine Zeit des schulischen Umbruchs. Die Polytechnische Oberschule „Ernst Thälmann“ in Erxleben wurde aufgelöst, wurde Grundschule. „Wir wussten gar nicht, wie Unterricht ablaufen soll, hatten keinen Lehrplan“, blickt er zurück. „Also fuhren wir in die alten Bundesländer, hospitierten in Tagesbildungsstätten und erarbeiteten Rahmenrichtlinien.“ Das Gebäude in der Thälmann-Straße in Osterburg war als Schule denkbar ungeeignet, die Büroräume wirkten als Unterrichtsräume zu klein. Dazu kam noch die Treppe, die körperlich Behinderten den Zugang erschwerte.

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Hans-Jürgen Ahrend, seinerzeit Bürgermeister in Erxleben, brachte die POS Erxleben mit ins Spiel. Beim damaligen Landrat Karl-Heinz Mewes stieß Ahrend auf offene Ohren. Doch für die Schule war kein Geld da. Über das Gesundheitswesen müsse Geld lockergemacht werden können, um ein Therapeutisches Zentrum entstehen zu lassen, war sich Mewes sicher. 1991 bis 1993 war die Schule in Erxleben geschlossen. Während der Umbauphase zog die Grundschule in das ehemalige Lehrlingswohnheim nach Möckern. Im Oktober 1993 war es endlich so weit. Von der Schule im früheren Stasi-Gebäude ging es an die einstige POS, das neue Therapeutische Zentrum in Erxleben. „Jahrelang haben wir Tür an Tür mit der Grundschule gelebt“, berichtet Neumann. Damals arbeitete er mit dem Förderschulleiter Heinz Rustler zusammen. Uwe Lau war bis zur Schließung der Grundschule 1996 deren Leiter.

Ein Leben mit Inklusion

Was heute Inklusion genannt wird, gab es für Neumann schon immer. „Jeder Tag ist eine Herausforderung. Man weiß nie, was einen erwartet", schildert er seine Erfahrungen. Nachdem der Kreis Osterburg 1993 etwa 4,6 Millionen Mark in die Schule investiert hatte, finanzierte der Landkreis Stendal 17 Jahre später für 110.000 Euro den Umbau von früheren Räumlichkeiten der Erxlebener Grundschule. Zum 25-jährigen Jubiläum 2018 wurde ein neuer Spielplatz gebaut. Heute zählt Neumann 66 Schüler und 27 Mitarbeiter.

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„Dass ich Schulleiter wurde, hat sich so ergeben. Ich hab' einfach gesagt: Ich mach' es“, fasst Neumann zusammen. Dass seine Liebe zum Sport ihm so manches Herz öffnete, ist nicht von der Hand zu weisen. Tennis und Volleyball nahm er von Hause aus gern als Ausgleich und Brücke für seine Arbeit mit. Inzwischen hat er als Opa von sieben Enkeln immer wieder auch in der eigenen Familie Gelegenheit, alles für ein erfülltes Leben mitzugeben, was ihm selbst am Herzen liegt.