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Fachtagung zu den Göhrde-Morden mit dem Rechtsmediziner Klaus Püschel / Nur noch ein Beamter auf den Fall angesetzt Professor fordert, Ermittlungen voranzutreiben

Von Björn Vogt 11.10.2014, 01:09

Göhrde l Professor Klaus Püschel ist ein bekannter Rechtsmediziner aus Hamburg. Er untersucht Gewaltopfer - Lebende und Tote. Er hat die Ex-Freundin von Jörg Kachelmann ebenso begutachtet wie Uwe Barschel. Er war der "Stargast" einer zweitägigen Tagung im Nachbarlandkreis Lüchow-Dannenberg. Thema: Gewaltverbrechen im Wendland. Püschel drückte es unverhohlen so aus: "Warum ist das Wendland für uns so spannend? Weil es hier so geile Fälle gibt!" Der schlimmste Massenmörder der Nachkriegszeit, der "Totmacher" Rudolf Pleil, hatte hier ebenso zugeschlagen wie etwa ein junger Vater, der seinen Sohn, ein Frühchen, aus Aberglauben heraus umbrachte. "Im Wendland ist man dem Aberglauben noch sehr zugeneigt", so Püschel süffisant.

Im Fokus der gut besuchten Tagung aber standen die ungeklärten Doppelmorde in der Göhrde vor 25 Jahren, die zu den unheimlichsten Verbrechen der Nachkriegszeit gehören. Da die Veranstaltung offen für Interessenten war, verzeichnete Organisator Rolf Meyer rund 50 Besucher. Bis aus Dortmund reisten Teilnehmer an. Im Internet nämlich wird das Thema - etwa im Forum "allmystery.de" - hoch und runter diskutiert.

Püschel referierte über die Obduktion der ersten beiden Opfer, das Ehepaar Reinhold aus Hamburg. Dafür brachte er Experten aus dem Institut für Rechtsmedizin (IfR) der Uniklinik Eppendorf mit. Dr. Eilin Jopp berichtete über forensische Anthropologie. Dr. Axel Gehl, der seinerzeit die Göhrde-Mordopfer obduzierte, sprach über Blutspuren-Analyse.

Ein Profiler der Polizei berichtete zudem über operative Fallanalyse und riet gerade in Sachen Göhrde-Morde zu "Logik und nachvollziehbaren Schlüssen auf fundierter Datenbasis". Denn im Internet wird reichlich spekuliert.

"Das ist unhaltbar."

Professor Klaus Püschel

Erstaunt waren die Anwesenden, als sie erfuhren, dass zurzeit nur ein einziger Ermittler auf den Fall angesetzt ist. Fachkommissar Detlef Ziech von der Kripo Lüneburg ist aktuell für die Göhrde-Morde zuständig. Er hat den Fall vor zwei Jahren von Dieter Weihser "zur Betreuung" übernommen. Weihser ging damals reichlich frustriert in den Ruhestand. Und obwohl man buchstäblich alles versucht und jede Theorie verfolgt habe, sei das bisherige Ergebnis "schlecht", so Ziech unumwunden.

Obwohl auch damals schon Querdenker auf den Fall angesetzt worden waren und auch die abwegigsten Theorien verfolgten. Ziech merkte an, dass zur Zeit nicht aktiv an dem Fall gearbeitet wird.

"Das ist unhaltbar", kritisierte Püschel, der dafür plädiert, dem Fall mit heutigen Analyse-Methoden wieder mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Es gäbe neben den beiden Haaren, die dem Täter zugeordnet werden, durchaus weitere vielversprechende Spuren in den Akten, zum Beispiel eine Musikkassette.

Am zweiten Tagungstag fuhr die Gruppe zu einem makaberen kleinen Ausflug in die Göhrde an den ersten Tatort.

"Teilweise derangiert."

Professor Klaus Püschel

Mitarbeiter des Institut für Rechtsmedizin stellten die Situation am Fundort nach: die Leichen, mit dem Gesicht nach unten, die Hände gefesselt. Die Opfer wurden stranguliert, erschlagen, erschossen, die Kleidung laut Püschel "teilweise weg, teilweise derangiert", sprich: der BH zerrissen. Sämtlicher Schmuck wurde an den mumifizierten Opfern noch gefunden - einen Raubmord schließen die Ermittler aus.

Heute geht die Polizei davon aus, dass es sich wahrscheinlich um einen Täter (nicht um mehrere) handelt, der psychische Defekte aufweist und einen starken Bezug zur Göhrde hat. Sexuelle Motive werden für sehr wahrscheinlich gehalten. Das Fernglas, das die ersten Opfer, das Ehepaar Reinhold, angeblich bei sich getragen hatten, hätten die Töchter Jahre später im Keller gefunden.

Die Zuhörer erfuhren auch, dass die Polizei das damals angefertigte Phantombild heute für falsch hält. Die Theorie Auftragsmord aus Eifersucht und eine mögliche Verwechslung der Opfer hält die Polizei ebenfalls für abwegig. Was bleibt, sind jede Menge Fragen und exakt 2005 Spuren in den Akten.