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Spielsucht Nur noch raus aus der Spielhölle

Spielsucht kann Leben zerstören. Ein Betroffener möchte die Notbremse ziehen und in Salzwedel eine Selbsthilfegruppe gründen.

Von Antonius Wollmann 08.12.2017, 18:32

Salzwedel l Wenn André R. (Name geändert) Feierabend hatte, gab es für ihn nur ein Ziel. Ab in die nächste Spielothek, ran an den Automaten. Stundenlang fütterte er ihn mit Münzen und verbrachte mehrere Stunden mit der trügerischen Hoffnung, endlich etwas zu gewinnen. Sein Geld rieselte derweil aus seinem Porte­mon­naie wie Sand durch ein Sieb. Mehrere Hundert Euro verspielte er an den Abenden. Gewann er, machte dies eigentlich alles nur schlimmer.

Dann ging es nämlich weiter. Das zusätzliche Geld nach Hause zu tragen, war für André R. schlicht unmöglich. „Ich wollte dieses Glücksgefühl spüren“, beschreibt der 47-jährige Salzwedeler, warum er nicht in der Lage war, aus eigenem Antrieb mit dem Spielen aufzuhören.

Sechs Jahre lang war er regelrecht an die Automaten gekettet. Wollte nach seinem stressigen Job in der Gastronomie runterkommen. Ein wenig entspannen und den Kopf frei kriegen. Bis dann plötzlich kein Geld mehr da war. Konto leer, Handy und Bank-Karte gesperrt. „Ich konnte nichts mehr bezahlen“, nimmt André R. kein Blatt vor den Mund. Am Tiefpunkt angelangt, offenbarte er sich seiner Freundin. Er schwor, mit der Zockerei aufzuhören.

Weil er wusste, dass das Vorhaben schwer wird, suchte er im Internet nach Hilfe. Dort fand er die Seite des Paritätischen. Dabei kam er auf eine Idee: Wieso nicht eine Selbsthilfegruppe gründen, bei der sich mehrere Betroffene gegenseitig beim Kampf gegen die Spielsucht unterstützen. Im Altmarkkreis stößt der Salzwedeler damit in eine Lücke.

„Wir hatten vor einigen Jahren eine ähnliche Selbsthilfegruppe in Gardelegen. Dann ist der Initiator leider rückfällig geworden und die Gruppe musste sich auflösen“, sagt Bärbel Riep. Sie ist beim Paritätischen für die Organisation von Selbsthilfegruppen zuständig.

Dass der Bedarf in Salzwedel da ist, bezweifelt sie nicht. André R. pflichtet ihr bei. „Ich denke, dass die Dunkelziffer der Spielsüchtigen in der Region sehr hoch ist.“ Mindestens fünf müssten sich melden, damit das von ihm angeschobene Projekt starten kann. In der Zwischenzeit sucht der Salzwedeler nach geeigneten Räumlichkeiten. In Salzwedel keine so leichte Angelegenheit. „Das Angebot ist nicht so groß. Wir halten leider keine geeigneten Räume vor“, sagt Bärbel Riep.

Finden sich genug Mitstreiter, würden sie sich wohl einmal pro Woche treffen, um sich auszutauschen. Bärbel Riep wäre nur bei der ersten Sitzung dabei. „Danach bleiben die Betroffenen unter sich, um über die Problematik zu sprechen“, erklärt sie den Ablauf.

Das Ziel der Teilnehmer ist klar formuliert: Nur nicht wieder in den Spielhöllen der Stadt enden. Die Gefahr des Rückfalls schwebt stets wie ein Damoklesschwert über den Süchtigen. Die Erfahrung macht André R. zurzeit. Seit sechs Wochen ist er „clean“, hat also nicht mehr gespielt. Vor allem die Anfangszeit habe ihm schwer zugesetzt.

Immer wieder wanderten die Gedanken zum Automaten. Zum Glück hat er kein Geld mehr, um die einschlägigen Plätze aufzusuchen. Von der Freundin kriegt er nichts. In seinem Umfeld sind alle über die Problematik informiert. Sie anzupumpen, hat keinen Zweck. Doch irgendwann wird er wieder Münzen in den Händen halten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird er daran denken, eine Spielothek zu besuchen. Mit Hilfe der Selbsthilfegruppe wird er hoffentlich darauf verzichten.

Informationen zur Selbsthilfegruppe gibt Bärbel Riep unter der Telefonnummer 0151/16266744.