1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Salzwedel
  6. >
  7. Altmarkkreis: Die letzten ihrer Art

Tierschutz Altmarkkreis: Die letzten ihrer Art

Die Wiesenweihe ist bedroht: Nur etwa 400 Brutpaare gibt es in Deutschland. Ein Projekt im Altmarkkreis soll den Greifvogel retten.

Von Alexander Rekow 15.07.2020, 01:01

Jeetze l Majestätisch kreist eine Wiesenweihe über einem Feld bei Jeetze im Altmarkkreis Salzwedel. Der Greifvogel beobachtet genau, was unweit seines Geleges geschieht. Denn dem Bodenbrüter ist nicht entgangen, dass sich drei Männer Stück für Stück seinen Jungtieren nähern. Doch es sind keine Feinde des Vogels, im Gegenteil. Die Männer sind für den Schutz der vom Aussterben bedrohten Art vor Ort.

Einer von ihnen ist Steffan Reinecke, Geschäftsführer der Agrar GmbH Kalbescher Werder. Auf seinem Feld ziehen derzeit drei Brutpaare ihre Jungtiere groß. Neben ihm geht Renè Fonger vom Bund für Umwelt und Naturschutz, kurz BUND. Der Naturschützer steht mit den Landwirten der Region im Austausch und weiß, wo die seltenen Wiesenweihe zu finden sind. Dritter im Bunde ist Ornithologe Host-Dietrich Westphal. Der 66-Jährige ist für das Beringen der Greifvögel verantwortlich. Eigentlich ist Horst-Dietrich Westphal Rentner und als Naturschutzbeauftragter im Biospährenreservat Drömling zu finden. In diesem Rahmen hat der Mann mit dem markanten Schnauzer schon unzählige Vögel beringt. Ob Falke, Uhu, Seeadler oder Schleiereule: Westphal hatte sie schon alle in seinen großen Händen. Heute werden es Wiesenweihe sein.

Renè Fonger geht zielsicher durch die Triticale des Landwirtes. Einmal rechts, dann links, einen langen Weg geradeaus. Dann bleibt er plötzlich stehen. „Dort ist das Schutzfeld“, sagt Fonger und zeigt quer über den Acker. Und tatsächlich, Teile eines Zaunes sind leicht zu erkennen. Gemeinsam mit dem Ornithologen nähert sich René Fonger dem Gelege.

Der BUND betreut mehrere Artenschutzprojekte, wie das der Wiesenweihe. Landwirte wie Steffan Reinecke helfen den Vögeln, indem sie rund um das Nest einen Zaun ziehen. Zum einen schützt er die Jungtiere vor Fressfeinden wie dem Fuchs, zum anderen wissen die Landwirte, welche Stellen sie mit ihren Maschinen (noch) nicht ernten können. Mittlerweile würden seine Mitarbeiter die Alttiere schon im Flug erkennen, berichtet Reinecke.

Beherzt greift Horst-Dietrich Westphal in das abgesteckte Areal. Nicht einmal, nicht zweimal: fünfmal. „Das ist sehr erfreulich“, sagt René Fonger und packt die Tiere in einen Jutebeutel. „Dann sind die ruhig und nicht so gestresst.“ Der Mitarbeiter des BUND führt die Anzahl der Jungtiere auf das hohe Mäuse-Aufkommen in der Region zurück. Der milde Winter habe die Fortpflanzung der Nager begünstigt.

Ornithologe Westphal kramt die Ringe aus seiner Tasche und holt eine Zange hervor: „Nun gibt es die Ausweise.“ Einen silberfarbenen Ring für jedes Tier. So lassen sich die Wege der seltenen Greifvögel verfolgen. Dazu gibt es noch einen roten Ring für das andere Bein. „Damit kann man von Weitem sehen, wo die Wiesenweihe her kommt“, so Fonger. Rot steht für Ostdeutschland, grün für Niedersachsen und weiß beispielsweise für Nordrhein-Westfalen.

Landwirt Steffan Reinecke wurde zuvor vom BUND angefragt, ob er nicht Teile seiner Felder für die streng geschützten Vögel bereithalten kann. „Natürlich habe ich sofort zugesagt.“ Seit nunmehr drei Jahren brüten die Greifvögel schon auf seinen Flächen. „Der Landwirt ist der, der die Kulturlandschaft bearbeitet“, sagt Reinecke. Daher sehe er sich und seinen Berufsstand auch entsprechend in der Verantwortung. „Es macht uns ja keine Mehrarbeit.“ Außerdem müsse die Landwirtschaft in seinen Augen ohnehin an einem positiven Image arbeiten.

Nach wenigen Handgriffen hat Horst-Dietrich Westphal die fünf Vögel beringt. Nicht aber ohne einmal von den Klauen eines Jungtieres gegriffen zu werden. „Das ist nicht schlimm“, sagt er. Bei einem Uhu sehe die Sache schon ganz anders aus.