1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Langweilig wird‘s sicherlich nicht

Bad Salzelmen Langweilig wird‘s sicherlich nicht

Volksstimme-Reporter Andre Schneider lebt erst seit Kurzem im Schönebecker Stadtteil Bad Salzelmen. Ein Rundgang mit Jeff Lammel

Von Andre Schneider 19.08.2020, 23:01

Bad Salzelmen l Diese Erkenntnis ist beruhigend: „Hier gibt es unendlich viel zu erforschen“, erklärt mir Jeff Lammel. Langweilig wird es mir an meinem neuen Wohnort also nicht. Einen kleinen Eindruck meiner neuen Umgebung erhalte von erfahrenen Stadtführer – und von vielen Menschen, die hier verweilen.

So wie Cornelia Ribbentrop. Ganz zufällig treffe ich die Vorsitzende des Stadtrates beim Spaziergang mit ihren beiden Hunden Anna und Merle. Ohne zu wissen, wen ich da vor mir habe, berichtet mir die 47-Jährige von der denkmalgeschützen Rosmarinstraße mit dem kleinsten und ältesten Haus in Bad Salzelmen. „Ich bin hier geboren und aufgewachsen“, sagt mir die Kommunalpolitikerin. Eine passende erste Gesprächspartnerin auf meiner Tour.

Passend ist auch die Idee, Jeff Lammel für meine Entdeckungstour mit ins Boot zu holen. Seit 14 Jahren führt er Menschen durch Schönebeck und andere Städte in der Umgebung. Man kennt ihn in seinem Nachtwächter-Kostüm. Und er kennt die Menschen. Für einen kleinen Plausch hat Lammel immer Zeit. Am Fenster der Pension Heike schaut Inhaberin Heike Lorenz gerade heraus. Ein Smalltalk, ein paar nette Worte, positives Feedback für den versierten Nachtwächter. „Das tut gut“, meint Jeff Lammel.

Gut tut es mir, Menschen aus meiner Heimat Ostwestfalen zu treffen. Karin Musolf und Anneliese Germis kommen aus Bielefeld und besichtigen den wunderschönen Kurpark. Germis wurde in Magdeburg geboren, besichtigte Schönebeck schon vor vielen Jahren. „Ich erinnere mich noch an das Hexenhäuschen“, sagt die Seniorin. Jeff Lammel zeigt ihr, wo es steht.

An diesem Sommertag ist es sehr warm. Am Gradierwerk kühlen Lammel und ich uns ab. Immer wieder begegnen uns Leute mit gelben Scherpen. „Kurgäste“, wie er weiß. Sie treiben Sport. „Die Bändchen tragen wir, damit uns der Physiotherapeut der Kurklinik zuordnen kann“, erklärt Andreas Richter. Gemeinsam mit seinen Mitpatienten posiert er spontan zu einem Gruppenfoto zwischen Gradierwerk und Solequell.

Am Solequell tobt schon das Leben. Die Menschen stehen Schlange. In wenigen Minuten wird das Bad seine Türen öffnen. Jeff Lammel sorgt für humorvolle Unterhaltung mit einem kurzen Gedicht. Die Lacher hat er wie selbstverständlich auf seiner Seite. Der Nachtwächter nimmt sich eben immer wieder Zeit für sein Publikum.

An diesem Tag herrscht ohnehin reges Treiben in Bad Salzelmen. Der Grund: Es ist Markt. Vor dem ehemaligen Rathaus, am Uhrenturm des Salzlandmuseums, tummeln sich Menschen und erledigen ihre Besorgungen. Ich hoffe, dass sie ihre eigenen Zeitmessgeräte bei sich haben. Denn die große Turmuhr steht still.

Still, geräuschlos, ohne viel Aufsehen aber kontinuierlich pflegen die Menschen ihre liebgewonnen Traditionen. „Hier aufm Marcht is ne janze Menge los. Dat Umfeld is hier sehr anjenehm“, erklärt mir ein Marktteilnehmer in bester Mundart. „Düt is immer nur n kleener Moment hier.“

Ein kleiner Moment, auch bei Landwirt Hans-Jürgen Wendt aus Gnadau. Allerdings kehrt dieser Moment immer wieder zurück. Denn: „Ich stehe hier seit Jahren immer am gleichen Platz. Kunden kommen auch immer wieder“, sagt der Landwirt. Da ich nur wenige Meter vom Marktplatz entfernt wohne, beschließe ich, demnächst auch einen Gemüse-Einkauf hier oder bei einem anderen Stand zu erledigen.

Vielleicht schaue ich dann bei Roland Sklenar und Monika Storch vorbei. Die beiden arbeiten in einem Trödelladen am Marktplatz. Sie haben Zeit – oder nehmen sich welche. Für einen Kaffee in der Sonne. Sie wissen, was die Menschen bewegt. „Es sammelt sich so viel Zeug an, dass ich meine Waren zum Teil sogar verschenken muss“, sagt Sklenar.

Ein paar Meter weiter treffe ich aber auf Menschen, die sich in ihrer Heimat nicht mehr sehr wohl fühlen. „Für Deutsche wird hier zu wenig gemacht“, sagt ein Mann, bevor er sich den nächsten Ein-Euro-Kaffee im Plastikbecher holt. Langweilig, da bin ich mir jedenfalls sicher, wird es mir in meiner neuen Wahlheimat nicht ...