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Nachruf Calbenser Maler Hans Both stirbt im Alter von 88 Jahren

Der Calbenser Maler Hans Both ist tot. Der 88-Jährige war ein bescheidener Mann der leisen Töne. In vielen Haushalten und Institutionen hängen bis heute seine Bilder, vorwiegend sind es Lithographien.

Von Thomas Linßner 04.08.2023, 13:29
Wacher, freundlicher Blick: Hans Both 2021 in seinem Calbenser Atelier. Besonders Lithographien waren ein Markenzeichen des gebürtigen Ostpreußen.
Wacher, freundlicher Blick: Hans Both 2021 in seinem Calbenser Atelier. Besonders Lithographien waren ein Markenzeichen des gebürtigen Ostpreußen. Archivfoto: Thomas Linßner

Calbe - Hans Both war ein Künstler, der weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus bekannt war. Als im April 2023 die Galerie Kunst-Kontor von Susanne Kalisch in Schönebecks Steinstraße eröffnet wurde, ahnte niemand, dass es Hans Boths letzte Personalausstellung sein würde. Obwohl der Wahl-Calbenser damals schon aus gesundheitlichen Gründen nicht dabei sein konnte. Es spricht seine Sprache, dass die Galerie-Premiere ihm gewidmet wurde.

Regionale Kreativgeneration

Hans Both gehört einer regionalen Kreativgeneration an, die Schönebeck und deren Umfeld über Jahrzehnte prägte. Unvergessen sind Künstler wie Dario Malkowski, Eberhard Frank, Regina Müller, Christof Grüger, Eva-Maria Heseler, Günter Zenker oder Hans Helmbrecht. Das damalige Kreismuseum in Bad Salzelmen, das Soziokulturelle Zentrum „Treff“ und andere Aussteller hatten keine Sorge, qualitätvolle Expositionen zu organisieren.

Und immer wieder war Hans Both dabei. Entweder als Akteur oder als stiller Beobachter, der oft nach seiner Meinung gefragt wurde und sie freundlich-kritisch äußerte.

Bei dem gebürtigen Ostpreußen darf man getrost die Floskel „ruheloses Schaffen“ gebrauchen. Ob in Öl, als Aquarell, Zeichnung oder Lithographie – immer war seine Handschrift unverkennbar. Am liebsten arbeitete Hans Both jedoch mit seinen mächtigen Lithographiesteinen. Dafür hatte sich der Ingenieur extra eine schwere Druckpresse gebaut.

Stille Begeisterung

Both erweckte mit seiner typischen Sehweise zuweilen melancholische Assoziationen, die dem Original gerecht wurden. Wenn man bereit war, es ähnlich zu sehen. Er lenkte die Sicht des Betrachters auf Dinge, die im hastigen Alltag schnell übersehen werden. Dazu gehörten vor allem marode oder intakte Gebäude, Mauern, Brücken.

Und er konnte begeistert sein. Als ihm 2001 Pfarrer Wolfgang Wenzlaff die ehemalige Calbenser St. Stephani-Türmerwohnung zeigte, war der stille Mann fasziniert. Der Blick aus dem Fenster in Richtung Markt und Wehr inspirierte ihn zu einem Bild, das drucktechnisch das schwierigste werden sollte. Weil die Presse in Boths Atelier einem Format von 50 x 60 Zentimetern nicht gewachsen war, fand er Hilfe bei Nachbar Manfred Cuno, der in seiner Firma eine betagte Litho-Druckpresse besaß. Das historische Teil war weit über 100 Jahre alt und fristete bis dahin als Museumsstück ein ruhiges Dasein. Solange, bis Hans Both es wieder erweckte.

Der Start ins Leben war von den Gefahren seiner Zeit gekennzeichnet. Hans Both und dessen Mutter Margarete zählten zu jenen Menschen, die 1945 nicht mehr aus Ostpreußen fliehen konnten. Über drei Jahre mussten sie auf einem Gut arbeiten, das nun zur Sowjetunion gehörte.

Dramatische Flucht

Hans Both wurde am 16. April 1935 im ostpreußischen Lautern geboren.

Aber wo liegt das? In der DDR galt als „ewig Gestriger“, wer die alten deutschen Ortsnamen verwendete. Vermutlich heißt Lautern heute Lutry. Sein leiblicher Vater war ihm unbekannt. Und das in einem streng katholischen Dorf!

Noch 1944 wähnte sich die Bevölkerung in der „Kornkammer des Reiches“ in Sicherheit. Drei Jahre nachdem Hitler seine Soldaten im Unternehmen „Barbarossa“ in die Sowjetunion einmarschieren ließ, standen nun sowjetische Truppen an der deutschen Grenze.

An die Mutter geklammert

Mit Lastwagen wurden die Menschen hastig zum Bahnhof Königsberg gefahren. Während Stiefvater Willi Both in der Fabrik nicht abkömmlich war, machte sich Hans mit seiner Mutter, den Großeltern und einer Tante auf den Weg. Mit der Bahn soll es nach Pillau, der Hafenstadt am Frischen Haff, gehen und dann mit dem Schiff über die Ostsee ins „Reich“. Aber es kam anders: Tiefflieger zersieben die Plane des Lastwagens. Dann wurde der Treck auf freiem Feld gestoppt. Einige Menschen wurden ausgesondert. Ganz offensichtlich nach dem Eindruck ihrer Arbeitsfähigkeit. Auch Hans Boths Mutter wurde gegriffen. Ihr neunjähriger Sohn schrie entsetzlich und klammerte sich an sie. Das half. Scheinbar war der russische Soldat ein guter Vater. Hans bekam seine Mutter wieder - aber die Tante musste mit. Nachts wurde gelaufen, tagsüber versteckt.

Ziel war ein großer Gutshof, der schon einige Jahre nicht mehr bewohnt und bewirtschaftet schien und nun von einem Russen geführt wurde. In leerstehenden Häusern und Schuppen suchten die Menschen einen Unterschlupf. Der nun elfjährige Hans wurde Bauer und Kutscher.

Eines Tages, es war Anfang Oktober 1948, stand am Morgen ein sowjetischer Geländewagen im Hof, und alle Deutschen wurden in den Versammlungsraum gerufen. Der Deutsch sprechende Stallmeister übersetzte: Ihr dürft nach Deutschland ausreisen.

Hans und Mutter kamen nach Schönebeck, weil ihnen die Silbe „schön“ gefiel. Hans Both wurde Arbeiter, studierte später und war als Konstrukteur im Traktorenwerk Schönebeck tätig.

Im Rahmen der 800-Jahr-Feier der Stadt Schönebeck ist die Wanderausstellung „Schönebeck - gestern, heute, morgen“ unterwegs. Ein Bild von Hans Both ist auch dabei.