Geschichte Von West nach Ost

Am Freitagabend las Adolf Günter Bock aus seinem Debüt-Roman „Geht zurück nach Adenauer“ in Barby.

Von Thomas Linßner 25.09.2016, 17:03

Barby l Bevor der Autor seine Lesung im „Rautenkranz“ begann, hatte er noch etwas Zeit. „Ich war auf den Elbwiesen, da konnte man das Schloss so schön von der anderen Seite sehen“, erzählte er. Zwar waren es nur wenige Wochen, die er als Elfjähriger im Barbyer Aufnahmeheim verbrachte. Dennoch war es die erste Zäsur in seinem jungen Leben, die auch ein Stück Prägung hinterließ. Adolf Günter Bock ist heute 59 Jahre alt und damit „DDR-sozialisiert“.

„Es ist schön, jetzt vor Ihnen lesen zu dürfen“, begrüßte er das Publikum. 15 Menschen waren gekommen - der tief greifende Roman hätte ein paar mehr verdient.

Adolf Günter Bock plauderte zu Beginn der Lesung aus dem Nähkästchen: Versuche, in seiner alten Heimat Wuppertal eine Lesung zu veranstalten oder das Buch in der dortigen Tages- oder Wochenpresse vorzustellen, scheiterten allesamt. Der Grund: kein Interesse am Thema. Auch der Konrad-Adenauer-Stiftung sei es nicht mal eine Eingangsbestätigung wert gewesen, nachdem der Berliner ein Exemplar dorthin gesandt hatte. Sein Fazit: „Die Menschen im Osten haben ein intensiveres Verhältnis zur Deutschen Teilung.“

Gab es bisher zahllose Veröffentlichungen über Menschen, die vor 1989 von Ost nach West gingen, ist es in Adolf Günter Bocks 419-Seiten-Roman umgekehrt. Seine Familie siedelte Ende der 60er Jahre in die DDR über. Die persönliche Entwurzelung verarbeitete der Wahl-Berliner, der nach 1968 im Mansfelder Land aufwuchs, in dem Debüt-Roman.

Im ersten Drittel des Buches beschreibt er seine Kindheit im rheinisch-bergischen Milieu der 50er und 60er Jahre. Dabei wird für Leser mit DDR-Biografie deutlich, wie schwer es auch Menschen im „gelobten Westen“ hatten. Hier spielten nicht nur Geldsorgen eine Rolle, sondern lastete eine verkrustete Intoleranz auf großen Teilen der Nachkriegsgeneration.

Weil die Eltern von Volker Krack - so nennt sich der Autor als Hauptfigur des Romans - nicht mit Geld umgehen konnten, blieb der wirtschaftliche Bankrott nicht aus. Um aus der Misere herauszukommen, stellten die Eltern ihre drei Kinder vor vollendete Tatsachen: „Wir siedeln in die DDR über.“ Der Vater war ein selbstsüchtiger Tyrann, der auch vor Gewalt nicht zurück schreckte, die Mutter war ihm hörig.

Im Aufnahmeheim Barby war die Familie einige Wochen in politischer Quarantäne, bis man sie in den Bezirk Halle entließ.

Zur Lesung war auch die 91-jährige Irmgard Schmidt gekommen, die Ende der 1950er Jahre im Aufnahmeheim arbeitete. Deswegen wurde sie von der Staatsmacht genötigt, den Kontakt zu ihrer Westverwandschaft abzubrechen. Sie lehnte ab und wurde entlassen. Irmgard Schmidt hatte den Roman von ihrer Enkel(schwieger-)tochter Ute Krabbes geschenkt bekommen, die sie auch zur Lesung begleitete.

Der Roman erschien im NOEL-Verlag. Er kostet 18,90 Euro. ISBN-13:978-3-95493-087-6