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Hausgeburt Mit der Hilfe einer Hebamme

Antje Hase aus Schönebeck ist Hebamme aus Leidenschaft. Sie begleitet Schwangere nicht nur im Kreissaal, sondern auch bei Hausgeburten.

Von Bianca Oldekamp 12.05.2020, 01:01

Schönebeck l Vier Taschen sind es, die Antje Hase eigentlich rund um die Uhr griffbereit hat. In diesen vier Taschen befinden sich alle Gegenstände, die die 53-Jährige aus Schönebeck im besten Fall aber gar nicht braucht, um Geburten zu begleiten – Hausgeburten. Auch für den Notfall ist Antje Hase mit entsprechenden Geräten und Medikamenten ausgestattet, um bei einer häuslichen Geburt schnell eingreifen zu können.

Doch einzugreifen, versucht die Schönebeckerin zu vermeiden, bleibt so lang wie möglich im Hintergrund, wenn eine ihrer Schwangeren in den heimischen vier Wänden, „in ihrem Nest“ wie Antje Hase sagt, entbindet. „Meisterliche Zurückhaltung ist das wichtigste Instrument“, findet die Inhaberin der Schönebecker Hebammen-Praxis „Elbwiege“.

Seit 2009 führt Antje Hase Hausgeburten im Raum Schönebeck durch, ist weiterhin aber auch freiberuflich als Beleghebamme tätig, begleitet Schwangere, die ihr Kind statt in den eigenen vier Wänden zu bekommen, lieber am Ameos-Klinikum in Schönebeck oder dem Marienstift in Magdeburg entbinden wollen. Grundsätzlich bekommen die meisten Frauen ihr Kind nämlich in einer Klinik und nicht zu Hause oder in einem Geburtshaus, also einem außerklinischen Ort, der nicht das eigene zu Hause der Schwangeren ist.

Das zeigen auch die Zahlen. So wurden in Sachsen-Anhalt im Jahr 2018 insgesamt 17.410 Babys geboren, von denen aber gerade einmal 40 in Geburtshäusern auf die Welt gekommen sind und 40 im Rahmen einer Hausgeburt das Licht der Welt erblickten. Einige dieser Hausgeburten hat Antje Hase begleitet. Schließlich gibt es in ganz Sachsen-Anhalt neben Antje Hase nur zwei weitere Hebammen, die Hausgeburten begleiten. Eine Hebamme in Quedlinburg und eine in Aschersleben.

Für sie alle gilt: Die Option einer Hausgeburt haben Schwangere nur dann, wenn die Schwangerschaft unkompliziert verläuft und bei denen keine komplizierte Geburt zu erwarten ist. Denn nur in diesem Fall, stellt die Hausgeburt eine Alternative zur Klinikgeburt dar.

Deshalb startet Antje Hase aus Schönebeck die Begleitung einer Schwangeren, die die Option einer Hausgeburt in Erwägung zieht, grundsätzlich erst einmal mit einer Daten- und Gesundheitsanamnese. Schon bei dieser kann sich nämlich herausstellen, dass trotz Wunsch eine Hausgeburt beziehungsweise einer in einem Geburtshaus nicht möglich ist.

Denn es gibt einen Kriterienkatalog zu Geburten im häuslichen Umfeld, in dem ganz genau festgelegt ist, wenn eine Hausgeburt nicht möglich ist. So dürfen beispielsweise Frauen, die an Diabetes leiden und sich Insulin spritzen, nicht im häuslichen Umfeld gebären. Insgesamt gibt es mehrere Dutzend Risiken – anamnestische also krankheitsgeschichtliche und aktuell befundete. Auf die hatten sich der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen, der Deutsche Hebammenverband und der Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands vertraglich geeinigt. Manche dieser Risiken schließen eine Geburt abseits einer Klinik sofort aus, andere bedürfen einer Abklärung durch Fachärzte.

Die Kosten für die Betreuung vor, während und nach der Hausgeburt durch eine Hebamme werden von allen gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Schließlich habe jede Schwangere nach dem fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) das Recht auf freie Wahl des Geburtsortes, erklärt Antje Hase.

Aktuelle Studien der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe (Quag) belegen, dass die Geburt zu Hause oder im Geburtshaus genauso sicher ist, wie die im Krankenhaus, was auch daran liegt, dass Hausgeburten überhaupt nur dann stattfinden, wenn die Schwangerschaft unauffällig verlief und keine Vorerkrankungen nach den Ausschlussrisiken vorliegen. Zudem haben sich die hygienischen Bedingungen und die medizinische Versorgung in Form von regelmäßigen Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen in den letzten 50 Jahren enorm verbessert.

Zwar muss bei einer Hausgeburt kein Arzt zugegen sein, schließlich wird die Schwangere von Antje Hase betreut, doch ganz um den Besuch bei einem Frauenarzt kommen Frauen, die Antje Hase betreut, während ihrer Schwangerschaft aber nicht herum. „Meine Frauen müssen zumindest einen Ultraschall und zwar den in der 19. Schwangerschaftswoche bei einem Frauenarzt machen“, sagt die 53-Jährige.

Ansonsten betreue sie die Schwangere wie auch ein Arzt es machen würde – rein aus medizinischer Sicht. Denn der regelmäßige Kontakt zwischen Hebamme und Schwangerer schon ab einem frühen Zeitpunkt der Schwangerschaft (Beratung, Vorsorge, Behandlung von Beschwerden usw.) schafft Vertrauen. Und gerade dieses Vertrauen sei sehr wichtig, betont die 53-jährige Hebamme.

Ab der 37. Schwangerschaftswoche ist Antje Hase für ihre Frauen dann rund um die Uhr auf einem zweiten Handy zu erreichen – mit „geheimer“ Nummer, die sie an die entsprechenden Frauen ab diesem Moment rausgibt.

Aus jahrelanger Erfahrung weiß die 53-Jährige: „Es geht oft nachts los.“ Deshalb ist die Hebamme auch in der Nacht durchgehend zu erreichen, legt ihre Urlaube so, dass nicht zu erwarten ist, dass eine der Frauen, die sie betreut, in dieser Zeit entbindet.

2019 hat die Schönebeckerin 19 Hausgeburten betreut. Wobei zwei der Frauen letztlich doch in einer Klinik entbinden mussten. Trotz unauffälliger Schwangerschaft kam es während der Geburt zu Problemen. In solchen Fällen begleitet Antje Hase ihre Schwangeren in die Klinik, ist auch dort bei der Geburt dabei. Verantwortlich ist dann allerdings der Geburtsmediziner der Klinik.

„In solchen Situationen gilt es, die Ruhe zu bewahren. Ich spreche dann von unterwegs aus schon mit der Klinik“, sagt Antje Hase. Sie sei dankbar, dass es die Geburtsmedizin gebe – auch mit Blick darauf, dass so eine Hausgeburt beziehungsweise eine solche in einem Geburtshaus, die sie allerdings nicht anbietet, lange nicht für jede Frau das richtige sei. Für andere wiederum sei die Entbindung in einer Klinik das Falsche.

Grundsätzlich findet Antje Hase: „Desto weniger Medikamente gebraucht werden, desto weniger Probleme gibt es.“ Diese Einstellung und ihr Wunsch, Schwangere im Verhältnis 1:1 betreuen zu können, brachte sie schließlich auch zu dem Entschluss, die Festanstellung inklusive Drei-Schicht-Modell zu kündigen und zunächst als Beleghebamme zu arbeiten und mittlerweile – nach der Anfrage einer Schwangeren, die sie auf die Idee brachte – auch Hausgeburten zu begleiten.

Für Antje Hase, die selbst Mutter von zwei erwachsenen Kindern ist, spielt bei der Geburt das Stichwort Selbstbestimmung eine wichtige Rolle. Durch eine Hausgeburt will sie Schwangeren eine „angstfreie und selbstbestimmte Geburt“ ermöglichen. Und wenn die Geburt dann geschafft ist, sei sie immer ganz stolz auf ihre Frauen. „Mein Traumjob“, sagt Antje Hase.