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Kameraden von fünf Ortswehren proben mit Sanitätern des DRK-Katastrophenschutzes Zusammenspiel für Ernstfall Nach Verpuffung sieben Vermisste geborgen

Von Falk Rockmann 10.09.2012, 05:22

Sieben vermisste Personen nach einer verheerenden Verpuffung in einer Lackiererei in Staßfurt retten - so hieß am Sonnabend der Auftrag einer Übung, an der die Ortsfeuerwehren Atzendorf, Brumby, Förderstedt, Neundorf und Staßfurt sowie eine DRK-Katastrophenschutz-Einheit ihr Zusammenspiel probten.

Staßfurt l Drei Verletzte liegen stöhnend in einer Werkhalle der Firma Siepe. Ihre schweren Verletzungen, darunter zwei offene Oberschenkelbrüche, sind sehr realitätsnah präpariert. Ganz im hinteren Teil des Objekts steht dicker Qualm. Nebelmaschinen haben ganze Arbeit geleistet. Zentimeter um Zentimeter tasten sich Feuerwehrtrupps, bestehend aus zwei Atemschutzgeräteträgern, vorwärts zum Ort der Explosion. Sie haben den Auftrag, nach vier weiteren vermissten Personen zu suchen.

Um es vorweg zu nehmen. Die Kameraden finden sie und schaffen auch die jeweils 80 Kilogramm schweren Puppen aus der Halle. Der Notarzt kann bei ihnen allerdings nur noch den Tod feststellen, während die drei zuerst geretteten Schwerverletzten vom Team des Kat-Schutzes versorgt werden können.

So sieht es das "Drehbuch" der Übung vor. Stadtwehrleiter Olaf Simon erklärt, dass sich die Arbeitsgruppe Atemschutz der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt Staßfurt das Szenario ausgedacht hat. Die Großübung, zu der die Wehr einmal im Jahr ruft, hatte diesmal die Schwerpunkte Atemschutzausbildung und die zentrale Atemschutzüberwachung. Deshalb die vernebelten Hallen, deshalb acht Atemschutzgeräte-Trupps aus den Wehren und die Atemschutzüberwachung (AÜ), für die die Neundorfer Kameraden generell zuständig sind.

Maximal 30 Minuten dürfen die Geräteträger in den Einsatz geschickt werden, je nach Belastung. Die AÜ soll deren Sicherheit gewährleisten. Mit 27 Minuten waren Daniel Sowka und Mario Glockmann von der Ortswehr Förderstedt am längsten im "Nebel des Grauens". Wie fühlt sich das an? "Scheiße, wenn man nichts sieht", findet Kamerad Glockmann deutliche Worte für die Zeit, in denen er sich - mit der Axt voraus tastend- auf allen Vieren vorwärts bewegt. "Wir wussten wirklich nicht, wo die vermissten Personen liegen", versichert der 36-Jährige. Und was geht einem Kameraden derweil durch den Kopf? "Nur Eins: Die Personen finden, sie raus holen und auch selbst wieder heil raus kommen." Nach jedem Einsatz sei auch die Familie immer froh, wenn man gesund nach Hause komme, so der Familienvater.

"Ängste hat man nicht wirklich. Nur ein Ziel: den Auftrag erfüllen"

Das kann Kathleen Esch nur bestätigen. Die 32-Jährige hatte bei der Übung den Auftrag, mit ihrer Kameradin Sabine Kühnert noch einen verunglückten Atemschutzgeräteträger aus dem Objekt zu retten. "Ängste hat man in dem Moment nicht wirklich. Vielleicht auf dem Einsatzweg noch. Aber dann hat man nur noch ein Ziel: den Auftrag erfüllen. Dann funktioniert man einfach nur noch", so die freiwillige Feuerwehrfrau. Deshalb seien eben Ausbildung und solche Einsatzübungen ganz wichtig.

Mit der am Sonnabendvormittag war Einsatzleiter Maik Singer jedenfalls sehr zufrieden. "Die Einsatzbereitschaft der Kameraden war sehr gut. Nach zehn Minuten haben wir die erste Person retten können. Nach 25 Minuten waren alle aus dem Brandobjekt geborgen. Bei Wegen durch die Halle von bis zu 200 Metern, ein Großteil davon bei starker Sichtbehinderung, ist das schon ordentlich. Auch das Zusammenspiel mit den Einsatzkräften der Katastrophenschutz-Einheit klappte hervorragend." Singer erklärt, wie es im Ernstfall weiter gegangen wäre: Vier bis fünf Stunden hätte noch die Brandbekämpfung in Anspruch genommen. Dann wären Staatsanwaltschaft und Kripo zum Einsatz gekommen angesichts der vier Toten. Sehr wahrscheinlich auch ein Notfallseelsorger.

Zum Glück war es nur eine Übung. Und die wurde gern von der Firma Siepe unterstützt, wie vor zwölf Jahren schonmal. "Wir wissen um das Gefahrenpotenzial, das allgemein in einer Lackiererei mit Farben und Lösungsmitteln steckt", erklärt der technische Leiter Werner Berger. Es wird mit Trocknungstemperaturen von etwa 200 Grad gearbeitet. Betriebsleiter Ralf Kämmer ergänzt: "Es ist schon wichtig, wenn die Kameraden wissen, wo sich bei uns entsprechende Schwerpunkte befinden."

Die Übung nutzte schließlich der DRK-Katschutz zur praktischen Prüfung dreier Sanitäter. Christian Kalisch schaute als leitender Notarzt Marc Fricke, Christian Lorenz und dem erst zwölfjährigen Robin Bartels über die Schulter, zum Beispiel, wie er eine Infusion vorbereitete. Der Kreisverbands-Arzt war insgesamt zufrieden. "Kinder können durchaus schon gut Erste Hilfe leisten", weiß Christian Kalisch und wünscht sich, dass wie in den USA auch hierzulande in Schulen wieder früher mit dem Thema gearbeitet wird.