Zivilprozess Eine offene Rechnung

Hotelzimmer, die nicht benutzt wurden, aber bezahlt werden sollen - darum geht es in einem Rechtsstreit.

Von Donald Lyko 22.10.2015, 00:00

Stendal l Wenn Otto L. (Name geändert) an Stendal denkt, dann mit gemischten Gefühlen. Die mehrtägige Luftsportveranstaltung, an der der Bayer im Jahr 2013 auf dem Borsteler Platz teilgenommen hat, ist ihm noch in bester Erinnerung. Und auch die Stadt selbst mit ihren historischen Gebäuden hat den Piloten begeistert. Dass er vor einigen Tagen wieder nach Stendal kam, hatte allerdings keinen touristischen Grund – sondern einen juristischen. Am Amtsgericht fand ein Gütetermin in einem Zivilverfahren statt – mit Otto L. als Beklagtem, von dem ein Stendaler Hotel Beherbungskosten in Höhe von gut 1200 Euro fordert. In dem Hotel haben aber weder er noch seine Freude übernachtet.

Angefangen hat alles drei Tage vor Beginn der Sporveranstaltung. Auf der Suche nach Zimmern für eine Gruppe von sechs Personen rief L. in besagtem Hotel an, um Übernachtungen für mehrere Tage zu buchen, verbunden mit der Bitte um ruhige Zimmer, weil die Wettkampfteilnehmer früh ins Bett und am nächsten Morgen gut ausgeruht sein wollten. Das sei ihm versprochen worden, erzählt der Beklagte. Und er erinnert sich an ein „äußerst freundliches Gespräch“ und eine „sehr unkomplizierte“ Reservierung, da seitens des Hotels sogar auf Übermittlung seiner Personalien und einer Telefonnummer verzichtet worden sei.

Am Folgetag traf Otto L. mit einem befreundeten Paar in Stendal ein, die anderen sollten am nächsten Tag anreisen. Beim Einchecken im Hotel füllte er einen Meldeschein aus. Dabei sei ihm mitgeteilt worden, dass es ungewiss ist, ob die drei Einzelzimmer wie telefonisch besprochen für den benötigten Zeitraum zur Verfügung stehen würden. Dann wurden die Zimmer besichtigt – und die hatten Fenster zur Straße. Fenster, die bei hochsommerlichen Temperaturen auch nachts geöffnet werden müssten – also nicht das, was Otto L. bestellt hatte. Nach einem Gespräch mit der Mitarbeiterin an der Rezeption gab es zwei Doppelzimmer zur Hofseite – auf der sich allerdings ein Biergarten befand.

Der Flugsportler und seine Freunde nahmen die Zimmerschlüssel an sich, ließen ihre Sachen aber im Auto, verabschiedeten sich an der Rezeption und informierten die Angestellte, dass sie in Stendal schauen wollten, ob ein anderes Hotel die Anzahl ruhiger Zimmer frei habe. Die Dame an der Rezeption habe Verständnis gezeigt und gesagt, dass eine Stornierung aus Sicht des Hotels kein Problem sei, denn die Zimmer könnten immer schnell vermietet werden, erinnert sich der Beklagte.

Nachdem das Trio aus Bayern in einem anderen Hotel fündig geworden war, fuhr es zurück zum ersten und stornierte dort die Zimmer. Von der Mitarbeiterin, die schon am Nachmittag Dienst hatte, sei im Gespräch – auch auf Nachfrage – gesagt worden, dass keine Stornierungskosten sowie Kosten für die erste Nacht anfallen würden, schildert Otto L. und fasst zusammen, „dass eine kostenfreie, einvernehmliche Vertragsauflösung stattgefunden“ habe. Und weil die Reservierung und auch das Ein- und Auschecken in sympathischer und vertrauensvoller Atmosphäre abgelaufen sei, verzichteten Otto L. und sein Bekannter darauf, die ausgefüllten Meldescheine zurückzufordern. Nachdem die Mitarbeiterin im Hotel noch einmal versichert habe, dass alles in Ordnung sei, verabschiedeten sich die Gäste. Und dachten, damit wäre der Fall erledigt.

War er aber nicht, wie sie später erfahren mussten. Der Fall wurde zu einem für Justitia. Denn eine Woche später flatterte ein Brief ins Haus, darin eine Rechnung für Beherbungskosten von 1234 Euro. In der Klage wird davon gesprochen, dass die Bayern „grundlos“ das Hotel verlassen hätten. Auch die Freunde bekamen eine Rechnung, deren Gerichtsverfahren endete mittlerweile mit einem Vergleich. Auch Otto L. hatte einem Vergleich schon zugestimmt, „um ein Ende der lästigen Auseinandersetzung herbeizuführen“, sagt der Flugsportler. Die Klägerin, also die Hotelbetreiberin, ging mit der Forderung aber noch nach oben – und darum wird nun die Zivilsache am Amtsgericht verhandelt. Der Gütetermin in der vergangenen Woche ist gescheitert, Otto L. hat die Klageabweisung beantragt. Lehnt der Richter das ab, werden wohl die Zeugen gehört.

Vom Verfahren erhofft sich Otto L., dass „hoffentlich die Wahrheit ans Tageslicht kommt“. Denn die Angestellte stelle die Gespräche jetzt ganz anders da, nach Ansicht des Sportfliegers eine klare „Falschaussage“. Laut Zeugin der Beklagtenseite soll die Hotelmitarbeiterin während eines Telefonats noch einmal versichert haben, dass sie die Sache für erledigt angesehen habe, aber keinen Einfluss darauf habe, was die Chefin in dieser Sache unternehme. Und noch etwas macht Otto L. stutzig: Als Zeugin seitens der Klägerin wird eine weitere Mitarbeiterin genannt, die bei keinem der Gespräche an der Rezeption anwesend gewesen war.