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Kirche Bei aller Distanz in Kontakt bleiben

Die Kirchen sind zu, es gibt keine Gottesdienste. Eine Idee für den Ausnahmezustand hatte ein Stendaler Pfarrer.

Von Nora Knappe 28.03.2020, 11:00

Stendal l Sich in die Augen schauen und über Blicke Zuhören, Zugewandtheit, Mitgefühl und Trost oder auch Rat- und Fassungslosigkeit vermitteln... was genau wie das Sprechen zur menschlichen Kommunikation gehört, kommt jetzt, da man sich kaum noch begegnen kann, vielfach abhanden. Auch dort, wo manchmal genau dieses Anschauen und stumme Zuhören wesentlicher Teil der eigenen Arbeit ist: bei den Pfarrerinnen und Pfarrern.

Die Kirchen, Pfarr- und Gemeindehäuser als Orte der Begegnung und des Miteinanders fallen unter den strengen Regeln zur Eindämmung der Coronavirus-Ausbreitung aus. Da muss oftmals das Telefon herhalten, die Mail, ein Video, eine briefliche Botschaft.

Es würde eigentlich gar nicht weiter auffallen, dass die Kirchen derzeit geschlossen sind. Denn regulär hätten sie ohnehin erst wieder ab Mai geöffnet. Doch jetzt ist nicht regulär, jetzt ist Krise. Und man darf nicht, was man gern täte: sich öffnen und da sein für alle, die einen Ort des Austausches, des Trostes oder der stillen Zwiesprache mit Gott.

Solchen Ort finden Stendaler Christen derzeit ausschließlich in der Jacobikirche – genaugenommen in deren Vorraum, nicht viel mehr als eine großzügige Nische. Dort lädt eine gepolsterte Kirchenbank zum Verweilen ein, auf einem Tisch Bibel und Kerzenlicht, eine Vase mit Frühlingszweigen. Hier kann man still für sich beten, eine Andacht mit sich selbst halten. In die Kirche hinein kann man nicht, eine Gittertür markiert die Grenze zum Innenraum.

Doch von drinnen tönen Orgelklänge – spielt da etwa jemand? „Ja, im Moment ein berühmter britischer Organist“, scherzt Pfarrer Thomas Krüger. Und noch viele weitere berühmte Musiker sind hier in diesen Tagen zu hören, von 9 bis 18 Uhr in Endlosschleife – von CD.

Als Ersatzlösung ist diese Idee nicht die schlechteste. Die Kirche zeigt sich so offen, wie es ihr derzeit eben gerade möglich ist. Deren derzeitiges Dilemma analysiert Krüger nüchtern-betriebswirtschaftlich: „Wir können unser Produkt nicht mehr vertreiben. Die Nähe Gottes.“ Und er hat da gleich eine Vermutung, nämlich, „dass der Chef sich was bei gedacht hat. Denn im Grunde vertreibt sich dieses Produkt von selbst.“ Gott schaffe diese Nähe unter den Menschen seit Jahrtausenden, gerade auch in Krisenzeiten.

„Ob Kriege oder Pest, immer wenn es kritisch war und man dachte, es ist vorbei, haben die Menschen Gotteserlebnisse gehabt. Meine Hoffnung ist, dass wir auch heute darauf vertrauen dürfen.“ Und noch lange müssen – denn auch zu Ostern, dem wichtigsten Fest der Christen, wird es noch keine Gottesdienste geben. Daher setzt der Pfarrer gegen mögliche Resignation ein zuversichtlich-kraftvolles Jetzt-erst-recht hinzu, so wie es eben zur Osterbotschaft passt: „Der Tod hat nicht das letzte Wort.“

Hoffnung haben und Hoffnung geben, das sei ein großer Teil der Pfarrersarbeit, sagt Krüger. Und wenn auch anders als sonst, lässt er seine Gemeinde an dieser Hoffnungsgabe teilhaben – just in dieser Woche schickte er an alle einen aufmunternden Brief, worin er dazu aufruft, untereinander Kontakt zu halten und dass alle „aufeinander Acht geben in diesen Zeiten“. Den Begriff soziale Distanz findet er unpassend: „Ich nenne es lieber körperlichen Abstand bei innerlicher Verbundenheit.“

Gerade um die Älteren sorge er sich: „Nicht jeder ist rüstig und kennt sich aus, viele leben zurückgezogen...“ Andere wiederum gingen ganz gelassen mit der Situation um, man hält telefonisch oder per Mail Kontakt. Und wer zettel- oder briefschriftlich eine Frage, ein Anliegen, eine Segensbitte loswerden möchte, kann dafür den Sonderbriefkasten im Vorraum von Jacobi nutzen.