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Wahlfäschung Kronzeuge hadert mit Rolle im Wahlskandal

Der 29-jährige Florian Müller will den Stendaler Wahlskandal endlich hinter sich lassen. Am Mittwoch musste er noch einmal aussagen.

Von Bernd-Volker Brahms 15.03.2018, 15:56

Magdeburg/Stendal l So ein bisschen bereut Florian Müller, wie alles gelaufen ist. „Ich hoffe, dass war das letzte Mal, dass ich zur Wahlaffäre etwas sagen musste“, erzählt der 29-Jährige am Mittwoch der Volksstimme, nachdem er fast anderthalb Stunden im Untersuchungsausschuss des Landtages in Magdeburg in einem Nebenzimmer des Landtages zur Stendaler Wahlaffäre ausgesagt hatte und als Zeuge befragt wurde.

Letztendlich war es aber gerade auch Müller, der mit seinem gradlinigen Verhalten am Tag der Kommunalwahl im Mai 2014 und danach, die juristische Aufarbeitung des Wahlfälscherskandals und die Verurteilung von Wahlfälscher Holger Gebhardt zu einer zweieinhalbjährigen Gefängnsisstrafe erst möglich machte. „Ich weiß nicht, ob ich es noch einmal machen würde“, sagt Müller. Es folgte eine enorme juristische und mediale Welle.

Am Mittwoch erzählt Florian Müller, der mittlerweile in  Rheinland-Pfalz lebt, im Ausschuss wieder einmal die Geschichte, wie er an jenem schicksalhaften Wahlsonntag, am 25. Mai 2014, in Stadtsee in sein Wahllokal in der Juri-Gagarin-Schule kam und man ihm die Abgabe seiner Stimmen verweigerte, weil er angeblich schon per Briefwahl gewählt habe. Die Wahlhelfer im Wahllokal fanden einen Sperrvermerk hinter seinem Namen.

Erzählt hat er die Details des Tages und was noch folgte nun schon x-fach. Zuerst noch am Wahltag den Wahlkoordinatoren im Rathaus, dann dem Rechtsamtsleiter bei der Unterzeichnung einer eidesstattlichen Versicherung, dann den Ermittlungsbehörden von Polizei und Staatsanwaltschaft und schließlich auch im Gebhardt-Prozess im Stendaler Landgericht erstmals vor Publikum. Zwischenzeitlich gab es bereits den Kontakt zur Volksstimme, später folgten auch Fernsehbeiträge im MDR und ZDF.

Das Kuriose an seinem Fall war nicht nur, dass er nicht wählen konnte, sondern, dass er in den Folgetagen mehrfach Besuch von ihm unbekannten Menschen bekam und die Spur letztlich zu einem Unternehmerpaar aus Kläden führte, wobei sich herausstellte, dass auf der Vollmacht für Müllers Briefwahl­unterlagen der Name des Ehemannes auftauchte. Ob er auch die Unterlagen abholte, ist unklar.

Unternehmerin Antje M. war am Mittwoch ebenfalls Zeugin im Untersuchungsausschuss, verweigerte aber im Wesentlichen mit Hinweis auf die abgeschlossene Strafrechtssache die Aussage und ging lediglich darauf ein, dass sie zwei-, dreimal für Holger Gebhardt Wahlunterlagen abgeholt hatte.

Florian Müller ist letztendlich eine ganz zentrale Schlüsselfigur, warum der gesamte Skandal bis hin zur Verurteilung von Wahlfälscher Holger Gebhardt zu zweieinhalb Jahren Haft führte.

Er beließ es eben nicht dabei, dass man ihn im zweiten Anlauf hatte doch noch wählen lassen. Vielmehr sandte er eine E-Mail an Stadtwahlleiter Axel Kleefeldt (CDU) und gab eine eidesstattliche Versicherung dazu ab, dass es bei seiner Wahl gehakt habe. Er sei erstaunt gewesen, dass überhaupt reagiert wurde, erzählt Müller. Am Ende nahm Kleefeldt seinen Fall zum Anlass, eine Anzeige zu erstatten.

Damit war der juristische Lauf in Gang gesetzt, die Sache für Florian Müller aber lange nicht erledigt. Noch am selben Tag, als er die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte, kamen zwei jüngere Frauen zu ihm an die Haustür und wollten ihm klarmachen, dass es ein Versehen bei der Abholung seiner Unterlagen gegeben hatte. Er solle sich ans Rathaus wenden und erklären, dass er Wolfgang M. beauftragt habe, die Unterlagen abzuholen und mithin die eidesstattliche Versicherung zurückzuziehen.

Später kam auch Antje M. zu ihm und habe zwei Stunden lang im Hausflur mit ihm gesprochen, sie habe ihm "Honig um den Bart geschmiert". „Ich habe ihr geglaubt, dass es ein Versehen war“, sagt Müller. Mit einem „Du“ seien sie auseinander gegangen. Im Scherz habe er noch zu ihr gesagt, dass sie ihm ja eine NVA-Erbsensuppe orbeibringen könne, wenn alles gut geht.

Noch bevor Antje M. am Mittwoch im Ausschuss aussagte, verließ Florian Müller das Landtagsgebäude. Kurz hatte er noch überlegt, sich ihre Einlassungen anzuhören, dann trat er aber doch seine Rückreise an. Aber eigentlich war für ihn die Angelegenheit abgehakt.

Weitermachen werden indes die Mitglieder des Untersuchungsausschusses um den Vorsitzenden Matthias Lischke (AfD). Am 6. April soll es im Stendaler Rathaus weitere Befragungen geben.