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Künstlerstipendiat Vom Bleiben und Verschwinden

Emanuel Schulze aus Halle/Saale ist der vierte Künstlerstipendiat der Hansestadt Stendal. Sechs Wochen arbeitet er in der Altmark.

Von Donald Lyko 18.08.2016, 01:01

Stendal l Auch wenn er als Jugendlicher schon mit Farben und Malerei zu tun hatte, einen künstlerischen Berufsweg hatte er damals überhaupt nicht im Blick. Der Weg hin zum Künstler sei eher ein stetiger gewesen, „es ist langsam gewachsen“, sagt der Hallenser, der 1974 in Bad Saarow geboren wurde und in Fürstenwalde aufgewachsen ist. Sein Vater hatte ein Handwerksunternehmen, zum Angebot gehörte auch Schriftmalerei. „Nach dem Unterricht habe ich oft im Betrieb mitgearbeitet“, erzählt Emanuel Schulze. Nach der zehnklassigen Schule absolvierte er in einer anderen Firma eine Malerlehre, arbeitete dann sieben, acht Jahre im Familienbetrieb, machte seinen Meister.

Weil er sich weiterentwickeln wollte, übernahm er in Berlin Aufträge als Theatermaler und für Restaurierungen. Dort lernte er viele Künstler kennen – und darum fiel in dieser Zeit die Entscheidung für ein Studium. Er entschied sich für die Richtung Bühnen- und Kostümbild, erwarb 2008 sein Diplom an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Seither ist er freiberuflich Bühnenbildner, Maler und Installationskünstler, seit 2015 lebt er mit Familie in Halle/Saale.

Bei seiner Arbeit an Bühnenbildern habe er „ein bisschen das Interesse am Raum gefunden“, sagt der Künstler, der sich auf kein Medium festlegen lassen möchte. Er arbeitet mit Installationen und Videos ebenso wie mit Malerei. Letzteres derzeit etwas intensiver. Auch während seines Aufenthaltes in der Altmark wird er hauptsächlich mit Öl auf Leinwand arbeiten. Das Künstlerstipendium „Hansestadt Stendal“ ist Emanuel Schulzes erstes Aufenthaltsstipendium. Ein Freund, der aus Tangermünde stammt, hatte ihn darauf aufmerksam gemacht. Und so arbeitet der Hallenser seit dem 8. August im Atelier an der Weberstraße. Er arbeitet an dem Thema, mit dem er sich beworben hat: einer intensiven Auseinandersetzung mit dem ehemaligen KKW-Bau bei Arneburg und dessen industrieller Umgebung.

Auf die Großbaustelle war er bei Internet-Recherchen gestoßen. In seinen Bildern möchte er Architektur und Malerei verbinden, möchte Bauformen (zum Beispiel entkernte Objekte oder Bauteile) in einen landschaftlichen Rahmen einbeziehen. So wie in der Malerei etwas übermalt wird, etwas vom ersten Bildentwurf verschwindet, so wie aber nicht alles verschwindet, sondern immer etwas bleibt, so sei es der Baustelle ergangen, vergleicht Emanuel Schulze. Der Ort Niedergörne ist verschwunden, dafür gibt es noch einige Baureste vom KKW oder schon neue Großbetriebe, auf anderen früheren Baubereichen grasen heute Pferde.

Was Emanuel Schulze auf die Leinwand bringt, ist keine realistische Malerei. „Ich finde für mich eine Übersetzung“, beschreibt es der Künstler. Er war schon vor Ort, hat sich die Gegend angeschaut, vieles mit Fotos dokumentiert. Einiges werde er verarbeiten, aber nicht auf Basis von Fotos malen. Das Gesehene und Erlebte filtere er im Kopf, dann malt er aus der Erinnerung. So könne er freier arbeiten, ohne die vielen Details, mit denen ein Foto beeinflussen würde.

Für seine Arbeit in Stendal hat er seine Stellwand von daheim mitgebracht, denn er arbeitet nicht oft an einer Staffelei. Die Stellwand bietet ihm für sein perspektivisches Zeichnen bessere Bedingungen, darauf kann er Fluchtpunkte neben das eigentliche Bild setzen. „Ich konstruiere die Bilder“, erklärt der Hallenser. Sie entstehen als „Prozessarbeit“: Wenn er loslegt, hat er kein fertiges Bild vor Augen. Vielmehr arbeite er sich mit Hinzufügen und Wegnehmen bis zu dem Punkt vor, „an dem die Bildidee steht“.