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Welcome Table Mit dieser Idee sollen sich Fachkräfte in Stendal willkommen fühlen

Egal, ob aus Deutschland oder dem Ausland: Fachkräfte, die aus der Ferne neu nach Stendal ziehen, fangen meist bei null an. Der „Welcome Table“ soll ihnen dabei helfen, Anschluss zu finden.

Von Mike Kahnert Aktualisiert: 20.09.2023, 07:53
Loben den Welcome Table (von links nach rechts): Barry Morgan (43, aus Simbabwe), Thomas Barniske (69, Vorsitzender des Unternehmensnetzwerks Altmark), Mechthild Bleuel (46, Geschäftsführerin der Inlingua Sprachschule), Mats-Milan Müller (33, Marketingleiter bei Coman Software), Amin Rezaie (24, aus Afghanistan), Tiange Dong (28, aus China) und Kimia Khorramroudi (30, aus dem Iran).
Loben den Welcome Table (von links nach rechts): Barry Morgan (43, aus Simbabwe), Thomas Barniske (69, Vorsitzender des Unternehmensnetzwerks Altmark), Mechthild Bleuel (46, Geschäftsführerin der Inlingua Sprachschule), Mats-Milan Müller (33, Marketingleiter bei Coman Software), Amin Rezaie (24, aus Afghanistan), Tiange Dong (28, aus China) und Kimia Khorramroudi (30, aus dem Iran). Foto: Mike Kahnert

Stendal - Sie wollen in Stendal eine Willkommenskultur für Fachkräfte schaffen. Thomas Barniske vom Unternehmensnetzwerk Altmark und Mats-Milan Müller, Marketingleiter bei Coman Software, haben den „Welcome Table“ (dt. Willkommenstisch) ins Leben gerufen. Vier lebendige Beispiele zeigen, dass es nämlich gar nicht so einfach ist, in Stendal Anschluss zu finden.

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Da ist der 43-jährige Barry Morgan. Gebürtig kommt er aus Simbabwe, einem Nachbarland von Südafrika. „Ich bin ein professioneller Ausländer“, sagt er im Spaß und lacht. Er hat in mehreren Ländern gelebt und gearbeitet. Mittlerweile wohnt der Designer für Benutzeroberflächen von Programmen – fachmännisch „UX Interface Designer“ – mit seiner deutschen Frau und zwei Kindern in Tangermünde.

„Es ist schwer, neue Freunde zu finden“, sagt Barry Morgan. Es hilft, dass er über seine Frau mit Menschen aus der Region in Kontakt kommt.

Gelegenheit, neue Freunde zu finden

Und genau an diesem Punkt soll der „Welcome Table“ anknüpfen. „Den Leuten Kontakt zu ermöglichen“, sagt Mats-Milan Müller. Er selbst ist ein Zugezogener. „Es dauert bestimmt zwei oder drei Jahre, sich ein Netzwerk aufzubauen.“ Und das ohne Sprachbarriere.

Bei dem monatlichen Treff im Kaffeehaus Kaffeekult in Stendal erhalten zugezogene Fachkräfte die Gelegenheit, neue Freunde zu finden. Es sei schon nicht einfach, gut ausgebildete Arbeitskräfte nach Stendal zu locken, so Mats-Milan Müller. Aber wenn sie dann erst einmal in der Hansestadt sind, sollen sie sich hier auch wohlfühlen. Ein Netzwerk aus Freunden sei unabdingbar.

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Dass der „Welcome Table“ schnell Wirkung zeigen kann, wird am Beispiel von Kimia Khorramroudi deutlich. Die 30-jährige Frau aus dem Iran ist seit wenigen Wochen in Deutschland. Sie hat am „Welcome Table“ im August teilgenommen und konnte beim Burgfest in Tangermünde Anfang September ein erstes Gefühl von Ankommen feiern. Sie ist zufällig Leuten vom „Welcome Table“ begegnet, statt den restlichen Abend alleine über das Festgelände zu wandern.

Der Weg vom Iran zum Burgfest war für Kimia Khorramroudi gar nicht so einfach. Die Iranerin hat Software Engineering studiert und sich auf eine ausgeschriebene Stelle von Coman Software beworben. Rund sechs Monate habe es Mats-Milan Müller zufolge gedauert, das Arbeitsvisum zu beantragen. „Sie hatte wirklich alles vorbereitet“, sagt der Marketingleiter. Und trotzdem dauerte es ein halbes Jahr.

Genervt von bürokratischen Hürden

Allein bis der Abschluss der 30-Jährigen anerkannt wurde, gingen dreieinhalb Monate ins Land. Weil ein Schreibfehler seitens der Behörden auf dem offiziellen Dokument korrigiert werden musste, dauerte es einen weiteren Monat. Das Arbeitsvisum selbst hat noch mal zwei Monate Wartezeit in Anspruch genommen. „Vorher konnte sie nicht einreisen“, sagt Mats-Milan Müller und ist sichtlich genervt von den bürokratischen Hürden. „Es ist eigentlich nicht mein Job, dafür zu sorgen, dass ich meine Fachkräfte herbekomme. Aber ich muss es machen. Sonst wäre Kimia immer noch nicht hier.“

Von diesen Problemen kann Mechthild Bleuel ein Lied singen. Sie ist die Geschäftsführerin der Inlingua Sprachschule in Stendal. Viele ihrer angestellten Lehrer kommen aus dem Ausland. Eine Frau aus Nordmazedonien hatte sich im September 2022 bei der Sprachschule beworben. Im November 2022 erhielt sie ihren Vertrag. „Sie ist am 14. September angereist ...“, sagt Mechthild Bleuel.

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Arbeitgeber haben an der Willkommenskultur einer Stadt einen großen Anteil. „Es hört nicht auf, wenn man den Arbeitsvertrag mailt“, sagt Mechthild Bleuel. Mats-Milan Müller stimmt ihr zu. Deshalb haben sie sich mit Thomas Barniske zusammengetan.

Die Idee für den „Welcome Table“ ist bei einem von der Stadt Stendal organisierten Unternehmerdialog entstanden. „Es braucht einfache Lösungen, die Unternehmen umsetzen können, um Fachkräfte in Stendal zu halten“, sagt Mats-Milan Müller. Ein Treff kostet wenig Geld, und Anträge bei Behörden müssen dafür auch nicht gestellt werden. Eine Woche nach dem Unternehmerdialog rief Thomas Barniske den Marketingleiter an und fragte: „Machen wir das jetzt?“, erinnert sich der 33-Jährige.

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Viermal fand der „Welcome Table“ bisher statt. Daran teilgenommen haben auch Amin Rezaie und Tiange Dong. Der Afghane und die Chinesin leben in Magdeburg und absolvieren ein Praktikum in Stendal. „Als ich nach Deutschland gekommen bin, war ich 17 Jahre alt. Es war schwer, Anschluss zu finden“, sagt Amin Rezaie. Das war vor acht Jahren. Mittlerweile trifft er sich regelmäßig am Wochenende mit Freunden zum Fußballspielen. Meist sind das Leute aus der afghanischen Gemeinschaft in Magdeburg.

Chance, häufiger Deutsch zu sprechen

Tiange Dong lebt seit fünf Jahren in Deutschland. Während ihres BWL-Studiums hat sie keine deutschen Freunde gefunden und unternimmt deshalb viel mit anderen Chinesen. Sie freut sich, dass sie mit dem Praktikum und dem „Welcome Table“ mehr Chancen hat, Deutsch zu sprechen. Als sie sagt, dass die größte Herausforderung ist, zu wissen, wo bei deutschen Sätzen das Verb hingehört, können die anderen ihr nur lachend zustimmen.

Das häufige Lachen im Gespräch mit den Zugezogenen zeigt das Ziel des „Welcome Tables“: sich wohlfühlen. „Wenn Altmärker aus dem Urlaub kommen, was sagen sie dann? ‚Die waren so freundlich.‘ Das wollen wir auch“, sagt Mechthild Bleuel.

Der „Welcome Table“ zusammengefasst

Der „Welcome Table“ findet immer am letzten Mittwoch im Monat statt. Treffpunkt ist das Kaffeehaus Kaffeekult am Marktplatz in Stendal. Von 16.30 bis 18 Uhr sollen zugezogene Fachkräfte aus Deutschland und dem Ausland die Chance erhalten , sich in Stendal ein soziales Netzwerk aufzubauen. Der nächste „Welcome Table“ findet am Mittwoch, 27. September, statt.