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Partei-Austritt Vize-Landrat kehrt SPD den Rücken

Der Vize-Landrat und 1. Beigeordneter des Landkreises Stendal kehrt der SPD den Rücken. Über seine Gründe spricht Denis Gruber offen.

Von Regina Urbat 11.12.2019, 17:13

Stendal l Es sind die Werte der Sozialdemokraten gewesen, die Denis Gruben 1998 zum Eintritt in die Partei bewogen haben. 21 Jahre später sitzt Stendals Vize-Landrat in seinem Amtszimmer und erklärt gegenüber der Volksstimme seinen Austritt aus der SPD.

Die für ihn einst so überzeugenden Werte haben sich verlagert, der Verschleiß von Persönlichkeiten an der Bundesspitze der SPD sei nicht mehr hinnehmbar. „Die Quittung sind die katastrophalen Wahlergebnisse auf Bundes- und Europa-Ebene“, sagt Denis Gruber. Der 41-Jährige findet das „tägliche Hinterfragen“ zur Großen Koalition mit der CDU fehl am Platz. „Wenn man sich in der Lage fühlt, regieren zu können, sollte man es tun.“

Die wohl schwerwiegenden Gründe, der SPD den Rücken zu kehren, sind vor Ort - auf Stendaler Kreisebene – zu finden. Man könnte sie mit „übergangen und ausgegrenzt sein“ umschreiben. Denis Gruber, der stellvertretender Vorsitzender der Kreis-SPD bis Montag war, nennt fehlende Transparenz und eine „zu starke Abweichung vom Kurs in Richtung linkes Lager“ als Beweggründe für seine Entscheidung.

Beispielsweise habe er in der Vorwoche von einem 24-Punkte-Programm, das die Sozialdemokraten und Grüne gemeinsam unterzeichneten, auf einem Online-Portal im Internet erfahren. „Das ist weder im Kreisvorstand noch in den Fraktionen besprochen worden.“ An ihm vorbei seien auch die Vorschläge für eine Neubesetzung des Vorstandes verhandelt worden, die am Wochenende auf dem Kreisparteitag zur Sprache gekommen waren. „Früher wurde so etwas mit der Spitze besprochen, diesmal wurde ich vor vollendete Tatsachen gestellt“, hadert Gruber. Er habe drei Tage mit sich gerungen und dann den Entschluss gefasst: „Wenn die Grundsätze nicht mehr passen, ist es besser sich zu trennen.“

Gemunkelt wird, Denis Gruber sei aus der SPD ausgetreten, um seine Chance, 1. Beigeordneter des Landkreises Stendal zu bleiben, zu erhöhen. Diese stünden nämlich nach dem Sieg des Sozialdemokraten Patrick Puhlmann bei der Landratswahl eher schlecht. In der Regel bleibt der Posten des 1. Beigeordneten und damit des Vize-Landrates nicht der Partei vorbehalten, der der Landrat angehört. Da der gegenwärtige 2. Beigeordnete Sebastian Stoll Mitglied der CDU ist, wäre ein Postenwechsel mit dem SPD-Mann Gruber vorstellbar.

Es ist aber auch davon die Rede, dass ein Dritter im Bunde ist, dem die Sozialdemokraten mit den Parteien der Grünen und Linken, die Puhlmann im Wahlkampf unterstützt haben, bei der Beigeordnetenwahl den Vorrang geben.

Denis Gruber winkt ab und geht auf das Gedankenspiel nicht ein. Er sei der Überzeugung, dass die Beigeordneten des Landkreises in erster Linie die Mitarbeiter der Verwaltung kompetent führen und dem Kreistag fachkundig Rede und Antwort stehen müssen. Als er 2013 vom Kreistag zum 1. Beigeordneten gewählt wurde, „war für mich klar, dass man eine solche Position nur bekleiden kann, wenn man sich im Verwaltungsrecht auskennt“. Daher habe Gruber, der von Hause aus Doktor der Philosophie ist, berufsbegleitend, jeweils mittwochs und samstags, drei Jahre lang in Magdeburg Verwaltungs-, Haushalts-, Kommunal- und Sozialrecht studiert und den Abschluss zum Verwaltungsfachwirt erlangt.

Mit dieser Qualifizierung und seinen Berufserfahrungen der vergangenen sieben Jahre wolle er sich wieder um den Posten eines Beigeordneten bewerben. „Ein Parteibuch hat für mich bei der Ausführung dieser Tätigkeit nie eine Rolle gespielt – und würde es auch künftig nicht ...“

Eine Ausschreibung für den Beigeordneten-Posten ist übrigens vom Kreistagsvorstand bereits entschieden worden. Über das Prozedere soll in der heutigen Kreistagssitzung, Beginn 17 Uhr im Neubau des Stendaler Landratsamts, informiert werden.