Alarm im Alltag Private Einblicke: Aus welchen Situationen eilen Stendaler Feuerwehrleute zum Einsatz?
Dusche, Einkauf, Familienfeier – egal wo: Wenn der Melder Alarm schlägt, zählt nur eins: helfen! Ehrenamtliche Kräfte aus Stendals Ortsfeuerwehren berichten, aus welchen kuriosen, ungünstigen oder schönen Situationen sie gerissen werden.

Stendal - Wenn der hohe, penetrante Signalton erklingt, lassen die Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehren in der Hansestadt Stendal alles stehen und liegen. Ein kurzer Blick auf den Melder und ab zur Wache, um ihren Mitmenschen zur Hilfe zu eilen. Das Piepen ertönt dabei oft in ungünstigen Momenten.
Denn ab dem Moment, in dem der Melder piept, haben die Feuerwehrleute maximal zwölf Minuten Zeit (Hilfsfrist), um zur Wache zu kommen, sich umzuziehen, aufs Auto zu steigen und den Weg bis zur Einsatzstelle zurückzulegen. Wenn Menschenleben in Gefahr sind, zählt jede Sekunde.
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„Manchmal hat man auch Glück, wenn die Freundin gerade bei dm rein will“, sagt Lennox Böhm und lacht. Der 21-jährige Stendaler findet es am schlimmsten, wenn der Melder geht, wenn er sich gerade unter der Dusche eingeseift hat.
Blöd ist auch, wenn der Melder geht und man gerade auf dem Pott sitzt.
Lennox Böhm, Freiwillige Feuerwehr Stendal
Auch darin sind sie sich einig: Wenn es in intimen Momenten piept, ist die Stimmung dahin.
„Ich war gerade entspannt im Pool als der Melder ging“, erzählt Philipp Wilke von der Freiwilligen Feuerwehr Insel. Nur in Badehose bekleidet ist Phillip Wilke schon zum Feuerwehrgerätehaus in Insel geeilt.

„Das ist einer Feuerwehrfrau von uns auch schon passiert“, erzählt Babette Sengespeik. Die Bindfelder Feuerwehrfrau hat schon mal so fest geschlafen, dass sie den Alarm überhört hat und geweckt werden musste: „Hey, die Sirene geht“, waren die ersten Worte nach dem Aufwachen. „Ich wusste im ersten Moment gar nicht, wo ich bin“, sagt sie.
In jedem Fall heißt es bevor es losgeht: schnell Socken finden. Denn die festen Einsatzstiefel haben es in sich. Hat sich der nackte, schwitzige Fuß erstmal festgesaugt, kommt er kaum heraus – ist das geschafft, muss die schwarze Farbe heruntergeschrubbt werden.
Bei Stefan Kluth von der Feuerwehr Borstel hing der Haussegen etwas schief, als er am Jahrestag kurz vor der Essensverabredung zum Küchenbrand nach Stendal-Stadtsee eilte. „Schon bei unserem Kennenlernen bin ich zum Einsatz losgefahren“, sagt der 43-Jährige und lacht. Das kennt seine Partnerin schon.

Der lange Einsatz, als am 5. Oktober ein Gebäude an der Heerener Straße brennt, hat Sabrina Nitschke aus Bindfelde den Tag verdorben. „Ich hatte für diesen Sonntag allen abgesagt und wollte mir einen schönen Tag mit meinem Mann und meinem Sohn machen“, erzählt sie. Als der Melder ging, hatte sie gerade den Tisch für das gemeinsame Essen gedeckt. Daraus wurde nichts. Die nächsten fünf Stunden war sie im Einsatz.
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Den Zorn ihrer Mutter hat Antina Reinecke schon auf sich gezogen. Bei der Silberhochzeit der Eltern ging die Sirene in Döbbelin. Das Kuriose: Im ersten Moment dachte die 25-Jährige: Das sind die Kameraden, die sowieso vorbei kommen wollen. Doch der Text auf dem Melder zeigt: Es gilt eine Ölspur vor der Brücke nach Tornau zu beseitigen. „Meine Mutter sagte nur: ‚Du bleibst hier!‘“ Zum Glück waren ihre Kameraden bereits am Gerätehaus und konnten den Einsatz schnell abarbeiten.
Wir müssen uns entscheiden, wer von uns mit den Kindern zu Hause bleibt.
Stefan Ringleb und Martin Schulze, Freiwillige Feuerwehr Döbbelin
Als im vergangenen Jahr bei der Lebensart in Döbbelin der Melder ging, hatte Martin Schulze plötzlich nicht nur seine drei Kinder, sondern auch die Leinen der Hunde von Ortswehrleiter Mirco Giese und Antina und Hannes Reinecke in der Hand.

„Wenn man mit dem Hund unterwegs ist, muss man den erst schnell nach Hause bringen“, weiß der Buchholzer Tim Ebel aus leidvoller Erfahrung. Auch beim Kochen oder Backen müssen sich die Einsatzkräfte vorsehen: „Es kam schon vor, dass ein Kamerad nach Hause musste, weil ihm einfiel, dass der Herd oder der Ofen noch an sind“, erzählt der 32-Jährige.
Als es im Restaurant gepiept hat, musste ich schon mal das Essen stehenlassen.
Nadja Spinnrad, Freiwillige Feuerwehr Stendal
Das Essen war dann kalt, als Nadja Spinnrad vom Einsatz zurückkam. Die Kameradin der Stendaler Feuerwehrfrau, Angelina Schonscheck, ergänzt: „Nervig ist es auch, wenn man mit dem vollen Einkaufswagen an der Kasse steht und noch drei Leute vor einem in der Schlange sind.“ Dann heißt es für die Stendalerin: Kassiererin Bescheid sagen, Wagen stehenlassen und los.

„Vor zwei Wochen hatte ich auf Arbeit besonders viel zu tun“, sagt David Bloser. Der Uchtspringer musste die Stunden seiner Mitarbeiter freigeben, damit die Kollegen die Abrechnung machen können. An dem Tag ging gleich zweimal der Melder – einmal eilte der 41-Jährige zu einer ausgelösten Brandmeldeanlage und einmal zur Tragehilfe für den Rettungsdienst.
Kay Gennrich hat vor einigen Jahren sogar mal seine eigene Geburtstagsfeier unterbrochen. Er hat Familie und Gäste stehenlassen. Der Stendaler eilte mit seinen Kameraden zum Theater der Altmark, weil dort eine Brandmeldeanlage Alarm geschlagen hat.

Hauptsache, alle kommen heile wieder nach Hause.
Claudia Kagelmann, Freiwillige Feuerwehr Borstel
Die Borsteler feierten den 40. Geburtstag ihrer Kameradin Claudia Kagelmann, als sie es Knallen hörten. Gasflaschen sind am 22. März am Toom-Baumarkt explodiert. Als der Melder ging, verließen einige Gäste schlagartig die Feier. Die Feuerwehrfrau nimmt es gelassen: „Hauptsache, alle kommen heile wieder nach Hause.“