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Automobile Mit „Tempo“ entschleunigen

In Derenburg hat die Volksstimme Automobil-Fan Jörg Moshake mit seinem Lasten-Dreirad getroffen und mit ihm über sein Hobby gesprochen.

Von Jens Müller 18.08.2017, 01:01

Derenburg l „Tempo“ steht groß auf dem Kühlergrill. Die drei Kreise unter dem Schriftzug und der langgezogene Deckstrich des Buchstabens „T“ lassen Motorkraft und rasanten Fahrspaß vermuten. Die Bezeichnung „Tempo“ für das Lieblingsauto von Jörg Moshake ist dann doch eher gewagt, wenn nicht gar übertrieben. Von den drei Rädern ganz zu schweigen. Trotzdem: „Der Wagen ist ein wirklich schönes Teil mit Wiedererkennungswert. Und es ist einfach lustig zu fahren“, sagt der Tischlermeister, der nicht selten mit seinem Dreirad in und um Derenburg unterwegs ist.

Am liebsten nimmt er seine Enkel Leonhard und Emil mit auf die abenteuerliche Reise in dem altertümlichen Vehikel. Doch auch zu Veranstaltungen im Ort fährt er standesgemäß im „Tempo“ vor. „Ich fahre aber auch auf die Baustellen damit“, sagt er.

Denn sein „Tempo“ ist schließlich als dreirädriger Lastwagen konzipiert und jahrzehntelang so gebaut worden – von den Tempo-Werken in Hamburg-Harburg. Das Modell von Jörg Moshake ist den Papieren nach Baujahr 1941. Unter der Haube verbirgt sich ein wassergekühlter Zwei-Zylinder-Zweitaktmotor mit nur 400 Kubikzentimetern. Die Maschine erzeugt zwölf PS. Das Vorderrad wird über eine Kette angetrieben. Das Erstaunliche, so Moshake: „Das Dreirad wiegt zwar nur 640 Kilo, darf aber bis zu 600 Kilo aufladen.“ Deshalb war solch ein Gefährt ab den ausgehenden 1920er Jahren das ideale Auto, um in Großstädten Kohle oder Kartoffeln auszuliefern. Der erste Tempo (T 1) entstand 1928 in einer Harburger Kohlenhandlung.

In Derenburg selbst erinnert sich Jörg Moshake an einen Kolonialwarenhändler und einen Raumausstatter, die solche Dreiräder zu DDR-Zeiten ihr Eigen nannten. Und auch sein eigenes Gefährt ist in der Region kein unbekanntes: Vorbesitzer war Bernd Nehrkorn aus Heudeber. „Mein Vater hatte den Wagen in Genthin entdeckt. Dann haben wir ihn binnen zwei Monaten in 800 Stunden Arbeit restauriert“, erzählt der Inhaber einer Mosterei. Als rollender Marktstand war er schließlich der Hingucker beim Derenburger Bauernmarkt in der Wernigeröder Straße.

Nun steht er nur hundert Meter weiter unter dem Schauer von Jörg Moshakes Tischlerwerkstatt und erfreut seinen neuen Besitzer immer wieder aufs Neue: Die in einem lindgrünen Farbton gehaltene Lackierung mit dem nostalgischen Firmenschriftzug, die übersichtlichen, ja gar spartanischen Instrumente, die solide Mechanik, das synchronisierte Drei-Gang-Getriebe mit Rückwärtsgang und selbst das enge Fahrerhaus bedeuten für den Autofan absoluten Fahrspaß.

Nur das Wenden ist anstrengend: „Er hat einen riesigen Wendekreis. Aber dafür ist alles original“, schwärmt Jörg Moshake, der dann aber doch ein paar kleine Eingriffe vorgenommen hat. „Der Vergaser ist neu“, gesteht er. „Jetzt fährt der Wagen aber locker 50 Kilometer ohne Probleme“, versichert der Tischlermeister. Umgekippt sei er mit dem Teil übrigens noch nie. Wie auch? Denn die Bezeichnung „Tempo“ ist wirklich übertrieben.