Nationalsozialismus Bürgerinitiative fordert mehr Erinnerungskultur in Blankenburg
Um die Zeugnisse des NS-Regimes und des Leids von Zwangsarbeitern ist in Blankenburg emotional gerungen worden. Eine neue Bürgerinitiative „Wider das Vergessen“ will die Spuren dieser Zeit in der Stadt deutlicher aufzeigen.

Blankenburg/mg - In Erinnerung und Fortsetzung der Arbeit des verstorbenen Nestors der Blankenburger Forschung zu NS-Zwangsarbeits- und KZ-Lagern, Günther Pape, hat sich eine Bürgerinitiative gegründet. Die Gruppe möchte die Stadt bei der Gedenkkultur an die Verbrechen der NS-Diktatur unterstützen, informiert ihr Sprecher Wolfgang Schilling: „In einer Zeit des erstarkenden Rechtsradikalismus sind alle Kommunen aufgefordert, ihre lokale Gedenkarbeit zu verstärken“. Die Initiative „Wider das Vergessen“ sei überparteilich, keiner politischen Strömung angegliedert.
Aus Sicht der knapp zehn Mitglieder ist während der vergangenen Jahrzehnte in dieser Hinsicht wenig passiert: Genauere Hinweisbroschüren zu vielfachen Menschenrechtsverletzungen und Zwangsarbeit fehlten ebenso wie ein Heimatmuseum. Erinnerungsstelen, Gedenktafeln und Hinweisschilder seien die Ausnahme. „Das alles entspricht nicht einer profunden und für die nachkommende Generation wichtigen Beschäftigung mit der Geschichte, die zwischen 1933 und 1945 auch um Blankenburg keinen Bogen gemacht hat. Im Gegenteil“, so Schilling.
In Geheimprojekten der Rüstungsverlagerung wie Malachit – dem heutigen Bundeswehr-Sanitätsstandort – und Porphyr – den Klosterwerken – mussten laut der Gruppe Hunderte Internierte Zwangsarbeit leisten, von KZ-Häftlingen bis zu „Jüdisch Versippten“. Für die Öffentlichkeit sichtbar hätten sich in der Kleinstadt zum Kriegsende 5000 Personen befunden, die in der Rüstungsproduktion arbeiten mussten. Darunter seien 1000 Ingenieure gewesen, die an Weiterentwicklungen zu U-Booten im Auftrag der Marine forschten.
Mehr als 100 NS-Zwangsarbeiter in Blankenburg gestorben
Mehr als 100 Zwangsarbeiter überlebten diese Torturen bei mangelhafter Ernährung und schlechter Behandlung nicht. An sie erinnert die zentrale Gedenkstätte am Lühnertorplatz. „Doch gilt es auch die über den Ort verteilten Einrichtungen kenntlich zu machen und dem Grauen ein Gesicht zu geben“, fordert die Initiative. „Wer weiß heute noch, dass auch drei Todesmärsche mit KZ-Häftlingen durch Blankenburg gingen, bei denen es ebenfalls Todesfälle gab?“
Dank Unterstützung ist es inzwischen gelungen, 50 Meter der „Klosterwerke“ zu erhalten, die von der Oberen Denkmalschutzbehörde als unbedingt erhaltenswertes Relikt der Untertageverlagerung eingestuft wurden. Sie wurden zumeist von KZ-Häftlingen unter brutalen Bedingungen geschaffen. Zwei Aufsteller verweisen auf die Klosterwerke an der neu gewidmeten Straße zu Albert Van Hoeij. „Einer davon steht allerdings an unpassender Stelle. Wie konnte das passieren?“, fragt Schilling.
„Wir hatten der Stadt über den Bürgermeister seit einer Pressekonferenz im März 2021 fachliche Unterstützung und Begleitung angeboten. Sie ist bis heute nicht abgefordert worden“, teilt die Gruppe mit. „Wir fordern von der Verwaltung eine Einbeziehung sachkundiger Bürger in zukünftige Entscheidungen, die mit der Gedenkkultur zu tun haben und wir erwarten eine stärkere und deutliche Mitwirkung des Stadtrats, wenn es um solche Themen geht. “
Hinweise zu Opfern an „authentischen Orten“ gefordert
Ihre Kernziele umschreibt die Gruppe wie folgt: Am wichtigsten sei, die noch vorhandene Baracke in der Oesig aus dem Lager für „Jüdisch Versippte“ in einen würdigen Zustand zu versetzen, sie vor endgültigem Verfall und Abriss zu bewahren. Dabei sei die Zusammenarbeit mit Landesbehörden und deren Förderung zu suchen. Die Einrichtung eines Dokumentationsraums, der in Verbindung mit Gruppen des Jugendwaldheimes zur Geschichtsvermittlung genutzt werden kann, sei zu forcieren.
Die Initiative wünscht sich Hinweistafeln an den wichtigsten Standorten der Zwangsarbeitslager und der Untertage-Rüstungsverlagerungsobjekte. Ähnlich der Gedenkstele auf dem Tummelplatz sollten sie „in einheitlichem und dauerhaft witterungsbeständigem Material“ errichtet werden. „Diese Hinweise müssen direkt an den authentischen Orten stehen, nicht irgendwo, wo gerade Platz ist.“
Gemeinsamer Wille der Initiative sei, „langfristig wieder ein Museum für eine ehemalige Kreisstadt zu befördern“. Ein solches Haus sei als Informationsquelle wichtig für das Geschichtsverständnis – von Einheimischen und Gästen. Der NS-Zeit solle entsprechend Platz eingeräumt werden.
Initiative „Wider das Vergessen“ will „mehr als Symbolpolitik“
Das Mundloch des Walter-Hartmann-Stollens der Klosterwerke befindet sich laut Bürgerinitiative auf einem städtischen Grundstück. „Dieses ist an einen Naturschutzverein verpachtet worden, der aber kaum aktiv ist“, heißt es weiter. Vor dem Objekt solle eine Tafel dauerhaft an Leiden der Zwangsarbeiter und Toten der Rüstungsverlagerung erinnern. „Wir fordern die Stadt auf, hier endlich Mindeststandards der Erinnerungskultur zu realisieren. Dabei kann es nicht um Symbolpolitik gehen.“ Die Benennung einer Straße nach einem der KZ-Gefangenen, Albert von Hoeij, sehe die Gruppe „nur als Beginn der weiter nötigen Auseinandersetzung mit einem schwierigen Teil deutscher Geschichte“.
Die Mitglieder von „Wider das Vergessen Blankenburg“ fordern, langfristig eine Broschüre und ein Faltblatt zu erarbeiten, „die es Interessierten ermöglichen, die Orte der Menschenrechtsverletzungen aufzusuchen. Im Verbund mit den Hinweistafeln ergibt sich dann ein grobes Bild, in welcher Form der NS-Staat auch in Blankenburg wirksam wurde.“
Die Gruppe erwarte von Bürgermeister, Verwaltung und Stadtrat, „dass in nächster Zeit weitere Schritte unternommen werden, eine über viele Jahre vernachlässigte Erinnerungs- und Gedenkkultur in Blankenburg sichtbar werden zu lassen“. Dafür arbeite die Initiative bereits mit der Gedenkstättenstiftung Buchenwald, dem Verein Spurensuche Harzregion und anderen Vereinen, die sich um die Hinterbliebenen des NS-Unrechtssystems kümmern, zusammen.
