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Waldsterben Klimawandel bewegt Harzer Förster

Wie steht es um den Harzer Wald? Darüber und über die Auswirkungen der Extremwetterlagen seit 2018 haben Förster in Goslar diskutiert.

Von Julia Bruns 05.03.2020, 00:01

Goslar l Schüttere Wipfel, wohin man blickt. Totholz, kahle Flächen und nadellose Fichten, wo einst gesunde Bäume Schatten spendeten. Dieses nicht mehr seltene Bild im Harz ist am Dienstag, 3. Februar, Anlass für eine Informationsveranstaltung in Goslar. Es geht um nicht weniger als die „Zukunft des Waldes“, so der Titel der Debatte auf dem Energiecampus. Jeder Platz im Publikum ist besetzt. Die Mehrzahl der Gäste sind Forstleute. Das verrät die Arbeitskleidung, die viele noch tragen.

Das Thema bewegt nicht nur Förster, aber vor allem sie. Rede und Antwort stehen Andreas Pusch, Leiter des Nationalparks Harz, Dr. Klaus Merker, der Präsident der Niedersächsischen Landesforsten und Wolfgang Lebzien, der Goslarer Forstleiter. Sie alle bescheinigen, was viele schon wissen: Der Klimawandel verändert den Wald drastisch.

Dr. Oliver Junk, Goslars Oberbürgermeister (CDU), verdeutlicht mit aktuellen Zahlen aus dem städtischen Haushalt, wie sich die Lage seit 2017 verändert hat. „Wir haben den größten Stadtforst in ganz Niedersachsen“, so Junk. „In guten wie in schlechten Zeiten wurde der Wald erhalten.“ Trotz schwieriger Haushaltslage konnte ein Verkauf von Waldflächen immer abgewendet werden. „Weil wir nachweisen konnten, dass die Stadt 200.000 Euro pro Jahr mit dem Wald verdient. Das ist auch drei Jahre gelungen – bis zu diesem Jahr. 2020 werden wir knapp eine Million Euro in den Forstbetrieb investieren.“ Wie viele Waldbesitzer müsse auch die Stadt Goslar massiv aufforsten.

Es fing mit dem Hochwasser im Juli 2017 an. Dann folgte Sturmtief Xavier im Oktober, schließlich fegte Friederike im Januar 2018 über den Harz. Schließlich kam die Trockenheit. Bauern beantragten Dürrehilfen. Im Wald schwächte die Hitze die ohnehin schon von die Extremwetterlagen geschädigten Bäume. Borkenkäfer stürzen sich zwar mit Vorliebe auf Totholz – aber in extremen Dürreperioden befallen sie auch lebende Bestände. Die Folge: Der Käfer breitete sich zuletzt explosionsartig aus. Auf das Dürrejahr 2018 folgte das Dürrejahr 2019. Die so entstandenen Schäden sind immens.

„Wie steht‘s um den Wald?“, will Moderator Jörg Kleine von der Goslarschen Zeitung nun von seinen Gesprächspartnern wissen. „Seit 2017 ist es zu einer Situation gekommen, wie wir Forstleute sie uns niemals hätten vorstellen können. Einzelne Katastrophen – ja. Die sind nicht ungewöhnlich. Aber hier handelt es sich nicht mehr um Einzelereignisse: Es ist der Klimawandel“, fasst Klaus Merker in dramatischen Worten zusammen. „Und die Förster kämpfen um jeden gesunden Baum.“

Die Niedersächsischen Landesforsten bewirtschaften Merker zufolge 315.000 Hektar Waldflächen. Pro Jahr hole man normalerweise 1,7 Millionen Kubikmeter Holz aus dem Wald, zumeist Fichten. „2017 waren es 2,8 Millionen“, so Merker. Denn damit sich der Käfer nicht weiter ausbreite, müssten die befallenen Fichten und das Sturmholz aus dem Wald geschafft werden. „Für uns ist das aktiver Waldschutz“, erklärt er.

So wie in Niedersachsen hat es auch in Sachsen-Anhalt die städtischen Forstbetriebe, die Privatwaldbesitzer und nicht zuletzt den Landesforstbetrieb getroffen. In der Folge des plötzlichen Überangebots auf dem Holzmarkt sank der Preis für den Festmeter (Kubikmeter) Fichte von 80 bis 90 Euro im Jahr 2017 um 50 Prozent auf unter 40 Euro im Jahr 2020. Die Gesamtdifferenz – es sind Hunderte Millionen Euro – fehlt in den Kassen.

Das spüren private Waldbesitzer deutlicher denn je. Einer von ihnen ist Wilfried Stecher, Vorsitzender der Forstgenossenschaft Grotenberg-Jerstedt bei Goslar. „Die Situation ist für uns nicht mehr beherrschbar“, so Stecher. Von 80 Hektar Schadholzflächen seien 60 aufgearbeitet – und die Rücklagen komplett aufgebraucht.

Der Genossenschaft fehle jetzt das Geld, den Rest des Schadholzes aufzuarbeiten und Waldwege zu sichern. „Wir sind enttäuscht von der Politik, die uns im Regen stehen lässt. Mountainbiker, Wanderer – alle wollen den Wald nutzen, aber wenn‘s um‘s Zahlen geht, dann stehen wir ganz alleine da.“

Es hagelt nicht nur Kritik an der mangelnden Unterstützung der Privatwaldbesitzer. Auch der Borkenkäfer erhitzt die Gemüter. Die Augen sind auf Andreas Pusch gerichtet. Im Publikum wird die natürliche Walderneuerung in Frage gestellt, stattdessen die Anpflanzung von ungarischen, vermeintlich resistenteren Gehölzen, empfohlen.

„Der Wald ist in Aufruhr“, bescheinigt Andreas Pusch. Jedoch sei aus Sicht des Nationalparks kein Hektar Wald bislang „zerstört“ worden. „Der Wald verjüngt sich“, sagt Pusch. Im Nationalpark würden schließlich andere Ziele verfolgt als in einem Wirtschaftswald. „Wir haben keinen wirtschaftlichen Schaden, denn der Nationalpark muss kein Geld verdienen. Wir verfolgen die Entwicklung mit spannendem Interesse.“

Im Nationalpark würden heimische Bäume angepflanzt – wenn angepflanzt werde. Mehr als viereinhalb Millionen Buchen seien in den vergangenen zehn Jahren in die Erde gebracht worden – „dort, wo sich auch früher nachweislich Buchenwälder befanden“, so Pusch. Nach wie vor sei die Fichte ein wichtiger Baum im Wald des Oberharzes. „Wenn nicht hier, wo soll die Fichte dann eine wichtige Rolle spielen?“, fragt er.

Gründe, das Holz liegen zu lassen, gebe es viele, sagt Pusch. „Und an der Außengrenze des Nationalparks bekämpfen wir den Borkenkäfer so konsequent, wie wir können.“ Zugegebenermaßen gebe es Lücken in dieser Zone, räumt er ein. Klaus Merker springt ihm bei: „Es ist eine Besonderheit, dass der Nationalpark im Harz eingebettet ist in private und öffentliche Wirtschaftswälder. Und natürlich spitzt es sich an den angrenzenden Revieren zu“, so der Landesforstchef.

Beate Bauers ist Försterin in einem Privatwald. „Es wird viel nach Schuldigen gesucht, aber in dieser Veranstaltung wird sichtbar, dass wir alle an einem Strang ziehen“, sagt sie. Sie regt an, noch intensiver nach Vermarktungswegen und Konservierungsmethoden für das viele Fichtenholz zu suchen. „Es ist nicht nachhaltig und ökologisch, das Holz quer über den Ozean nach China zu schippern.“