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Naturschutz Mausohr und Co. im Tunnel eingenebelt

Unbekannte haben den Bielsteintunnel bei Hüttenrode aufgebrochen und Fledermäuse mit Böllern attackiert. Es wird um Zeugenhinweise gebeten.

Von Jens Müller 30.01.2018, 11:51

Blankenburg/Hüttenrode l Er ist steinerner Zeuge der Harzer Eisenbahngeschichte: der Bielsteintunnel zwischen Blankenburg und Hüttenrode. Einst für die zwischen 1872 bis 1875 dort angelegte Erzstufenbahn errichtet und 1965 stillgelegt, ist die knapp 466 Meter lange Röhre seit mehr als zehn Jahren verschlossen.

Während das Portal aus Richtung Michaelstein mit einem großen Stahltor gesichert ist, versperren gleich zwei Metallgittertore den Eingang von der Hüttenröder Seite aus. Zumindest bis Anfang Januar. Bei einer turnusmäßigen Begehung in der vergangenen Woche stellt Bernd Ohlendorf von der Landesreferenzstelle für Fledermausschutz fest, dass nicht nur die Schlösser aufgebrochen wurden. Bereits vor dem Tor empfängt ihn der Rest einer abgebrannten Fackel, was ihn Schlimmeres erahnen lässt. „Ich habe ja schon einiges gesehen, aber so etwas ist mir bisher nicht untergekommen“, sagt er kopfschüttelnd, als er mitten im Tunnel eine Art Abschussrampe vorfindet. An einem Stock mit grünem Klebeband befestigt: der Rest einer Silvesterrakete. Weitere Hölzer und Plastikteile liegen verstreut in dem Eisenbahntunnel herum. Augenscheinlich ist mit den Feuerwerkskörpern dort experimentiert worden.

 „Ich tue mich schwer, so etwas noch als Dummer-Jungen-Streich abzutun“, sagt Bernd Ohlendorf. Denn allein schon das Aufbrechen der Schlösser setzt hohe kriminelle Energie voraus, sagt er. Hinzu komme das förmliche Ausräuchern des Tunnelgewölbes. „Wer als Mensch diesem Qualm ausgesetzt ist, fühlt sich schon extrem beeinträchtigt. Da kann man sich gut vorstellen, wie es den Tieren wohl ergangen ist“, so Ohlendorf. „Sie sind dadurch massiv gestört worden.“ Deshalb habe er auch Anzeige gegen Unbekannt erstattet und erhofft sich durch Zeugen Hinweise auf die oder den Täter.

Denn seit Jahren beherbergt der Bielsteintunnel ein bedeutendes Fledermausvorkommen und genießt als extra ausgewiesenes FFH-Gebiet (nach der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie) besonderen Schutzstatus. Laut Ohlendorf wird der Tunnel von einer Vielzahl von Fledermausarten nicht nur als Schwärmquartier genutzt. Aktuell überwintern auch Tiere in der Röhre, darunter das Große Mausohr, aber auch kleinere Arten wie die Bart- und Mopsfledermaus.

„Nehmen sie Qualm wahr, heißt das für sie sofort: Gefahr“, erläutert Ohlendorf. Die Tiere flüchten instinktiv, wissen aber in dieser Jahreszeit nicht wohin. Der Vorteil am Bielsteintunnel: Aufgrund günstiger Bedingungen ziehe der Rauch schnell ab.

Das Zünden der Feuerwerkskörper erinnert den Naturschützer an einen ähnlichen Vorfall Anfang der 90er Jahre. Damals war ein in Wolfenbüttel gestohlenes Auto in den damals noch offenen Tunnel gefahren und angezündet worden. „Danach war er als Fledermausquartier auf Jahre tot“, so Ohlendorf. Deshalb ärgere es ihn mächtig, dass nach der Wiederbesiedlung nun erneut dort randaliert wurde. Sollten die Rowdys gefasst werden, drohe ihnen übriges nicht nur eine Strafe wegen Sachbeschädigung. Der Tunnel ist nämlich nicht nur europäisch geschütztes Fledermausquartier, sondern auch ein Kulturdenkmal - eingetragen im Denkmalverzeichnis des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalts als Teil der Rübelandbahn.

Inzwischen sind die Metallgitter-Türen vor dem Bielsteintunnel wieder mit massiven Verriegelungen gesichert worden.

Hinweise zu den Aktivitäten um Silvester am Bielsteintunnel erbittet Bernd Ohlendorf unter Tel. (03 46 51) 2 98 89 22, per E-Mail bernd.ohlendorf@bioressh.mlu.sachsen-anhalt.de oder jede Polizeidienststelle.